Normen
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1323
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1331
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1332
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1323
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1331
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1332
Spruch:
Gebührt der Ersatz des entgangenen Gewinnes, so ist jedenfalls auch der wirkliche konkrete Schaden zu ersetzen.
Entscheidung vom 15. Oktober 1953, 1 Ob 776/53.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Am 24. März 1950 folgte die Beklagte der Klägerin einen Personenkraftwagen aus, der sich bei ihr zur Reparatur befunden hatte. Die Klägerin behauptet, daß bei der Rückgabe mehrere Gegenstände fehlten, deren Gesamtwert sie mit 10.688 S beziffert. Die Beklagte wurde aufgefordert, die fehlenden Bestandteile zu ersetzen, und es wurde ihr hiefür eine Frist bis zum 10. Mai 1950 zugebilligt. Die Klägerin hat schließlich den größten Teil der Gegenstände selbst beschafft. Diese Beschaffung und die Fertigstellung des Personenkraftwagens bis zur Benützungsfähigkeit nahm die Zeit bis 1. September 1950 in Anspruch. Die Klägerin mußte infolgedessen nach ihrer Behauptung durch 15 Wochen für je 5 Arbeitstage je 100 S Taxameterspesen aufwenden. Sie begehrt also weiters 7500 S. Auf ihre Ansprüche von insgesamt 18.188 S rechnet sie eine Gegenforderung von 5500 S an und begehrte die Verurteilung zur Bezahlung von 12.688 S. Das Erstgericht hat der Klägerin einen Betrag von 3228 S zugesprochen. Das Erstgericht hat angenommen, daß der Kläger für die Anschaffung einer Reihe von fehlenden Gegenständen einen Betrag von zusammen 8778 S auslegen mußte.
Über Berufung beider Teile hat das Berufungsgericht das Klagebegehren abgewiesen. Es hat zwar der Klägerin auch den Ersatz für jene. Gegenstände zuerkannt, die die Klägerin sich nicht wiederbeschaffte. Es hat jedoch seiner Berechnung nur die gemeinen Werte der fehlenden Teile im abgenützten Zustand, u. zw. 5275.50 S, und nicht die Nachschaffungskosten zuerkannt, also einen Betrag, der die anerkannte Gegenforderung nicht übersteigt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei teilweise Folge, bestätigte das bezüglich eines Teilbetrages von 2980 S rechtskräftige Urteil hinsichtlich der Abweisung des Begehrens bis zum weiteren Teilbetrag von 5446 S als Teilurteil, hob die Urteile der Untergerichte bezüglich eines weiteren Teilbetrages von 4272 S auf und wies die Rechtssache in diesem Umfange zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Frage des Ausmaßes der Haftung der Beklagten hängt nicht von ihrem Verschulden ab. Die Klägerin, eine Gesellschaft m. b. H., ist Formkaufmann. Alle von ihr abgeschlossenen Geschäfte sind also nach § 343 HGB. Handelsgeschäfte. Der Abschluß von Geschäften, die nicht zum Betriebe des Handelsgewerbes gehören, ist beim Formkaufmann nicht denkbar. Das zwischen den Parteien abgeschlossene Geschäft war also wenigstens auf seiten der Klägerin ein Handelsgeschäft. Nach Art. 8 Nr. 2 der Anpassungsbestimmungen der 4. EVzHGB. umfaßt der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn. Dies gilt nach § 345 HGB. für beide Teile, auch wenn nur ein einseitiges Handelsgeschäft vorliegen sollte. Die Revision beschwert sich also mit Recht darüber, daß das Berufungsgericht nach §§ 1325, 1332 ABGB. nur den abstrakten Schätzwert der fehlenden Gegenstände in Betracht ziehen will. Denn selbst wenn man annehmen wollte, daß § 1332 ABGB. nur eine abstrakte Schadensberechnung zuläßt, müßte man doch dort, wo der entgangene Gewinn gebührt, jedenfalls auch den wirklichen konkreten Schaden berücksichtigen (vgl. Löbl bei Staub - Pisko, Komm. z. HGB., 3. Aufl., zu Art. 283 § 2, SZ. XIV/16). Die Klägerin kann also auch den Neuwert der in Verlust geratenen Bestandteile in Anspruch nehmen, es sei denn, daß ebensogut verwendbare gebrauchte Bestandteile leicht weit billiger beschafft werden konnten. Von den allenfalls zu ersetzenden Neuanschaffungskosten könnte diejenige Wertsteigerung des Personenkraftwagens als solcher abgezogen werden, die dieser durch den Einbau der neuen Bestandteile gegenüber den alten erfahren hat, vorausgesetzt, daß diese Wertsteigerung sich bei der bestimmungsgemäßen Weiterverwendung des Autos zugunsten der Klägerin oder des Eigentümers des Autos auszuwirken vermochte.
Auch der Schaden, der durch den Verlust der von der Klägerin nicht ersetzten Gegenstände entstanden ist, muß nach denselben Grundsätzen beurteilt werden. Es sind also die Kosten in Anschlag zu setzen, die zur Wiedererlangung der fehlenden Gegenstände aufzuwenden gewesen wären, unter Berücksichtigung einer sich allenfalls ergebenden und ausnutzbaren Wertsteigerung.
Anderseits kann die Forderung nach dem Neuwert der Bestandteile, wenn er nicht zufolge der hier zugrunde gelegten Schadensberechnung gebührt, weder unter dem Titel eines entgangenen Gewinnes noch unter dem Titel der Tilgung der Beleidigung Beachtung finden.
Erörterungen über die Festsetzung des Schadens nach diesen Gesichtspunkten fehlen in den unteren Instanzen. Der Oberste Gerichtshof konnte also, soweit es sich um die Höhe des durch das Fehlen der Gegenstände entstandenen Schadens handelt, nicht in der Sache selbst entscheiden.
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