OGH 1Ob593/53

OGH1Ob593/5312.8.1953

SZ 26/206

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1002
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1009
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1311
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1002
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1009
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1311

 

Spruch:

Ansprüche der Treugeber gegen den Treuhänder und der Treugeber untereinander.

Entscheidung vom 12. August 1953, 1 Ob 593/53.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht wies die auf Zahlung von 18.000 S gerichtete Klage ab. Nach der Vereinbarung der Parteien sollte das Mietrecht des Beklagten an der Wohnung Wien VII, K.-gasse 37/4, gegen Bezahlung der vom Beklagten geleisteten Investitionen von 18.000 S auf den Kläger übertragen werden. Es sei ausgemacht worden, daß der Kläger diesen Betrag bei Friedrich D. erlege und daß dieser ihn dem Beklagten ausfolge, sobald das Wohnungsamt der Übertragung zugestimmt habe. Dieses Amt habe die Genehmigung verweigert und Friedrich D. habe den bei ihm erlegten Geldbetrag veruntreut. Friedrich D. sei Verwahrer des Geldes im gemeinsamen Interesse beider Streitteile gewesen. Da der Kläger aber die 18.000 S dem Beklagten durch den Erlag noch nicht bezahlt habe, könne er den Betrag nach dem Scheitern der Wohnungsübertragung vom Beklagten nicht zurückverlangen.

Infolge Berufung des Klägers bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil. Es handle sich um eine durch die Genehmigung des Wohnungsamtes aufschiebend bedingte Vereinbarung der Parteien, bei der Friedrich D. als gemeinsamer Treuhänder von beiden Teilen bevollmächtigt worden sei. Im Erlag des Geldes bei Friedrich D. liege nicht die Erfüllung des Rechtsgeschäftes, sondern höchstens dessen Sicherung. Vor dem Eintritt der für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes gesetzten aufschiebenden Bedingung habe Zahlung durch den Kläger nicht geleistet werden können. Es könnte sich daher nur um eine aufschiebend bedingte oder unter Vorbehalt geleistete Zahlung handeln, die aber nicht als Zahlung angesehen werden könne, da der Beklagte nicht verpflichtet gewesen wäre, eine derartige Leistung anzunehmen. Der Geldbetrag von 18.000 S sei daher aus dem Vermögen des Klägers nicht ausgeschieden. Der Zufall, der dem Geld bei Friedrich D. widerfahren sei, habe sich im Vermögen des Klägers ereignet und dieser müsse nach § 1311 ABGB. den durch die Veruntreuung des Friedrich D. entstandenen Schaden tragen. Ein Rückforderungsanspruch gegen den Beklagten stehe dem Kläger nicht zu.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach den Feststellungen der Untergerichte ist davon auszugehen, daß beide Teile und nicht nur einer von ihnen den Friedrich D. damit beauftragt haben, die vom Kläger für den Fall des Zustandekommens der Wohnungsübertragung zu bezahlenden 18.000 S in treuhändige Verwahrung zu übernehmen. Friedrich D. sollte nach den zu Dritt getroffenen Vereinbarungen verpflichtet sein, das Geld dem Beklagten auszufolgen, sobald das Wohnungsamt der Übertragung zugestimmt habe. Wenn diese Genehmigung aber nicht zu erreichen sein sollte, war Friedrich D. gehalten, den Betrag dem Kläger zurückzustellen. Es ist dem Berufungsgericht beizustimmen, daß in dieser Abmachung eine Verpflichtung des Klägers, vorzeitig dem Beklagten zu bezahlen und den bedingt geschlossenen Vertrag zu erfüllen, nicht liegt. Es sollte ja eben abgewartet werden, ob die Wohnungsüberlassung an den Kläger tatsächlich zustandekommen würde. Es ist aber unrichtig, wenn das Berufungsgericht annimmt, der Kläger sei weiterhin Inhaber des Geldes geblieben. Friedrich D., der das Geld für beide Teile verwahren sollte, wurde nämlich beauftragt, es dem Beklagten auszufolgen, sobald die Wohnungssache in Ordnung gebracht sein würde. Der Kläger hatte für diesen Fall das Recht verloren, ohne Zustimmung des Beklagten den an Friedrich D. erteilten Auftrag zu widerrufen. Der Beklagte hat durch die bei Friedrich D. getroffene Abmachung somit Ansprüche auf das Geld erlangt. Der Kläger wiederum behielt sich gewisse Rechte an dem Geld vor. Denn Friedrich D. wurde auch - gleichfalls im Einvernehmen aller Beteiligten - beauftragt, das Geld dem Kläger zurückzugeben, falls das Wohnungsamt die Zustimmung nicht gäbe. Der Kläger hat sich seiner Rechte an dem Geld teilweise begeben und sie sich teilweise - der ungeklärten Rechtslage entsprechend - vorbehalten. In demselben Ausmaß hat der Beklagte Rechte an dem Geld eingeräumt erhalten.

In rechtlicher Beziehung kann nicht zweifelhaft sein, daß sowohl der Kläger als auch der Beklagte auf Grund des Auftrages an Friedrich D. Ansprüche an diesen zu stellen berechtigt sein sollten, je nachdem, ob die Durchführung der Wohnungsvereinbarung möglich sein würde oder nicht. Darüber hinaus ist aus dem Inhalt der Parteiabmachungen auch zu folgern, daß die Erfüllung der Zahlungsverpflichtung des Klägers ganz auf den Treuhänder Friedrich D. überwälzt wurde und daß der Kläger so, wie er die Auszahlung der 18.000 S an den Beklagten im Falle der Vollendung des Rechtsgeschäftes nicht verhindern konnte, vom Beklagten auch bei Ausfolgungshindernissen nicht auf Bezahlung belangt werden könnte. In derselben Weise sollte es alleinige Aufgabe des Treuhänders sein, das Geld dem Kläger zurückzuzahlen, wenn das Wohnungsamt seine Zustimmung nicht geben sollte, und der Beklagte könnte keinesfalls zur Rückgabe aus eigenen Mitteln verhalten werden.

Nach dem Sinn und Zweck der von den Streitteilen bei D. getroffenen Vereinbarung sollten an die Stelle der direkten Verpflichtungen zwischen den beiden Streitteilen die Verbindlichkeiten zwischen dem Kläger und Friedrich D. einerseits und dem Beklagten Friedrich D. anderseits treten. Von der Haftung einer der Parteien für die reelle Abwicklung der Treuhandverpflichtungen des Friedrich D. kann keine Rede sein, weil dieser nach dem Willen beider Teile bestellt wurde, und daher nicht als Bevollmächtigter eines Teiles, für dessen Handlungen dieser haften müßte, angesehen werden kann.

Aus den angestellten rechtlichen Erwägungen ergibt sich, daß der Verlust des Geldes beim Treuhänder Friedrich D. nicht von vornherein das Vermögen eines der beiden Parteien, nämlich des Klägers, betraf, wie das Berufungsgericht angenommen hat, sondern, daß die Frage, in wessen Vermögen sich der Verlust ereignete und welche der Parteien gemäß § 1311 ABGB. den Schaden zu tragen hat, davon abhängt, wer nach dem Ergebnis der Bemühungen beim Wohnungsamt und um die Vollendung der Wohnungstransaktion letzten Endes einen Anspruch auf Ausfolgung der 18.000 S gegen den Treuhänder Friedrich D. besitzt. Falls die Wohnungsübertragung zustandegekommen wäre, hätte der Beklagte das ausschließliche Recht auf das Geld gehabt und er müßte den bei Friedrich D. eingetretenen Verlust ohne ein Recht darauf, daß der Kläger neuerlich bezahle, tragen. In derselben Weise muß der Kläger, nachdem sich das Wohnungsgeschäft endgültig zerschlagen und er den vereinbarten Anspruch auf Rückstellung der 18.000 S erlangt hat, den Verlust beim pflichtwidrig handelnden Treuhänder als in seinem Vermögen geschehen anerkennen. Gegen den Beklagten, der ihm gegenüber keine Rückzahlungsverpflichtung hat, kann der Kläger keinen Anspruch auf Bezahlung der verlorengegangenen 18.000 S stellen.

Bei dieser Rechtslage ist es ohne Bedeutung, ob Friedrich D. Eigentum am Geld erlangt hat oder nicht. Maßgebend konnte nur sein, ob Friedrich D. nur für den Kläger oder für beide Parteien Treuhänder war und inwieweit diesem Verpflichtungen gegenüber den Streitteilen oblagen.

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