OGH 1Ob292/53

OGH1Ob292/5326.6.1953

SZ 26/167

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1090
Mietengesetz §1
Mietengesetz §19
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1090
Mietengesetz §1
Mietengesetz §19

 

Spruch:

Eine dem Mieter zur Benützung für geschäftliche Zwecke in Bestand gegebene bloße Grundfläche ist ein Geschäftsraum im Sinne des § 1 Abs. 1 MietG. Wird dagegen eine bloße Grundfläche nicht zu geschäftlichen Zwecken vermietet, finden die Bestimmungen des Mietengesetzes keine Anwendung.

Entscheidung vom 26. Juni 1953, 1 Ob 292/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Bad Ischl; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Das Erstgericht hat mit Urteil vom 27. November 1952 die Aufkündigung mit der Begründung für wirksam erklärt, Beklagter habe von der Firma H. AG. die von ihr auf dem Gründe des Klägers erbaute Holzbaracke durch Kauf erworben und bewohne sie seither mit seiner Familie. Am 24. August 1948 habe Beklagter das Grundstück vom Kläger in Bestand genommen, um eine Rechtsgrundlage für die Weiterbelassung der erworbenen Baracke auf dem Gründe des Klägers zu haben. Das gekundigte Bestandverhältnis sei nicht Pacht, sondern Miete. Das Mietengesetz zähle im § 1 Abs. 1 nur solche Bestandgegenstände auf, die unmittelbar Wohn- oder geschäftlichen Zwecken dienen. Das aufgekundigte Grundstück diene aber nur mittelbar Wohnzwecken, indem es der Erhaltung der gegenständlichen Baracke zu dienen habe. Es fehle also die Unmittelbarkeit der Widmung zu Wohn- oder geschäftlichen Zwecken. Nach § 1 Abs. 1 MietG. seien bloße Grundstücke, die der Errichtung oder Erhaltung von Gebäuden dienen, nicht zum Gegenstande des Mieterschutzes zu rechnen. Der gegenständliche Bestandvertrag stehe daher nicht unter dem Kündigungsschutze des Mietengesetzes. Die erst in der Streitverhandlung erhobene Einwendung, daß Beklagter einen Teil des gekundigten Gründes in Ausübung seiner Gewerbeberechtigung zum Handel mit Alteisen zur Lagerung des Alteisens verwendet habe, sei im Hinblick auf die Eventualmaxime verspätet. Davon abgesehen habe Beklagter gar nicht behauptet, daß eine Benützung des Gründes für gewerbliche Zwecke im Zeitpunkt des Vertrages stattgefunden habe oder noch stattfinde. Es könne daher nicht angenommen werden, daß eine solche Benützung des Gründes Inhalt des Bestandvertrages gewesen sei oder eine derartige Widmung auch gegenwärtig Platz greife.

Das Berufungsgericht hat diese Entscheidung mit dem angefochtenen Urteilbestätigt, die Revision für zulässig erklärt, ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes im Sinne des § 500 Abs. 2 ZPO. 10.000 S übersteigt, und in den Entscheidungsgründen sich der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes angeschlossen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach § 1 Abs. 1 MietG. finden die mietengesetzlichen Vorschriften auf die Miete von Wohnungen und einzelnen Wohnungsbestandteilen samt etwa mitgemieteten Hausgärten und sonstigen Grundstücken sowie auf die Miete von Geschäftsräumlichkeiten aller Art Anwendung. Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift geht klar hervor, daß unter Wohnungen und einzelnen Wohnungsbestandteilen nur zum Wohnen bestimmte Räume in Gebäuden zu verstehen sind, während Geschäftsräume nach dieser Vorschrift unter Umständen selbst unbebaute Grundflächen sind (vgl. Swoboda, Kommentar zum MietG., 2. Aufl., S. 82 ff.). Wurde einem Mieter eine Grundfläche zur Benützung für geschäftliche Zwecke in Bestand gegeben, so handelt es sich um Geschäftsräume im Sinne des § 1 Abs. 1 MietG., wobei es gleichgültig ist, ob der Mieter das Grundstück unmittelbar im Rahmen seines Betriebes etwa als Lagerplatz benützt oder ob er darauf eine Baulichkeit errichtet, um in dieser sich geschäftlich zu betätigen; denn § 1 Abs. 1 spricht ausdrücklich von Geschäftsräumen aller Art und läßt durch Anführung der Lagerplätze unter den aufgezählten Beispielen für Geschäftsräume erkennen, daß es sich dabei auch um unbebaute Grundflächen handeln kann (vgl. SZ. XIII/175, 223, SZ. XVIII/16). § 2 der Verordnung vom 14. August 1940, DRGBl. I S. 1104 ordnet überdies die Anwendung der für Räume geltenden Bestimmungen über den Kündigungsschutz des Mietengesetzes auf gewerblich genützte unbebaute Grundstücke ausdrücklich an, nachdem § 7 der Verordnung vom 5. September 1939, DRGBl. I S. 1671 bereits verfügt hatte, daß die Vorschriften des Mietengesetzes über Kündigungsbeschränkungen und die Bestimmungen dieser Verordnung für Pachtverhältnisse und Unterpachtverhältnisse über Räume entsprechend gelten, und § 1 dieser Verordnung die im Mietengesetz samt den dazu vor dieser Verordnung ergangenen Novellen enthaltenen Ausnahmen von dem Anwendungsbereich des Mietengesetzes nach § 1 Abs. 2 Z. 1, 2 und 7, Abs. 4 und 5 für Hauptmieten hinsichtlich der Kündigungsbeschränkungen aufgehoben hatte. Daraus ist zu entnehmen, daß, abgesehen von den Geschäftsräumen, wie bereits erwähnt, die Bestimmungen des Mietengesetzes nur auf die Miete von Wohnräumen in Gebäuden anzuwenden sind und eine Ausdehnung der Kündigungsbeschränkungen über den Rahmen des § 1 Abs. 1 MietG. auf vom Vermieter nicht bebaute Grundstücke, die nicht zu geschäftlichen Zwecken bestimmt und dazu dem Mieter in Bestand gegeben worden sind, auch nicht der Absicht des Gesetzgebers entspricht, der übrigens andernfalls den Geltungsbereich des Mietengesetzes oder wenigstens der Kündigungsbeschränkungen auf derartige Fälle hätte ausdehnen können. Wird daher ein Grundstück in Bestand gegeben, damit der Mieter dort ein Bauwerk zu Wohnzwecken errichtet, das ihm gehören soll, oder auf dem sich bereits eine dem Bestandnehmer gehörige Hütte oder Baracke befindet, so sind die Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes auf ein solches Mietverhältnis nicht anzuwenden (vgl. die bei Sternberg, MietG. S. 59 Anm. 17 zitierte Entscheidung vom 10. Juli 1929, 3 Ob 609/29 und Swoboda, Kommentar zum MietG., 2. Aufl. S. 86). Wie im vorliegenden Falle unbestritten feststeht, hat der Beklagte eine vom früheren Bestandnehmer auf dem Grundstück des Klägers errichtete Baracke von diesem käuflich erworben und vom Kläger lediglich das Grundstück selbst in Bestand genommen. Das Berufungsgericht hat demnach mit Recht die Anwendbarkeit der Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes auf dieses Bestandverhältnis verneint und mußte daher derRevision ein Erfolg versagt bleiben.

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