OGH 3Ob458/53

OGH3Ob458/531.7.1953

SZ 26/176

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §908
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §908

 

Spruch:

Beim Angeld handelt es sich um eine im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügige Summe, von der im Zweifel angenommen werden kann, daß der Geber auf ihre Rückerstattung verzichtet, falls er ohne rechtlichen Grund vom Vertrag zurücktritt oder die Erfüllung verzögert.

Entscheidung vom 1. Juli 1953, 3 Ob 458/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Hartberg; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Der Kläger beantragt die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von 1090 S s. A. mit der Begründung, er habe vom Beklagten einen zirka 10jährigen Hengst um den Betrag von 5500 S gekauft und bei Vertragsabschluß eine a conto-Zahlung von 1000 S geleistet, wobei der Beklagte erklärt habe, daß es sich um ein schönes brauchbares Pferd handle. Der Kläger habe das Pferd vom Beklagten abholen wollen, aber festgestellt, daß das Pferd den Zusicherungen des Beklagten nicht entspreche, weshalb er dem beim Beklagten aushilfsweise beschäftigten P. erklärt habe, das Pferd nicht zu übernehmen, er werde am nächsten Montag wieder kommen und mit dem Beklagten wegen eines anderen entsprechenden Pferdes verhandeln. Als der Kläger am Montag beim Beklagten erschienen sei, habe dieser das Pferd bereits einem Dritten verkauft gehabt. Der Kläger habe dann vom Beklagten die Rückzahlung des erhaltenen Betrages von 1000 S verlangt, dieser habe ihm die Rückzahlung zwar versprochen, eine solche aber nicht geleistet. Außerdem schulde ihm der Beklagte an Treiberlohn für eine Kuh den Betrag von 90 S. Das Prozeßgericht verurteilte den Beklagten zur Bezahlung des Treiberlohnes für die Kuh im Betrage von 30 S und wies dasMehrbegehren ab. Es stellte fest, daß der Kläger vom Beklagten einen bestimmten, zehn Jahre alten Hengst um den Betrag von 5500 S kaufte, der sich im Stall eines gewissen G. befand und den der Kläger dem Beklagten, dem das Pferd in diesem Zeitpunkt noch gar nicht bekannt war, genau beschrieb, daß der Kläger dann an einem Samstag zur Übernahme des Pferdes beim Beklagten, der nicht anwesend war, erschien, das Pferd besichtigte und den im Stall des Beklagten anwesenden, bei letzterem aushilfweise beschäftigten P. erklärte, er nehme das Pferd nicht, weil es zu schwach sei, er werde am nächsten Tage (Sonntag) zum Beklagten kommen und mit diesem verhandeln. Der Beklagte wartete den ganzen Sonntag auf den Kläger, der nicht erschien, und verkaufte am Abend des Sonntag das Pferd telephonisch einem Dritten, der es am nächsten Tag (Montag) abholte. Der Kläger verlangte wohl dann vom Beklagten die Rückzahlung des Betrages von 1000 S, doch lehnte dies der Kläger ab. Das Prozeßgericht beurteilte die geleistete Zahlung als Angeld im Sinne des § 908 ABGB., war der Meinung, daß der Kläger durch seine Erklärung, er nehme das Pferd nicht, seinen Rücktritt vom Vertrag erklärt habe, welcher Rücktritt zu Unrecht erfolgte, weil der Beklagte irgend welche Zusagen hinsichtlich des Pferdes, das gar nicht er, sondern nur der Kläger kannte, nicht gemacht hatte, und daher vom Klägerverschuldet war, weshalb der Beklagte berechtigt sei, das Angeld zu behalten. Hinsichtlich des Treiberlohnes für eine Kuh fand das Prozeßgericht nur einen solchen in der Höhe von 30 S für angemessen.

Das Berufungsgericht verurteilte den Beklagten auch zur Bezahlung des Betrages von 1000 S. Es übernahm die Beweiswürdigung und die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes, war aber der Ansicht, daß die vom Kläger gegenüber dem Pferdewärter P. abgegebene Erklärung, er könne das Pferd nicht nehmen, es sei zu schwach keinen Rücktritt vom Vertrag darstelle, zumal der Kläger gleichzeitig erklärt habe, er werde am nächsten Tag kommen und mit dem Beklagten darüber verhandeln. Der Beklagte habe daher aus dieser Äußerung entnehmen müssen, daß der Kläger mit ihm wegen des Pferdes noch verhandeln wolle. Überdies habe der Beklagte niemals behauptet, daß P. sein Vertreter und zur Entgegennahme der Rücktrittserklärung ermächtigt gewesen sei. Der Beklagte hätte daher noch nicht am Abend des Sonntag das Pferd weiter verkaufen dürfen, sein Rücktritt vom Vertrag sei zu Unrecht erfolgt, da er dem Kläger keine Nachfrist eingeräumt habe; eine solche müsse im Falle des § 908 ABGB. nur bei festgestellter schuldhafter Verzögerung nicht gewährt werden, eine schuldhafte Verzögerung auf Seite des Klägers liege aber nicht vor. Der Kläger sei daher berechtigt, das Angeld zurückzuverlangen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger bezeichnet in der Klage den Betrag, den er dem Beklagten anläßlich des Kaufabschlusses übergeben hat, als a conto- Zahlung. Die Vorinstanzen haben entgegen den Klagsbehauptungen diesen Betrag als Angeld im Sinne des § 908 ABGB. beurteilt. Dieser Ansicht kann nicht beigepflichtet werden. Wenn auch der Betrag beim Kaufabschluß übergeben wurde, so ergibt sich daraus noch nicht, daß es sich um ein Angeld handelte. Die Regel des § 908 ABGB. gilt nur für den Fall, als der anläßlich des Kaufabschlusses hingegebene Betrag als Zeichen der Abschließung oder als Sicherstellung für die Erfüllung des Vertrages gegeben wird; wenn auch mangels anderer Vereinbarung eine bei Abschluß eines Vertrages im voraus gegebene Zahlung als Angeld gilt, so muß es sich doch um eine im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügige Zahlung handeln, von der angenommen werden kann, daß der Angeldgeber auf die Rückerstattung verzichtet, falls er ohne rechtlichen Grund vom Vertrag zurücktritt oder die Erfüllung verzögert. Nun macht aber der vom Kläger dem Beklagten übergebene Betrag fast ein Fünftel des Kaufpreises aus, somit eine so bedeutende Summe, daß diese nicht mehr als Angeld, nämlich als Zeichen der Vertragsabschließung, aufgefaßt werden kann (s. auch SZ. VIII/61 u. a. m.), sie kann vielmehr nur als Teil- oder a conto-Zahlung beurteilt werden, auf die die Bestimmungen des § 908 ABGB. nicht angewendet werden können. Es kann daher die Frage offen gelassen werden, ob der Kläger durch die vom Zeugen P. wiedergegebene Erklärung seinen Rücktritt vom Vertrag erklärt hat oder nicht, und ob P. zur Entgegennahme der Rücktrittserklärung ermächtigt war. Der Beklagte hat jedenfalls das Pferd noch am Sonntag weiterverkauft und ist damit vom Vertrag zurückgetreten.

Selbst wenn man die Ansicht der Revision teilen wollte, daß der Kläger noch am Sonntag vom Vertrag zurückgetreten sei, so läge eine einverständliche Vertragsaufhebung vor, da der Beklagte das Pferd, das eine Speziessache war, weil es sich um ein ganz bestimmtes Pferd handelte, weiter veräußert und damit zum Ausdruck gebracht hat, daß er mit dem vom Kläger erklärten Rücktritt einverstanden sei. Im Falle einer einverständlichen Vertragsaufhebung hat aber jeder Teil das zurückzuerstatten, was er im Hinblick auf den geschlossenen Vertrag vom anderen Teil erhalten hat. Der Beklagte ist daher schon aus diesem Gründe und auch deshalb, weil der Grund, die Leistung zu behalten, weggefallen ist, (§ 1435 ABGB.) verpflichtet, die erhaltene a conto-Zahlung dem Kläger zurückzuzahlen, da er sonst auch grundlos um diesen Betrag bereichert wäre. Daß der Beklagte nach wie vor auf Vertragserfüllung beharre, hat er selbst nicht behauptet und es wäre dies auch gar nicht möglich, da er ja die dem Kläger verkaufte Speziessache anderweitig weiterveräußert hat. Er ist daher schon aus diesen Gründen zur Rückzahlung des Betrages von 1000 S an den Kläger verpflichtet.

Entgegen der Meinung der Revision stützt der Kläger seinen Anspruch auf Rückzahlung des Betrages von 1000 S nicht allein darauf, daß ihm der Beklagte die Rückzahlung dieses Betrages versprochen habe; aus dem Klagevorbringen ergibt sich vielmehr, daß der Kläger seinen Anspruch auch darauf stützt, daß ihm der Beklagte das Pferd nicht übergeben, sondern anderweitig verkauft hat, weshalb er zur Rückforderung seiner a conto-Zahlung berechtigt sei. Das Urteil des Berufungsgerichtes leidet daher weder an einem wesentlichen Verfahrensmangel noch an einer für die Entscheidung wesentlicher Aktenwidrigkeit. Im Hinblick auf die oben dargelegte Rechtslage ist es nicht von Bedeutung, ob die Erklärung des Klägers als endgültiger Rücktritt vom Vertrag aufzufassen ist und ob der Zeuge P. zur Entgegennahme einer Rücktrittserklärung vom Beklagten ermächtigt war. Der Beklagte ist vielmehr bereits auf Grund der als einverständlich anzusehenden Vertragsaufhebung zur Rückzahlung des vom Kläger erhaltenen Betrages verpflichtet, weshalb der Revision der Erfolg versagt bleiben mußte.

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