OGH 2Ob309/53

OGH2Ob309/5321.10.1953

SZ 26/255

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1295
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1325
Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen §7
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1295
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1325
Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen §7

 

Spruch:

Das Risiko außergewöhnlicher Beschädigungen müssen die Zuschauer gefährlicher Sportveranstaltungen (Motorradrennen) gegenüber dem Veranstalter selbst tragen.

Betrieb im Sinne des § 7 KFG. ist auch die Beteiligung an einem Motorradrennen.

Entscheidung vom 21. Oktober 1953, 2 Ob 309/53.

I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Als am 11. September 1949 bei dem von der Motorradsektion L. des Drittbeklagten veranstalteten Motorradrennen in L. der Erstbeklagte mit seinem Kraftrad den mit einer Geschwindigkeit von 90 bis 100 Stundenkilometern fahrenden Zweitbeklagten in der R.straße mit einem Tempo von zirka 100 bis 110 Stundenkilometern rechts überholte, kam der Zweitbeklagte zum Sturze und flog sein Motorrad in die an der (in der Fahrtrichtung der Rennfahrer) rechten Seite der Straße stehenden Zuschauer, wo es den zu ihnen gehörigen, mindestens 3 Meter hinter dem Straßenrand befindlichen Kläger schwer verletzte. Ein Abstand von etwa 2 1/2 Metern vom Straßenrand reicht bei nichtgefährlichen Stellen wie bei der Unfallstelle zur Sicherung der Zuschauer aus und es wurde beim gegenständlichen Rennen auch nicht die Einhaltung eines größeren Abstandes von den Zuschauern verlangt. Außergewöhnliche Unfälle können bei solchen Rennen nicht ausgeschlossen werden. Der Zweitbeklagte fuhr in der Mitte der 4.56 m breiten Straße vollkommen sicher. Der Erstbeklagte hatte zum Überholen zirka 1.60 m, sohin genügenden Raum, zur Verfügung. Wenn der Erstbeklagte dem Zweitbeklagten beim Überholen, wie es unter Rennfahrern üblich ist, auch sehr nahekam (ihn sehr knapp überholte), hat er damit doch keinen Kunstfehler begangen. Die unfallskausale gegenseitige Berührung der beiden Fahrer ist aus einer nicht feststellbaren Ursache erfolgt. Sie kann z. B. durch ein leichtes Schwanken eines der Fahrer infolge einer kleinen Bodenunebenheit verursacht worden sein. Die drittbeklagte Partei hat alle üblichen und ihr vernünftigerweise zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen bei der Veranstaltung des gegenständlichen Rennens getroffen. Der Unfall wäre durch eine weitergehende Absperrung der R.straße, z. B. mit Seilen, nicht zu vermeiden gewesen. Die Unfallsstelle liegt im freien Gelände an einer schwachen Linkskurve der Straße, die mit einer Geschwindigkeit bis zu 110 Kilometern befahren werden kann.

Der Kläger verlangt mit vorstehender Klage von den Beklagten zur ungeteilten Hand als Ersatz des von ihm erlittenen Schadens einen Betrag von 110.324.12 S (davon 80.000 S Schmerzengeld), ab 1. Juli 1951 eine Rente von monatlich 1233.46 S ferner die Feststellung, daß die Beklagten dem Gründe nach zur ungeteilten Hand verpflichtet seien, den durch den Unfall verursachten Schaden zu ersetzen. Das Erstgericht hat mit Zwischen- bzw. Teilurteil erkannt, daß der Anspruch des Klägers gegenüber dem Erstbeklagten und dem Zweitbeklagten zur ungeteilten Hand, jedoch mit Ausnahme des Schmerzengeldanspruches, zu Recht bestehe, da diesen beiden Beklagten zwar kein Verschulden zur Last falle, sie aber nach den Haftpflichtvorschriften des Kraftverkehrsgesetzes (DRGBl. 1909 I S. 437) haften. Das Klagebegehren gegen den Drittbeklagten wurde mangels Vorliegens eines Verschuldens oder einer Haftung ohne Verschulden abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Berufung des Klägers und Erstbeklagten nicht Folge gegeben, dagegen der Berufung des Zweitbeklagten Folge gegeben und das gegen ihn gerichtete Klagebegehren abgewiesen, da im Hinblick auf den Zweitbeklagten der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 7 Abs. 2 KraftfahrVerkG. verursacht worden sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei teilweise Folge und stellte das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich der zweitbeklagten Partei wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision des Klägers ist berechtigt soweit sie die Abänderung des erstgerichtlichen Urteils durch das Berufungsgericht bekämpft. Im übrigen ist die Revision des Klägers nicht berechtigt. Die Revision des Erstbeklagten ist nicht berechtigt.

Zur Revision des Klägers:

Wenn das Berufungsgericht die Beweiswürdigung des Erstgerichtes übernimmt und damit den Gutachten der Sachverständigen Glauben schenkt, ist diese Beweiswürdigung der Bekämpfung durch die Revision - aus welchem Gründe immer - entrückt. Der Streit darüber, ob eine Tatsache festgestellt ist oder nicht (§ 272 ZPO.), kann nicht vor die dritte Instanz gebracht werden, die Rechts-, nicht Tatsacheninstanz ist.

Wenn die Revision dem Berufungsgerichte vorwirft, es habe unter Berufung auf die Sachverständigen Rechtsfragen unrichtig gelöst, ist ihr folgendes zu erwidern. Die Ausübung vieler Zweige des Sportes, insbesonders wo es sich wie bei Kraftfahrzeugrennen, Boxen usw. um Kampfsport handelt, ist nicht ohne eigene Gefährdung des Sportausübenden sowie ohne Gefährdung dritter Personen, wie des Gegners oder sogar eines Zuschauers, möglich. Soweit die Ausübung solchen Sportes in Anbetracht seiner die Nachteile überwiegenden kulturellen und zivilisatorischen, sittlichen und wirtschaftlichen Bedeutung nach den Verkehrsanschauungen gefördert werden muß, fehlt der mit der Sportausübung als solcher ihrem Wesen nach verbundenen Gefährdung die Rechtswidrigkeit, ebenso wie z. B. der Gefährdung aus Anlaß ärztlicher Eingriffe oder der mit der Zirkusakrobatik verbundenen Gefährdung (vgl. Klang - Wolff, Komm., 2. Aufl. zu § 1294 ABGB., S. 29, und die dort angeführte Literatur, Ehrenzweig, Obligationenrecht, 1928, S. 627). Dies gilt selbstverständlich nur insoweit, als es sich wirklich um Sportausübung handelt - mit den hiefür vorausgesetzten Fähigkeiten und unter Einhaltung der jeder Sportart eigenen Regeln und Kontrollen. Ob aber die Voraussetzungen für die Sportausübung vorliegen und die sportlichen Regeln eingehalten wurden (z. B. ob bei einer schwierigen Bergbesteigung der Führer der Seilschaft die Führung übernehmen durfte und diese Führung sportlich richtig, ohne Kunstfehler, durchgeführt hat), ist Tat-(Sachverständigen-), nicht Rechtsfrage, nicht anders wie die Frage, ob ein Arzt eine Operation durchführen durfte und ob er sie richtig durchgeführt hat, ob ein Akrobat den lebensgefährlichen Trick mit seinem Partner ausführen durfte und ob er ihn richtig ausgeführt hat. Genau so Tat-(Sachverständigen-) und nicht Rechtsfrage ist es, welche nach den gewonnenen Erfahrungen ausreichenden Vorsichtsmaßnahmen bei der Zulassung von Zuschauern gefährlicher Sportveranstaltungen (Kraftfahrzeugrennen, Luftmeetings) erwartet und gefordert werden können (vgl. SZ. XII/94, GH. 1930, S. 70), in diesem Sinne zumutbar sind, ohne daß die Berücksichtigung außergewöhnlicher unvorhersehbarer Auswirkungen der mit der Veranstaltung verbundenen Gefahr von vornherein die Veranstaltung unmöglich macht oder ihre Beobachtung durch die Zuschauer vereitelt. Das - ebenfalls sportliche - Risiko außergewöhnlicher Beschädigungen müssen die Zuschauer solcher gefährlicher Sportveranstaltungen gegenüber dem Veranstalter selbst tragen. Auch dieser Gefahr fehlt im Sinne der obigen Ausführungen die Rechtswidrigkeit.

Die analoge Anwendung des Reichshaftpflichtgesetzes auf den Veranstalter eines Kraftfahrzeugrennens im Sinne einer über die Haftung für das Verschulden von Gehilfen hinausgehenden Haftung kann nicht stattfinden, da - bei zugestandener Billigkeit eines solchen Analogieschlusses und einer gewissen Ähnlichkeit des Falles - ein nur kurze Zeit währendes Kraftfahrzeugrennen mit dem ständigen Betriebe eines Eisenbahnunternehmens oder eines der sonstigen, im Reichshaftpflichtgesetz angeführten Unternehmen nicht verglichen werden kann.

Die nach den obigen Ausführungen eine Tatsachenfeststellung darstellendeAnnahme des angefochtenen Urteiles, daß dem Erstbeklagten kein Kunstfehler bei dem Überholen des Zweitbeklagten unterlaufen ist, ist im Revisionsstadium nicht anfechtbar. Die Behauptung, daß der Zweitbeklagte nicht sicher fuhr, widerspricht den Feststellungen der Untergerichte. Neben der als gestattet anzunehmenden Ausnahme von den Verkehrsvorschriften für das Rennen auf den für den sonstigen öffentlichen Verkehr gesperrten Straßen (vgl. § 10 Abs. 2 StPolG., § 11 Abs. 2 StPolG., § 106 Kraftfahrverordnung 1947) fällt es nicht ins Gewicht, daß § 7 StPolG. in § 10 Abs. 2 StPolG. nicht zitiert ist. Wie für das aus §§ 335, 431 StG. hervorgehende Verbot von Handlungen und Unterlassungen gegen die körperliche Sicherheit gilt ebenso für § 7 StPolG., daß, wie oben ausgeführt, die Diligenzpflicht bei erlaubter Sportausübung insoferne modifiziert ist, als hiebei bestimmten sonst rechtswidrigen Handlungen die Rechtswidrigkeit fehlt.

Die Frage, ob der Kläger mit dem Drittbeklagten durch Bezahlung der Eintrittsgebühr einen Werkvertrag abgeschlossen hat und ob der ErstundZweitbeklagte als Erfüllungsgehilfen des Drittbeklagten bei Erfüllung dieses Werkvertrages im Sinne des § 1313a ABGB. anzusehen sind, kann dahingestellt bleiben. Selbst bei Annahme eines Werkvertrages bestände die vom Drittbeklagten gegenüber dem Kläger als Zuschauer übernommene Verpflichtung, deren Nichterfüllung er im Sinne des § 1298 ABGB. zu vertreten hätte, nicht in der bezüglich der Rennfahrer unfallslosen Durchführung des Rennens, sondern darin, dem Kläger die Beobachtung des Rennens zu ermöglichen und ihn vor den Folgenvon bei einem solchen Rennen unvermeidlichen Unfällen durch die hiezu erforderlichen Vorkehrungen zu schützen. Da die Ursache der zwischen dem Erst- und dem Zweitbeklagten bei dem Vorfahren des Erstbeklagten erfolgten Berührung nicht feststellbar und ein Verschulden des Erst- und Zweitbeklagten nicht erweislich ist, den Beklagten aber nach dem Ausgeführten der Schuldlosigkeitsbeweis gemäß § 1298 ABGB. nicht obliegt, erübrigt sich die Frage nach den sonstigen Voraussetzungen der Haftung für Erfüllungsgehilfen nach § 1313a ABGB.

Wenn im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F. vom 8. September 1949 dieGenehmigung des gegenständlichen Rennens u.a. unter der Bedingung erfolgt ist, daß der Veranstalter des Rennens für etwaige Straßen- und Flurschäden sowie Schäden und Unglücksfälle, die durch das Rennen hervorgerufen werden, haftet, kann schon wegen der öffentlich-rechtlichen Natur dieses Bescheides mangels Vorhandenseins eines privatrechtlichen Vertragspartners darin kein Anbot zu einem privatrechtlichen Vertrag zugunsten unbekannter Dritter erblickt werden.

Die von den Untergerichten getroffene Feststellung, daß die Sicherheitsvorkehrungen des Drittbeklagten ausreichend waren, ist nach den obigen Ausführungen Tatsachenfeststellung und als solche im Revisionsstadium nicht mehr bekämpfbar. Wenn die Revision dem Drittbeklagten vorwirft, daß an der Unfallsstelle zu wenig Gendarmen und Ordner eingesetzt und die Eingesetzten den disziplinlosen Zuschauern gegenüber machtlos waren, weil keine Seile die Gefahrenzone abgrenzten, daß die Lautsprecherwarnungen schlecht zu hören waren und überdies in diesen Warnungen nicht die Einhaltung eines bestimmten Abstandes verlangt wurde, ist darauf hinzuweisen, daß ein Kausalzusammenhang zwischen den behaupteten Mißständen und dem Unfall des Klägers nach dem festgestellten Sachverhalt fehlt. Denn nach den Feststellungen, die der rechtlichen Beurteilung zugrundegelegt werden müssen, befand sich der Kläger außerhalb der für die Unfallstelle mit 2 1/2 m vom Straßenrand auszumessenden Gefahrenzone und fällt ihm keine Disziplinlosigkeit zur Last. Daß aber durch eine geradezu ein Abbrechen des Rennens erfordernde Disziplinlosigkeit von Zuschauern der Erstbeklagte zu dem - unter Rennfahrern ja üblichen - knappen Vorfahren veranlaßt und der Kläger am rechtzeitigen Erkennen der Gefahr verhindert worden sei, ist unbeachtliche Neuerung, abgesehen davon, daß das Abbrechen des Rennens jedenfalls zu spät gekommen wäre. Daß der Unfall durch eine weitergehende Absperrung der Straße, z. B. mit Seilen, zu vermeiden gewesen wäre, trifft nach den Feststellungen der Untergerichte nicht zu. Daß die Untergerichte die dem Drittbeklagten zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen auf Grund von Sachverständigengutachten festgestellt haben, erscheint nach den obigen Ausführungen vorwurfsfrei. Es versteht sich von selbst, daß damit nicht eine wirtschaftliche, auf die ja überhaupt nicht erörterte finanzielle Lage des Drittbeklagten abgestellte Zumutbarkeit zu verstehen ist. Bezüglich der auch in diesem Zusammenhang behaupteten Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wegen der bereits in der Berufung gerügten Nichteinvernahme des Zeugen Engelbert F. und wegen Nichtbeiziehung eines weiteren Sachverständigen ist auf das bereits oben Ausgeführte zu verweisen, daß solche Mängel keinen Revisionsgrund abgeben können.

In der Unterlassung der Versicherung der Zuschauer gegen Unfälle kann mangels einer diesbezüglichen gesetzlichen Verpflichtung ein Verschulden des Drittbeklagten nicht erblickt werden. Die Revision kann die Pflicht zum Abschluß der Versicherung gegen einen Schaden, für den nicht gehaftet wird, auch nicht verständlich begrunden.

Berechtigt ist die Revision nur insoweit, als sie die Abänderung des erstinstanzlichen Urteiles in Ansehung des Zweitbeklagten bekämpft.

Den Untergerichten ist zunächst darin beizupflichten, daß die Haftpflichtvorschriften des Kraftverkehrsgesetzes grundsätzlich für jeden Verkehr des Kraftfahrzeuges, auch auf nicht öffentlicher Bahn, also auch für Rennen in geschlossener Bahn gelten (vgl. die überwiegende reichsdeutsche Judikatur, Müller, Straßenverkehrsrecht, 1949, S. 181 und 256, Bartsch, Kraftfahrrecht, 1948, S. 15 f.). Betrieb im Sinne des § 7 Kraftverkehrsgesetz ist jede bestimmungsgemäße Verwendung des Kraftfahrzeuges als Fahrmittel, also zur Ortsveränderung, unter Benutzung seiner Maschinenkraft (Bartsch a. a. O.). Daß Kraftfahrzeugrennen, bei denen die spezifische, mit dem maschinellen Antrieb der Kraftfahrzeuge verbundene Gefährlichkeit, die die besonderen Haftpflichtvorschriften für Kraftfahrzeuge begrundet, besonders ins Gewicht fällt, einen solchen Betrieb par excellence darstellen, liegt auf der Hand.

Nicht geteilt werden kann aber die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß der Zusammenstoß für den Zweitbeklagten ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 7 Abs. 2 Kraftverkehrsgesetz darstellt. Denn der Kraftfahrer, der sich an einem Rennen beteiligt, muß mit dem - nach den getroffenen Feststellungen bei Rennfahrten üblichen - gefahrvollen knappen Überholen durch einen anderen Rennfahrer rechnen, nimmt also durch seine Beteiligung an einem Rennen ein solches Überholen und das damit verbundene Unfallsrisiko durch zufällige Berührung in Kauf. Eine solche bei Anwendung aller Sorgfalt unvermeidliche Berührung kann daher als voraussehbar (Bartsch, a. a. O., S. 22) für den Rennfahrer nicht als unabwendbares Ereignis gewertet werden, ebensowenig wie etwa Unebenheiten der Rennbahn, die bei der hohen Geschwindigkeit der Rennmaschinen einen Unfall verursachen können. Eine solche Berührung kann durch Nichtbeteiligung an dem Rennen abgewendet werden.

Im übrigen ist bezüglich der Haftung des Zweitbeklagten auf die tieferstehenden Rechtsausführungen zur Haftung des Erstbeklagten zu verweisen, die auch für den Zweitbeklagten gelten.

Zur Revision des Erstbeklagten:

... Zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung:

Zur Anwendbarkeit der Haftpflichtvorschriften des Kraftverkehrsgesetzes auf Rennen in geschlossener Bahn ist auf das bereits dazu Ausgeführte zu verweisen. Der Standpunkt der Revision, daß das Kraftverkehrsgesetz wegen seiner Bezeichnung als Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen nur auf im öffentlichen Verkehr befindliche Kraftfahrzeuge anzuwenden sei, ist nicht haltbar. Dieses Gesetz unterscheidet zwischen Betrieb und Verkehr (vgl. seinen § 1). Es kann daher nicht Betrieb im Sinne des § 7 Kraftverkehrsgesetz mit öffentlichem Verkehr identifiziert werden. Dieses deutsche Kraftverkehrsgesetz ist aus der Erweiterung eines ursprünglich nur zur Regelung der Haftpflicht aus dem Betrieb von Kraftfahrzeugen bestimmten Gesetzes zu einem solchen über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen entstanden. Die Verkehrsvorschriften traten neben die Haftpflichtbestimmungen (vgl. Müller, a. a. O., S. 91 und 181). Es ist daher unrichtig, wenn die Revision davon ausgeht, das Kraftverkehrsgesetz habe ausschließlich den Zweck verfolgt, der Verkehrssicherheit zu dienen.

Der Erstbeklagte kann nicht die Haftungsbefreiung des § 7 Abs. 2 Kraftverkehrsgesetz für sich aus dem Gründe in Anspruch nehmen, weil er jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet habe. Es wurde bereits ausgeführt, daß die Berührung zweier Rennfahrer beim knappen Überholen schon deshalb nicht ein unabwendbares Ereignis ist, weil es als vorhersehbar bezeichnet werden muß. Wer sich freiwillig in eine Gefahrenlage wie ein Rennfahren begibt, kann (wenn darin auch mangels Rechtswidrigkeit kein Verschulden zu erblicken ist) die voraussehbare Verwirklichung der Gefahr nicht als unabwendbares Ereignis für sich in Anspruch nehmen (vgl. Müller, a. a. O., S. 213). Wenn schon, im oben ausgeführten Rahmen, der Gefährdung durch Ausübung eines Sportes die Rechtswidrigkeit fehlt, daher der dadurch Geschädigte Schuldhaftung nicht geltend machen kann, ginge es doch zu weit, die Verwirklichung der durch die Ausübung des Sportes geschaffenen Gefahr als unabwendbares Ereignis anzusehen und dadurch beim Kraftfahrsport demGeschädigten auch die Berufung auf die der spezifischen Gefährlichkeit dieses Sportes Rechnung tragenden Haftpflichtvorschriften zu nehmen.

Zu den Ausführungen der Revision zu einem allfälligen Verschulden des Klägers ist, soweit diese Ausführungen von den Feststellungen des angefochtenen Urteiles ausgehen, noch folgendes zu bemerken. Da der Kläger den vom Drittbeklagten als Veranstalter des Rennens vorgeschriebenen, bei der Unfallsstelle zur Sicherung der Zuschauer auch ausreichenden Abstand vom Straßenrand von 2 1/2 m eingehalten hat, begrundet sein Standort zur Unfallszeit für ihn ebensowenig wie eine allenfalls mangelnde Aufmerksamkeit und Fluchtbereitschaft ein Verschulden. Aber auch als objektiv unsachgemäß kann das Verhalten des Klägers nicht bezeichnet werden (Bartsch, a. a. O., S. 27), da auch vom Zuschauer eines Kraftfahrzeugrennens nicht mehr erwartet werden kann als das Verbleiben auf dem für ihn bestimmten Platz. Keinesfalls kann von ihm eine ständige Unfallsbereitschaft, eine außerordentlich schnelleReaktionsfähigkeit und akrobatische Geschicklichkeit, auf ihn zufliegenden Gegenständen auszuweichen, gefordert werden.

Was oben über das Maß der Sicherheitsvorkehrungen des Drittbeklagten gesagt wurde, gilt auch gegen den Erst- und Zweitbeklagten. Wenn die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen ausreichend waren, durfte sich der Kläger auch sicher fühlen. Da sich der Kläger nicht disziplinlos verhalten hat und ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Disziplinlosigkeit eines Zuschauers und dem eingetretenen Unfall nicht festgestellt ist, gehen die Revisionsausführungen zur mangelnden Zuschauerdisziplin ins Leere.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte