OGH 1Ob711/53

OGH1Ob711/5330.9.1953

SZ 26/237

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1090
HGB §105
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 2
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1090
HGB §105
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 2

 

Spruch:

Zur Einbringung von Mietrechten in eine OHG.

Entscheidung vom 30. September 1953, 1 Ob 711/53.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die beiden Untergerichte haben festgestellt, daß der Kläger gemeinsam mit der Verlassenschaft Hans F. Mieter der Geschäftslokalitäten im Hause Wien, VII., M.straße 88 a, II. Stiege, top B und top 2 A ist, daß aber der Beklagten Mietrechte an diesen nicht zustehen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es besteht darüber Einigkeit, daß früher eine offene Handelsgesellschaft Hans F. & Co. mit dem Kläger und Hans F. als Gesellschafter Mieter der genannten Geschäftslokalitäten war. Das Erstgericht hat festgestellt, daß die genannten Gesellschafter die Auflösung der Gesellschaft und eine Auseinandersetzung vereinbart haben, nach der Hans F. das Unternehmen übernehmen, die Bestandrechte der Gesellschaft aber künftig von Hans F. und dem Kläger persönlich weiter in Anspruch genommen werden sollten und daß beide Gesellschafter die Hauseigentümer in diesem Sinne verständigt haben. Dennoch läßt das Erstgericht es offen, ob eine solche Auflösung und Auseinandersetzung stattgefunden hat oder ob die Gesellschafter lediglich die Ausscheidung der Mietrechte aus dem Gesellschaftsvermögen vorgenommen haben. Dies offenbar deswegen, weil Hans F. im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit diesen Vereinbarungen selbst wieder einen Gesellschaftsvertrag mit seiner Gattin abgeschlossen hat und diese Gesellschaft dieselbe Firma führt. Da der Kläger an dieser letzten Vereinbarung nicht beteiligt war, ergibt sich aus dem festgestellten Tatbestand, daß die von Hans F. mit seiner Gattin neu gebildete offene Handelsgesellschaft nicht identisch ist mit der Gesellschaft, die zwischen dem Kläger und Hans F. bestanden hat. Daran ändert der Umstand nichts, daß die Anmeldung zum Handelsregister diese Rechtsverhältnisse nicht zum Ausdruck bringt, und ebensowenig die Eintragung im Handelsregister. Denn im Verhältnis zwischen den an den Eintragungen Beteiligten und ebenso denjenigen, die die tatsächlichen Rechtsvorgänge kennen, kommt dem § 15 Handelsgesetzbuch keinerlei Wirkung bei. Weder die Streitteile noch die Verlassenschaft nach Hans F. noch die von den tatsächlichen rechtlichen Verfügungen verständigten Hauseigentümer können sich also auf die Handelsregistereintragung berufen. Aus der Fassung des Registergesuches allein läßt sich auch nicht auf die Absichtder Parteien schließen, von den ursprünglichen Vereinbarungen abgehen zu wollen. Das Erstgericht hat daher zu Unrecht bei dem von ihm selbst festgestellten Tatbestand auch die Möglichkeit einer bloßen Ausscheidung der Mietrechte aus dem Vermögen der weiterbestehenden Gesellschaft rechtlich erschlossen. Es wäre im übrigen der Revision darin Recht zu geben, daß die Entscheidungen SZ. X/325 und 1 Ob 512/52 nur für den Fall der Liquidation einer oHG. den Weiterbestand der Mietrechte mit den letzten Gesellschaftern der aufgelösten Gesellschaft auch ohne Zustimmung der Hauseigentümer annehmen. Ob auch die vom Erstgericht in Erwägung gezogene Ausscheidung der Mietrechte aus dem Gesellschaftsvermögen ohne Zustimmung der Hauseigentümer wirksam wäre, kann dahingestellt bleiben.

Das Berufungsgericht hat also keine Aktenwidrigkeit begangen, wenn es in seiner Entscheidung aus dem festgestellten Sachverhalt die einzig mögliche rechtliche Folgerung gezogen hat, daß Hans F. das Unternehmen der früheren Gesellschaft, wenn auch nicht in zeitlicher, sondern nur in rechtslogischer Folge zunächst als Alleininhaber übernommen und als solcher erst zur Fortführung des Unternehmens einen neuen Gesellschaftsvertrag mit seiner Gattin abgeschlossen hat. Damit fallen aber auch die rechtlichen Deduktionen der Revision weg, die beklagte Gesellschaft sei mit der früheren Gesellschaft der gleichen Firma identisch und sei als solche weiterhin allein Mieterin der Geschäftsräume. Das Feststellungsbegehren des Klägers kann also nicht etwa schon deswegen unbegrundet sein, weil er überhaupt nicht Mitmieter der Geschäftslokalitäten geworden ist.

Nach den Feststellungen der Untergerichte haben die Gesellschafter bei der Auseinandersetzung rechtsverbindlich erklärt, einer allfälligen Veräußerung der jedem der beiden zur Alleinverfügung zustehenden Mietlokalitäten zuzustimmen. Das Berufungsgericht fügt dieser Feststellung noch bei, die beiden Gesellschafter hätten sich verpflichtet, die hiezu notwendigen Erklärungen abzugeben, und hebt hervor, die Beklagte hätte nie behauptet, daß der Kläger Erklärungen im letzteren Sinne tatsächlich abgegeben hat. Die Revision sieht darin eine Aktenwidrigkeit: Die Feststellung, daß schon in der Dissolutionsvereinbarung die Zustimmung zu einer Veräußerung gegeben wurde, stehe mit der Feststellung, daß die notwendigen Erklärungen nicht abgegeben wurden, in Widerspruch. Auch hier löst sich die Aktenwidrigkeit in eine Rechtsfrage auf. Denn schon die Vereinbarung zwischen den Streitteilen enthält den scheinbaren Widerspruch, daß einerseits die Zustimmung bereits erteilt ist, anderseits die Verpflichtung zur Abgabe von Erklärungen übernommen wird. Doch läßt sich der scheinbare Widerspruch leicht aufklären. Mit der bereits erteilten Zustimmung ist die Zustimmung im Verhältnis zwischen dem Kläger und Hans F. gemeint. Mit den erst abzugebenden Erklärungen sind die Erklärungen gegenüber Dritten gemeint, die allenfalls zur Durchführung der Veräußerung notwendig sind. Das solche vom Kläger abgegeben wurden, hat die Beklagte auch in der Revision nicht behauptet. Die Aktenwidrigkeit liegt also nicht vor.

Doch ist der Revision insofern Recht zu geben, daß es auf eine Zustimmungserklärung des Klägers im Verhältnis zwischen den früheren Gesellschaftern nicht mehr ankommt, weil sie schon abgegeben ist. Infolge dieser Zustimmung kann praktisch von einem Gesamthandverhältnis nicht mehr gesprochen werden. Denn jeder der beiden früheren Gesellschafter konnte, ohne der Zustimmung des anderen zu bedürfen, seine Rechte aus dem Mietvertrag an eine andere Person übertragen. Es war hiezu höchstens die Zustimmung der Hauseigentümer notwendig. Auf Grund der getroffenen Verfügung war der andere Teilhaber an dem Mietverhältnis verpflichtet, die zur Durchführung allenfalls erforderlichen Erklärungen abzugeben. Eine Teilung der Substanz des Rechtes und ein gesondertes Schicksal des Bestandrechtes, soweit es den dem Hans F. real zukommenden Teil betrifft, wird von keinem der beiden Streitteile behauptet.

Johann F. bedurfte also zur Einbringung der Mietrechte, wie sie ihm gemeinsam mit dem Kläger zustanden, in die von ihm mit seiner Gattin gegrundete Gesellschaft, soweit diese nunmehr unmittelbar in das Mietverhältnis an seiner Stelle eintreten sollte, nicht der Zustimmung des Klägers, wohl aber der Zustimmung der Hauseigentümer. Die Beklagte ist also statt des Johann F., bzw. seines Nachlasses, gemeinsam mit dem Kläger Mieter des gesamten Geschäftslokalitäten, wenn Johann F. die Mietrechte in die Gesellschaft in einer solchen Weise eingebracht hat, daß die Gesellschaft an seiner Stelle in das Mietverhältnis eingetreten ist. Johann F. bzw. dessen Nachlaß sind nach wie vor Partner des Klägers und der Hauseigentümer, wenn Johann F. nur die Benützung der ihm aus dem Mietverhältnis zukommenden Befugnisse der beklagten oHG. zur Verfügung gestellt hat, ohne sich der Mietrechte zu entäußern, oder wenn die Hauseigentümer dem Eintritt der Gesellschaft an Stelle des Johann F. nicht zugestimmt haben. Die Zustimmung des Klägers, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung abgestellt hat, ist aber zur Übertragung der Mietrechte weder in dem einen noch in dem anderen Falle erforderlich.

Das Erstgericht hat eine Übertragung der Mietrechte nicht angenommen, weil eine Zustimmung der Hauseigentümer nicht nachgewiesen sei. Die Revision verweist allerdings mit Berechtigung darauf, daß das Verhalten der Hauseigentümer, die nur die beklagte Gesellschaft als Mieter anerkennen wollten, und ebenso ihre Stellungnahme in diesem Prozeß, aus dem sie mit der Erklärung ausgeschieden sind, nicht nur ein etwa ergehendes rechtskräftiges Urteil, sondern auch jeden zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vergleich anzuerkennen, ihrer Zustimmung zu einer Übertragung der Mietrechte an die Gesellschaft gleichzustellen ist.

Es kommt also wesentlich auf die Frage an, ob Hans F. bei Gründung der neuen Gesellschaft die Mietrechte an die Gesellschaft übertragen oder ob er ihr nur die Benützung überlassen wollte. Das Erstgericht hat aus Punkt 9 des von Hans F. und seiner Gattin mit Franz W. geschlossenen Gesellschaftsvertrages eher eine Übertragung erschlossen. Doch kann sich der Oberste Gerichtshof den Erwägungen des Erstgerichtes nicht anschließen. Denn nach den erwähnten Bestimmungen sind im Falle einer Liquidation der Gesellschaft die Mietrechte an Hans F. oder dessen Erben ohne Anrechnung auf das Liquidationsvermögen und seinen Liquidationsanteil zu übertragen, wenn der sonstige Liquidationserlös hinreicht die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu bezahlen und die Kapitalkonten und sonstigen Einlagen der Gesellschafter zu erstatten. Nur wenn dies nicht der Fall sein sollte, so wären auch die Mietrechte zu veräußern. Daraus ergibt sich einerseits, daß die Gesellschaft während ihres Bestandes über die Mietrechte nicht frei verfügen kann. Denn eine Veräußerung oder Aufgabe derselben würde ja die vorgesehene Rückstellung unmöglich machen. Überdies hätte aber die Übertragung der Mietrechte an die Gesellschaft die Rückstellung der Mietrechte an den einbringenden Gesellschafter von der Zustimmung der Hauseigentümer abhängig gemacht. Ohne diese wäre nur wieder ein Übergang an die letzten Gesellschafter vor der Auflösung möglich gewesen. Der Sinn der Bestimmung muß also doch der gewesen sein, daß die Mietrechte wenigstens zunächst nicht an die Gesellschaft übertragen werden, daß ihr nur die Nutzung zukommen soll, daß Hans F. aber im Falle eines nicht zureichenden Liquidationserlöses verpflichtet ist, die Mietrechte zur Erhöhung desselben zur Verfügung zu stellen.

Andere Beweise über die bei Gründung der beklagten oHG. geschlossenen Vereinbarungen liegen nicht vor. Im übrigen würde auch die in Art. 7 Nr. 2 der Vierten Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch aufgestellte Vermutung zur gleichen Lösung führen. Denn mietengeschützte Mietrechte können weder als verbrauchbare noch als vertretbare Sachen angesehen werden. Es wurde auch nicht behauptet, daß sie nach einer Schätzung eingebracht wurden.

Das Begehren des Klägers ist also auch insofern gerechtfertigt, als er die Feststellung begehrt, es sei nicht die Beklagte, sondern der Nachlaß nach Hans F. gemeinsam mit ihm aus dem bestehenden Mietverhältnis berechtigt. Die Revision ist demnach nicht begrundet.

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