OGH 3Ob337/53

OGH3Ob337/5313.5.1953

SZ 26/127

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1300
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §18
UrhG §18
UrhG §56
UrhG §88
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1300
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §18
UrhG §18
UrhG §56
UrhG §88

 

Spruch:

Haftung des Inhabers eines Unternehmens für Urheberrechtseingriffe eines Beauftragten (§ 88 UrhG.).

Unterschied zwischen der Erteilung eines Rates (§ 1300 ABGB.) und der Erteilung einer Auskunft.

Entscheidung vom 13. Mai 1953, 3 Ob 337/53.

I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Vom 30. April bis 8. Mai 1949 wurde in W. die Ausstellung "Gastgewerbe und Fremdenverkehr" von einem mehrgliedrigen Ausschuß veranstaltet, dessen Präsident der Beklagte war. Der Ausschuß verwendete zur Korrespondenz Briefpapier, das den Aufdruck trug:

"Veranstalter:

Kammer der gewerblichen Wirtschaft, Sektion Fremdenverkehrsunternehmen, mit Gewerbeförderungsinstitut, Oberösterreichische Landesregierung mit Landesarbeitsausschuß für Fremdenverkehr, Stadtgemeinde W. mit Volksfest-Hauptausschuß."

Diese Körperschaften waren aber tatsächlich nicht Veranstalter, sondern hatten nur eine Ausfallshaftung für die Ausstellung übernommen. Wie die beklagte Partei angab, wurde der Aufdruck nur gewählt, um der Ausstellung mehr Gewicht zu verleihen.

Die klagende Partei (A. K. M.) wandte sich am 5. Jänner 1950 an den Beklagten mit dem Begehren auf Zahlung eines Betrages von 2300 S als Entgelt für die Aufführung geschützter Werke durch mechanische Musikinstrumente und in der Form von Platzkonzerten auf der Ausstellung und ersuchte für den Fall, daß der Beklagte nicht verantwortlicher Leiter der Veranstaltung gewesen wäre, um Mitteilung der für die Veranstaltung der Ausstellung verantwortlichen Personen oder Körperschaften. Mit einem Schreiben vom 23. Jänner 1950 wurde der klagenden Partei mitgeteilt, daß die Ausstellung von den vorerwähnten Körperschaften (Kammer, Landesregierung und Stadtgemeinde W.) veranstaltet worden sei. Da das Aufführungsentgelt auch von diesen Körperschaften nicht bezahlt wurde, klagte die A. K. M. diese Körperschaften, wurde aber mit ihrem Klagebegehren mangels Passivlegitimation der beklagten Körperschaften abgewiesen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt nun die A. K. M. die Verurteilung derbeklagten Partei als Präsidenten und solidarisch (§ 89 des Urheberrechtsgesetzes) haftenden Mitgliedes des Ausstellungsausschusses zur Bezahlung eines Betrages von 6464.53 S,

u. zw. von 2200 S an Aufführungsentgelten, von 100 S an Spesen für die Kontrolle von Musikaufführungen, von 21 S an Mahnspesen und von 4143.53 S an Kosten der mißlungenen Prozeßführung gegen das Land Oberösterreich, die Kammer der gewerblichen Wirtschaft in L. und die Stadtgemeinde W.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren auf Bezahlung von 21 S Mahnspesen wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen und das weitere Klagebegehren kostenpflichtig abgewiesen. Gegen das Urteil des Erstgerichtes erhob die klagende Partei Berufung.

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des auf Ersatz der Kontrollspesen gerichteten Klagebegehrens, gab aber im übrigen der Berufung Folge, hob das angefochtene Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die klagende Partei stützt ihr Begehren auf Zahlung eines angemessenen Entgelts nach § 86 Urheberrechtsgesetz auf drei Tatbestände:

1. Auf die Veranstaltung eines Platzkonzertes durch die Straßenbahnerkapelle von L., 2. auf musikalische Vorführungen in einer Ausstellungshalle (Musterhotel),

3. auf die Übertragung von Musikdarbietungen durch Lautsprecher im Ausstellungsgelände.

Zu 1. hat das Erstgericht festgestellt, daß am 4. Mai 1949 die Preisverteilung für die anläßlich des W. Volksfestes 1948 prämiierten Musikkapellen stattfand. Die Straßenbahnerkapelle von L. hatte als erste Preisträgerin die Ausstellungsleitung ersucht, ein Platzkonzert geben zu dürfen. Bei diesem nicht vorgesehenen Platzkonzert wurden auch musikgeschützte Stücke aufgeführt, obwohl die Ausstellungsleitung das Konzert nur gestattet hatte, wenn keine musikgeschützten Stücke gespielt würden.

Nach Ansicht des Erstgerichtes kann dieses Platzkonzert nicht als vom Ausstellungsausschuß veranstaltet angesehen werden, da es nicht zum Programm der Ausstellung gehört und mit dieser auch nichts zu tun hatte.

Demgegenüber vertritt das Berufungsgericht die Auffassung, daß die Straßenbahnerkapelle, da ihr von der Ausstellungsleitung das Konzertieren gestattet worden war, als Beauftragter der Ausstellungsleitung im Sinne des § 88 des Urheberrechtsgesetzes und die Ausstellungsleitung selbst als Unternehmer im Sinne dieser Gesetzesstelle zu gelten und daher für das Aufführungsentgelt zu haften habe.

Zu 2. nahm das Erstgericht an, daß in der Ausstellungshalle "Musterhotel" die Firma S. eine Lautsprecheranlage eingerichtet habe und sie dabei von der Ausstellungsleitung ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden sei, daß nur nicht geschützte Werke übertragen werden dürften. Die Firma S. habe im Musterhotel ihre Erzeugnisse ausgestellt und, um ihre Apparate vorzuführen, auch Musikstücke, u. zw. auch geschützte, dargeboten. Das Erstgericht war derAnsicht, daß die Musiksendungen nicht von der Ausstellungsleitung veranstaltet worden seien und daß Vorführungen der Firma S. als Aussteller zu dem Zweck, um Kunden mit ihren Apparaten bekanntzumachen, gemäß § 56 Urheberrechtsgesetz nicht tantiemenpflichtig seien.

Auch hier erachtete, im Gegensatz zum Erstgericht, das Berufungsgericht eine Haftung des Ausstellungsausschusses gemäß § 88 Urheberrechtsgesetz für begrundet. Auch hier sei der Veranstalter, ob es nun eine ausstellende Firma oder sonst jemand von der Ausstellungsleitung verschiedener war, Beauftragter der Ausstellungsleitung, die die Vorführungen zugelassen hat. Von einer Vorführung im Sinne des § 56 Urheberrechtsgesetz könne deshalb keine Rede sein, weil es sich ja um eine Gastgewerbeausstellung handelte, die nicht dazu bestimmt war, Rundfunkgeräte und ähnliche Apparate auszustellen und vorzuführen. Die Vorführungsanlagen der Firma S. seien daher nicht Selbstzweck gewesen, sondern dem Ausstellungszweck untergeordnet.

Zu 3. nahm das Erstgericht als erwiesen an, daß beim Ausstellungsrestaurant, dessen Pächter einen eigenen Vertrag mit der A. K. M. abgeschlossen hatte, auch Tische im Freien standen, wobei musikalische Darbietungen aus dem Innern des Restaurants für die außerhalb befindlichen Gäste durch Lautsprecher übertragen wurden. Das Erstgericht nahm aber nicht als erwiesen an, daß die von einem Musikkontrollor der klagenden Partei gehörten Darbietungen geschützter Musikwerke von der der Ausstellungsleitung unterstehenden Lautsprecherzentrale und nicht von den Lautsprechern des Restaurants ausgegangen sind.

Das Berufungsgericht erachtet, daß das erstinstanzliche Verfahren zu diesem Punkte des Klagebegehrens an einem Feststellungsmangel leidet, weil die Frage nicht erörtert worden sei, ob nicht die Lautsprecher auf dem übrigen Ausstellungsgelände die Sendungen aus dem Restaurant übernommen haben, ob also die vom Inhaber des Musterrestaurants veranstalteten Darbietungen nur durch jene Lautsprecher wiedergegeben wurden, die dazu bestimmt waren, die im Freien sitzenden Gäste des Restaurants musikalisch zu unterhalten, oder ob auch die anderen Lautsprecher diese Darbietungen vermittelten.

Der Oberste Gerichtshof vermag der Auslegung der Bestimmung des § 88 desUrheberrechtsgesetzes durch das Berufungsgericht nicht zu folgen. Vor allem ging das Berufungsgericht zu weit, wenn es jeden, der ohne Veranstalter der Ausstellung zu sein, auf einer Ausstellung ein Tonstück vorführt, als Beauftragten im Sinne des § 88 Urheberrechtsgesetz begreifen will. Es würde damit der Schadenshaftung des Unternehmers nach dem Urheberrechtsgesetz eine gleichweite Grenze ziehen wie § 18 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb es für seinen Anwendungsbereich tut. Wie sich aus den erläuternden Bemerkungen zum Urheberrechtgesetz ergibt (abgedruckt in der Ausgabe von Lissbauer, S. 330), sollte aber die Haftung nach dem Urheberrechtsgesetz enger gestaltet werden. Allerdings ist als Beauftragter jeder zu verstehen, der ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, auf Grund eines anderen Rechtsgeschäftes dauernd oder vorübergehend für ein Unternehmen tätig ist. Wird eine urheberrechtlich in Betracht kommende Vorführung oder Aufführung von einem Unternehmer vorgenommen, der selbst auf einer Ausstellung im Rahmen seines Erzeugungs- oder Handelsbetriebes Erzeugnisse ausstellt, dann handelt es sich dabei nicht um eine Veranstaltung im Ausstellungsbetriebe, sondern um eine Veranstaltung im eigenen Betrieb des einzelnen Ausstellers. Diese Auffassung hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 3 Ob 241/50 vertreten. Es kann auch der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht gefolgt werden, wenn es in der Bestimmung des § 88 Urheberrechtsgesetz einen Fall der Erfolgshaftung erblickt. Der Unternehmer haftet nur, wenn er von dem Eingriff eines Bediensteten oder eines Beauftragten in das urheberrechtliche Verwertungsrecht eines anderen Kenntnis hatte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte Kenntnis haben müssen.

Werden nun die Tatbestände 1 und 2 im Sinne des so ververstandenen § 88 Urheberrechtsgesetz beurteilt, so ergibt sich folgendes.

Ob die Straßenbahnerkapelle von L. als Beauftragter der Ausstellungsleitung angesehen werden kann, ist zweifelhaft, auch wenn sie das Platzkonzert, was offenbar anzunehmen ist, ohne ein besonderes vom Ausstellungspublikum zu entrichtendes Entgelt gegeben hat. Denn die Veranstaltung des Konzertes hätte auch, wenn damit bloß Reklame oder Propaganda bezweckt worden wäre, offenbar eigenen Zwecken der Kapelle gedient. Es kann aber andererseits gewiß nicht ausgeschlossen werden, daß die Veranstaltung eines Platzkonzertes durch eine preisgekrönte Musikkapelle, auch wenn diese Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung nicht von vornherein vorgesehen und darum auch nicht besonders angekundigt worden war, auf den Besuch der Ausstellung fördernd gewirkt hat.

Die Frage nach der "Beauftragten"-Eigenschaft der Straßenbahnerkapelle kann aber dahingestellt bleiben, weil festgestelltermaßen ihre Vorführungen auf einen Tag beschränkt waren und die Ausstellungsleitung die Erlaubnis zu dem Platzkonzert nur unter der ausdrücklichen Bedingung gab, daß keine tantiemenpflichtigen Musikstücke gespielt werden dürfen. Da die Ausstellungsleitung gewiß erwarten konnte, daß dieser Auftrag eingehalten werden würde, kann ihr auch nicht fahrlässige Unkenntnis des von der Kapelle durch die Aufführung geschützter Werke begangenen Eingriffes in Verwertungsrechte angelastet weiden.

Die Vorführungen im Musterhotel, die nach den Feststellungen des Erstgerichtes durch die Firma S. vorgenommen wurden, fallen aus dem Rahmen des Ausstellungsbetriebes heraus, wenn die Firma S. Aussteller war und die von ihr vorgeführten Sendungen im Rahmen ihres eigenen, wenn auch in den Ausstellungsbetrieb irgendwie eingegliederten Unternehmens stattfanden. Die Auffassung des Berufungsgerichtes, es sei ausgeschlossen, daß die Firma im eigenen Betrieb Schallplattenmusik zur Vorführung von Apparaten gesendet habe, kann nicht ohne weiteres geteilt werden. Es können auch in einer Gastgewerbeausstellung besonders vorwiegend für Gaststättenbetriebe geeignete Apparaturen im Rahmen des Betriebes des Ausstellers gezeigt und vorgeführt werden. Hätte die Firma S. aber lediglich eine Lautsprecheranlage im Musterhotel eingerichtet, und hätte sie sich darauf beschränkt, diese Anlage durch einen ihrer Angestellten bedienen zu lassen, ohne selbst als Aussteller in Erscheinung zu treten, dann wären als Veranstalter der Musiksendungen im Musterhotel jene Personen anzusehen, die das Musterhotel auf der Ausstellung betrieben haben. Sollte dies die Ausstellungsleitung selbst gewesen sein, so würde auch hier ihre Haftung im Sinne des § 88 Urheberrechtsgesetzes entfallen. Denn sie hatte der Firma S. ausdrücklich das Spielen geschützter Werke verboten und es fällt ihr daher keine Sorglosigkeit zur Last; mit der Übertretung dieses Verbotes mußte sie nicht rechnen.

Zu 3. hat das Erstgericht den Beweis, daß die im Ausstellungsgelände zu hörenden Darbietungen nur von der Lautsprecheranlage der Ausstellungsleitung stammten, nicht als erbracht angesehen. Aus dieser Diktion des erstrichterlichen Urteils scheint allerdings zu folgen, daß das Erstgericht den § 18 Abs. 3 Urheberrechtsgesetz insofern nicht ganz richtig beurteilt hat, als es möglicherweise angenommen hat, daß die Übernahme der Sendungen aus dem Musterrestaurant auf die übrigen Lautsprecher im Ausstellungsgelände keine Tantiemenpflicht für die Ausstellungsleitung begrundet hätte. Es ist daher die angeordnete Verfahrensergänzung in der Richtung, ob die urheberrechtlich geschützten Vorführungen auch auf solchen Lautsprechern zu hören waren, die nicht für die Gäste des Ausstellungsrestaurants bestimmt waren, erforderlich.

Was den Schadenersatzanspruch wegen Irreführung betrifft, so teilt der Oberste Gerichtshof grundsätzlich die Auffassung des Rekurses, daß die Haftung der beklagten Partei nach § 1300 ABGB. zu beurteilen ist. Die Erteilung einer Auskunft stellt sich gegenüber der Erteilung eines Rates als ein Minderes dar und erzeugt daher eine Haftung nur, wenn eine vertragliche Verpflichtung zur Auskunftserteilung besteht oder sich die Auskunft als eine unerlaubte Handlung darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Auskunft vom Beklagten wissentlich, also gegen besseres Wissen, erteilt wurde. Eine bloße Fahrlässigkeit, die darin gelegen wäre, daß der Beklagte den die unrichtige Auskunft enthaltenden Brief nicht gelesen hat, vermöchte, mag auch das Verhalten des Beklagten als eine grobe Fahrlässigkeit zu beurteilen sein, eine Haftung nach § 1300 ABGB. noch nicht herzustellen. Wer sich auf fremde Auskunft verläßt, handelt regelmäßig auf eigene Gefahr. Das gilt insbesondere dann, wenn ein präsumtiver Prozeßgegener die Verantwortung ablehnt und den Fordernden auffordert, sich an einen Dritten zu wenden (vergl. 1 Ob 13/52). Im übrigen wird, falls die noch ausstehenden Feststellungen den Schluß auf eine Schadenshaftung des Beklagten gemäß § 1300 ABGB. zulassen sollten, die Haftung des Beklagten davon abhängen,inwieweit, abgesehen von der Frage der Passivlegitimation, der im Vorprozeß geltend gemachte Anspruch auf Entgelt berechtigt war; eine Haftung wird also nur allenfalls für den unter Punkt 3. geltend gemachten Tatbestand in Frage kommen.

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