OGH 2Ob243/53

OGH2Ob243/5310.6.1953

SZ 26/151

Normen

JN §1
Wasserrechtsgesetz §35
JN §1
Wasserrechtsgesetz §35

 

Spruch:

Kein wasserrechtlicher Schutz für verbaute Grundstücke.

Zulässigkeit des Rechtsweges zwecks Schutzes von Baulichkeiten.

Entscheidung vom 10. Juni 1953, 2 Ob 243/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Hermagor; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Oberhalb der Liegenschaft der Streitteile befindet sich die Parzelle X., die zu je ein Viertelanteil im Eigentum der Streitteile, zu je ein Viertelanteil im Eigentum der Wirtschaftsbesitzer R. und L. steht, u. zw. liegt das Anwesen des Beklagten westlich, das Anwesen des Klägers (etwas tiefer als das Anwesen des Beklagten) nordwestlich von der genannten Parzelle. Der über diese Parzelle führende Ortsweg nähert sich zuerst mehr in der Westrichtung dem die Anwesen der Streitteile trennenden Hofraum des Beklagten, macht dann aber (noch in der Parzelle) an der Ecke des Hauses R. eine Wendung nach Norden und führt westlich vom Hause R. durch den Hof des Klägers östlich an dessen Wirtschaftsgebäude, Düngerlager und Wohnhaus vorbei. Der Kläger bringt nun vor, daß das über den erwähnten Ortsweg herunterrinnende Schmelz- und Regenwasser früher bei der Biegung des Ortsweges an der Ecke des Hauses R. den Weg verlassen habe und nach Westen über den Hof des Beklagten abgeflossen sei, daß der Beklagte aber dort einen Damm errichtet und das Wasser dadurch mehr nach Nordwesten gegen die Gebäude des Klägers und dessen Düngerstätte abgeleitet habe, sodaß diese unterwaschen, feucht, ja überflutet werden. Der Kläger stellt daher das Klagebegehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, jede Zuleitung von Wasser aus dem Hofe nördlich seines Gehöftes und von dem Ortschaftsweg in den Hofraum des Klägers und an dessen Stallmauer zu unterlassen und den Abfluß des Schmelz- und Regenwassers durch seinen Hofraum zu dulden.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat aus Anlaß der Berufung des Klägers das erstgerichtliche Urteil und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen, da gemäß §§ 35, 121 Wasserrechtsgesetz (WRG.) die Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde gegeben, die Sache sohin im Verwaltungsverfahren zu entscheiden sei.

Der Oberste Gerichtshof hat den Beschluß des Berufungsgerichtes aufgehoben und diesem eine neuerliche Entscheidung über die Berufung aufgetragen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 35 Abs. 1 und 2 WRG. darf der Eigentümer eines Grundstückes den natürlichen Abfluß der darüber fließenden Gewässer zum Nachteil des unteren Grundstückes nicht willkürlich ändern, wogegen der Eigentümer des unteren Grundstückes nicht befugt ist, den natürlichen Ablauf solcher Gewässer zum Nachteil des oberen Grundstückes zu hindern. Diese Vorschrift ist aus § 11 des österreichischen Reichswassergesetzes vom Jahre 1869 übernommen worden. Sie bezieht sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der der Oberste Gerichtshof beitritt, nur auf unverbaute, landwirtschaftlichen Zwecken dienende Grundstücke, nicht aber auf verbaute Grundstücke oder öffentliche Straßen. Der wasserrechtliche Schutz wird verbauten Grundstücken nicht gewährt. Derselbe ist schon dann ausgeschlossen, wenn nur eines der in Frage kommenden zwei Grundstücke ein verbautes, sohin nicht landwirtschaftlich genutztes Grundstück ist (vgl. die bei Hartig, Wasserrecht, 1950, bei § 35 WRG. unter Nr. 1 und 3 angeführten Entscheidungen und Anmerkung 3 daselbst, Haager - Vanderhaag, Kommentar zum WRG., 1936, S. 281, und die daselbst unter Anmerkungen 9 - 15 angeführten Entscheidungen, Peyrer, Wasserrecht, 1898, S. 212, Randa, Wasserrecht, 1891, S. 79, Plochl, Baurecht, 1949, S. 283). Es mag im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem sogenannten Ortschaftsweg um ein Grundstück landwirtschaftlichen Charakters oder um einen öffentlichen Weg handelt. Da der Kläger mit der vorstehenden Klage den Schutz seiner Baulichkeiten bezweckt, ist nach dem Ausgeführten § 35 WRG. unanwendbar und sohin der Rechtsweg gegeben. Daß das Wasser, bevor es die Gebäude des Klägers erreicht, allenfalls zuerst durch seinen Hof fließen muß, schließt den Rechtsweg nicht aus, zumal auch der Hof kein Grundstück im Sinne des § 35 Abs. 1 und 2 WRG. ist (vgl. die bei Hartig, a.a.O., unter Nr. 5 angeführte Entscheidung, ferner die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes vom 21. März 1911, A 8123).

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Stichworte