OGH 2Ob197/53

OGH2Ob197/535.6.1953

SZ 26/147

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §426
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §428
EO §280
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §426
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §428
EO §280

 

Spruch:

Eigentumserwerb a) des Freihandkäufers, b) des letzten Übernehmers einer auf mehrere Personen vertragsmäßig - ohne Übergabe - übertragenen Sache.

Entscheidung vom 5. Juni 1953, 2 Ob 197/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Mattighofen; II. Instanz: Kreisgericht Ried i. I.

Text

Ferdinand M. hat das nunmehr von der Beklagten gepfändete Motorrad, Marke NSU, im Jahre 1939 gekauft. Dieses Motorrad wurde in der Exekutionssache der mj. X. gegen Ferdinand M. wegen eines vollstreckbaren Unterhaltsrückstandes von 2140.17 RM am 1. März 1943 gepfändet und am 29. März 1943 der Rosa Sch. als Vertreterin der als Freihandkäuferin auftretenden Zweitklägerin vom Vollstrecker übergeben. Die Zweitklägerin und Rosa Sch. sind Schwestern des damaligen Verpflichteten Ferdinand M. Rosa Sch. ließ das Motorrad zunächst bei dem Verpflichteten Ferdinand M. stehen. Etwa 14 Tage später wurde es zur Zweitklägerin gebracht, die es dann aber wieder dein Ferdinand M. über sein Bitten zur Benützung überließ, Ferdinand M. hat auf Grund der nicht auf die Zweitklägerin überschriebenen Kraftfahrzeugpapiere unter Verschweigung des Eigentumsüberganges um Weitergewährung des sogenannten "roten Winkels" angesucht, das Motorrad nach Zerbombung des Hauses der Zweitklägerin über ihre Aufforderung in ständige Verwahrung genommen, im Jahre 1948 das durch den Bombenangriff beschädigte Motorrad wieder hergerichtet und bei der Bezirkshauptmannschaft B. unter seinem Namen angemeldet, wobei er es als sein Eigentum bezeichnet hat. Ferdinand M. hat dann das Motorrad mit Zustimmung der Zweitklägerin zunächst für Fahrten für die Zweitklägerin weiter benützt, zum Teil bei der Zweitklägerin, zum Teil bei sich eingestellt, auch teilweise die Steuer und die Versicherung für das Kraftrad bezahlt.

Ferdinand M. verkaufte im Jahre 1943 seiner Schwester Rosa Sch. um 700 RM 18 Stück Bienenvölker, die er auf einem von einem K. gepachteten Grund aufgestellt hatte. Der Verkauf wurde Rosa Sch. von Ferdinand M. in einem Schreiben vom 13. August 1943 bestätigt, in dem sich Ferdinand M. auch verpflichtete, die Bienenvölker für Kriegsdauer unentgeltlich für Rosa Sch. weiterzubetreuen. K. wurde von dem Verkauf nicht verständigt. Ein halbes Jahr später vertauschte die Sch. die Bienenvölker der Erstklägerin, der zweiten Gattin des Ferdinand M., gegen Lebensmittel im Werte von 700 RM, und die Erstklägerin brachte im Einvernehmen mit Rosa Sch. die Bienenstöcke in Anwesenheit des Ferdinand M. in ihr Anwesen. Die von der Beklagten gepfändeten Bienenvölker (Bienenstöcke) sind Nachkommen der erwähnten eingetauschten Bienenvölker.

Die Beklagte, die geschiedene erste Gattin des Ferdinand M., hat zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Unterhaltsforderung gegen diesen das Motorrad und 30 Bienenstöcke gepfändet.

Das Erstgericht hat das auf Unzulässigkeit dieser Exekution gerichtete Klagebegehren abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat ihm stattgegeben.

Der Oberste Gerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichtes bestätigt.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht stellt aus dem Berichte des Vollstreckers über die Durchführung des Freihandverkaufes vom 29. März 1943 und auf Grund einer im Wesen gleichlautenden Bestätigung des Vollstreckers vom gleichen Tage fest, daß das Motorrad der Freihandkäuferin vom Vollstrecker übergeben worden ist. Der erwähnte Vollstreckerbericht lautet dahin, daß die Sch. als Vertreterin der Freihandkäuferin (Zweitklägerin) das Motorrad um den Schätzwert von 230 RM "gekauft und übernommen" und den Kaufschillingsrest bar bezahlt hat. Dem Vollstreckerbericht ist eine Bestätigung der Sch. beigesetzt, daß ihr das Motorrad "verkauft und übergeben" wurde. Die Feststellung des Berufungsgerichtes stimmt daher mit dem Vollstreckerbericht und mit der Bestätigung des Vollstreckers überein, ein Irrtum über den Inhalt der dieser Feststellung zugrunde gelegten Urkunden und daher eine Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Aus dem Berichte des Vollstreckers geht auch hervor, daß das Motorrad der Freihandkäuferin "an Ort und Stelle" des Freihandverkaufes übergeben worden ist. Das Berufungsgericht hat zwar diesen Ort des Freihandverkaufes nicht festgestellt, doch diese Feststellung war auch nicht erforderlich, da der Ort der Übergabe für den Eigentumserwerb nicht wesentlich erschien. Wenn nun die Revision den Mangel einer Feststellung über die Art und Weise der Übergabe rügt, ist ihr folgendes zu entgegnen: Dafür, daß der Vollstrecker das Motorrad der Sch. unrichtigerweise durch Zeichen oder durch Erklärung übergeben hat, findet sich kein Anhaltspunkt und es kann, insbesondere auch im Hinblick auf die dem Vollstreckerbericht beigesetzte Empfangsbestätigung der Sch. weder dieser Vollstreckerbericht noch die Feststellung des Berufungsgerichtes anders verstanden werden, als, wie es dem gewöhnlichen Sprachgebrauch entspricht, den Regelfall bildet und die rechtlich richtige Vorgangsweise darstellt, daß nämlich die Übergabe "körperlich von Hand zu Hand" im Sinne des § 426 ABGB. erfolgt ist. Daß dem nicht so gewesen ist, wäre Sache der Beklagten gewesen, zu behaupten und zu beweisen.

Wenn § 426 ABGB. von einer Übergabe von Hand zu Hand spricht, ist dies auch nicht wörtlich zu nehmen, sondern es genügt, daß die Sache aus der physischen Verfügungsmacht des Veräußerers in jene des Erwerbers übergeht (GlUNF. Nr. 5426). Dies geschieht aber bei einem Freihandverkauf schon durch die Intervention des Vollstreckers dabei und seine Erklärung, die am Ort des Freihandverkaufes befindliche Sache dem anwesenden Käufer zu übergeben.

Wenn dazu vollends die aktenmäßige Bestätigung des Freihandkäufers tritt, die Sache übergeben erhalten zu haben, kann es nicht darauf ankommen, ob der Vollstrecker und der Freihandkäufer die Sache auch mit der Hand berührt haben. Im gegenständlichen Fall erscheint also die körperliche Übergabe des Motorrades durch den Vollstrecker an die Sch. als Vertreterin der Zweitklägerin erwiesen und es kann die Streitfrage unerörtert bleiben, ob es bei einem Freihandverkauf zum Eigentumsübergang überhaupt der sonst für den Eigentumserwerb vorgeschriebenen Übergabe bedarf (vgl. die Bemerkungen zu 1 Ob 281/37 inRZ. 1937, S. 220). Durch die Tatsache, daß die Sch. das Motorrad an seinem bisherigen Aufbewahrungsort, nämlich bei dem Verpflichteten Ferdinand M. belassen hat, konnte an der bereits erfolgten Eigentumsübertragung an die Zweitklägerin nichts geändert werden (vgl. 1 Ob 281/36 a. a. O.).

Das Berufungsgericht stellt zudem noch fest, daß das Motorrad zirka 14 Tage nach dem Freihandverkauf zur Zweitklägerin gebracht und von dieser bis zur Zerbombung ihres Hauses in Verwahrung genommen wurde. Auch dieser Übergang in die Verfügungsmacht der Freihandkäuferin würde zu der zum Eigentumsübergang erforderlichen körperlichen Übergabe von Hand zu Hand im Sinne des § 426 ABGB. genügen. Die Übergabe muß ja nicht gleich bei Abschluß des Vertrages stattfinden, der zeitliche Abstand zwischen dem Entstehen des Titels und zwischen der Übergabe tut dem Eintritt des Eigentumserwerbes durch den Übernehmer keinen Eintrag (GlUNF. Nr. 5426).

Auch bezüglich der Bienenstöcke ist die rechtliche Beurteilung durch dasBerufungsgericht einwandfrei. Ferdinand M. hat die Bienenstöcke der Sch., die Sch. hat sie der Erstklägerin verkauft bzw. vertauscht. Die Erstklägerin hat dann die Bienenstöcke in ihr Anwesen gebracht, u. zw. im Einvernehmen mit der Sch. und mit dem anwesenden Ferdinand M. Die Frage, ob die Bienenstöcke je der Sch. übergeben wurden, kann auf sich beruhen. Denn, wenn eine Sache auf mehrere Personen nacheinander vertragsmäßig, auch ohne Übergabe, übertragen worden ist, genügt für den Eigentumserwerb des letzten Übernehmers, daß er mit Zustimmung seiner Vormänner (wenn auch in ihrer Abwesenheit) die Sache in seine physische Verfügungsmacht übernimmt (vgl. § 22 GBG. und im Sinne des bereits oben Ausgeführten über die Auslegung des § 426 ABGB. GlUNF. Nr. 5426). Selbst dann, wenn durch den Verkauf der Bienenstöcke an die Sch. mangels Tradition ein Besitz- und Eigentumswechsel nicht eingetreten wäre, hat doch die Erstklägerin als zweite Käuferin Besitz und Eigentum an den Bienenstöcken erlangt, als sie diese mit Zustimmung des Ferdinand M. und der ersten Käuferin Sch. in ihr Anwesen brachte. Ferdinand M. hat in diesem Falle sozusagen als Vertreter der Sch. den Besitz zunächst für die Sch. übernommen und dann der Erstklägerin übergeben. Aber auch die Erstklägerin kann als Vertreterin der Sch. angesehen werden. Die Übergabe an die Erstklägerin ist körperlich von Hand zu Hand gemäß § 426 ABGB. erfolgt (GlUNF. Nr. 5426). Dadurch ist aber auch die Übergabe an die Sch. jedenfalls auf erweisliche Art im Sinne des § 428 ABGB. erfolgt, selbst wenn dieses Erfordernis der Willensäußerung auf erweisliche Art, entgegen SZ. XXII/27 und 175, Klang, Kommentar, 2. Aufl., zu § 428 ABGB., S. 324, dahin ausgelegt werden würde, daß nicht jede ausdrückliche oder stillschweigende, den Übertragungswillen außer Zweifel stellende Erklärung dazu genügt.

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