OGH 1Ob960/52

OGH1Ob960/5215.4.1953

SZ 26/93

Normen

KFG §3
Kraftfahrverordnung 1947 §57
VersVG §6
VersVG §38
VersVG §101
VersVG §158c
VersVG §158d
KFG §3
Kraftfahrverordnung 1947 §57
VersVG §6
VersVG §38
VersVG §101
VersVG §158c
VersVG §158d

 

Spruch:

Der Dritte erwirbt die Rechte aus § 158c VersVG. schon zu einer Zeit, in der die Haftung des Versicherers dem Versicherungsnehmer gegenüber aus dem Grund noch nicht entstanden ist, weil die erste Prämie nicht bezahlt wurde.

"Kranke" Versicherungsverhältnisse rechtfertigen den Haftungsausschluß des § 158c Abs. 4 VersVG. nicht.

Anzeigepflicht des Dritten nach § 158d Abs. 2 VersVG.

Entscheidung vom 15. April 1953, 1 Ob 960/52.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Mit dem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 5. April 1951, 17 Cg .../50, wurde der Eigentümer des in Frage stehenden Personenkraftwagens Fiat-Torino, Gabriel S. jun., verurteilt, dem Kläger, der durch den von S. gelenkten Kraftwagen am 27. Juni 1949 niedergestoßen und schwer verletzt worden war, einen Schadenersatzbetrag von 12.031 S 31 g samt 4% Zinsen seit 1. Oktober 1949 und die mit 2618 S 62 g bestimmten Prozeßkosten zu bezahlen. Mit den Beschlüssen des Landesgerichtes Klagenfurt vom 12. November 1951, 17 Cg .../50, und des Bezirksgerichtes Innere Stadt-Wien vom 15. November 1951, 58 E .../51, wurde dem Kläger zur Hereinbringung der ihm zuerkannten Beträge die Pfändung und Überweisung zur Einziehung der Forderung des Gabriel S. jun. gegen die beklagte Versicherungsgesellschaft D. auf Grund des Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrages, Polizze Nr. 5.062.534, auf Auszahlung der Versicherungssumme bewilligt. Die gepfändete und überwiesene Forderung macht der Kläger mit der vorliegenden Klage bis zur Höhe seines exekutiven Anspruchs geltend.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Am 29. April 1949 habe Elise P., die dann am 15. Juni 1949 den Kraftwagen an Gabriel S. jun. verkauft habe, mit der Beklagten den Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrag Polizze Nr. 5.062.534 für die Zeit vom 29. April bis 29. Juni 1949 geschlossen. Auf diesen Versicherungsvertrag, der gemäß § 158h VersVG. auf den Erwerber des Kraftwagens S. übergegangen sei, fänden die Bestimmungen der §§ 158b ff.VersVG. Anwendung, weil es sich um eine Haftpflichtversicherung handle, zu deren Abschluß eine gesetzliche Verpflichtung bestehe (§ 3 Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1946, BGBl. Nr. 83/1947). Wenngleich die Einmalprämie erst nach dem Unfall des Klägers am 20. September 1949 bezahlt worden sei, hafte die Beklagte dem Dritten, nämlich dem Kläger gegenüber gemäß § 158c VersVG. doch. Dem Versicherungsnehmer S. gegenüber sei die Beklagte gemäß § 38 Abs. 2 VersVG. hingegen zur Leistung nicht verpflichtet. Die Haftung der Beklagten in Ansehung des Klägers sei davon unabhängig, daß jene der Kraftwagenzulassungsbehörde eine Versicherungsbestätigung nach § 57 Abs. 1 Kraftfahrverordnung 1947, BGBl. Nr. 83/1947, nicht ausgefolgt habe. Denn diese Vorschrift habe nur verwaltungsrechtliche Bedeutung, berühre aber die zivilrechtliche Haftung nach den §§ 158b ff. VersVG. nicht. Die Beklagte habe es auch unterlassen, der Zulassungsbehörde mitzuteilen, daß der Versicherungsvertrag nicht bestehe oder beendet worden sei. Was den von Gabriel S. mit der A. Versicherungs-Aktien- Gesellschaft am 13. August 1949 geschlossenen Kraftfahrversicherungsvertrag Polizze Nr. 3.356.824/AV, betreffe, der ab 11. Juni 1949 wirksam sein sollte, handle es sich um eine Rückwärtsversicherung, bei der S. den bereits eingetretenen Versicherungsfall der Versicherungsgesellschaft verschwiegen habe. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 VersVG. hafte diese dem Versicherungsnehmer nicht. Da sich die Bestimmung des § 158c Abs. 4 VersVG., wonach der Versicherer nicht hafte, insoweit ein anderer Haftpflichtversicherer demVersicherungsnehmer hafte, auf Versicherungsverhältnisse mit fortbestehender Haftung bloß gegenüber dem Dritten nicht beziehe, könnte nur die Vorschrift des § 59 VersVG. über die Doppelversicherung in Frage kommen. Nach dieser Bestimmung werde die Beklagte aber von ihrer Leistung nicht frei. Dasselbe gelte von der Haftpflichtversicherung Polizze Nr. 421-3371, die der Voreigentümer des Kraftwagens M. mit der W. Versicherungsanstalt am 19. September 1945 abgeschlossen habe. Dieser Vertrag sei nämlich von Elise P. mit Wirkung vom 29. April 1949 gekundigt worden und die genannte Versicherungsanstalt habe dem zugestimmt. Da der Versicherungsvertrag somit noch vor dem Unfall gelöst worden sei, sei die W. Versicherungsanstalt der Versicherungsnehmerin nicht mehr zur Leistung verpflichtet. Die Haftung der Beklagten dem Kläger gegenüber sei daher aufrecht. Was die Höhe der Ansprüche des Klägers betreffe, seien diese dem Versicherungsnehmer S. gegenüber rechtskräftig festgestellt worden, die Beklagte habe dies außer Streit gestellt und keine konkreten Behauptungen aufgestellt, aus denen sich ergeben würde, warum sie die Höhe der Ansprüche bestreite. Es könne dem Kläger auch nicht zur Last gelegt werden, daß er die Beklagte nach § 158d VersVG. von der Einbringung der Klage gegen S. nicht verständigt habe. Denn eine solche Anzeigepflicht bestehe nur einem Versicherer gegenüber, der zu einer Leistung überhaupt bereit sei, was von der Beklagten nicht gesagt werden könne.

Infolge Berufung der Beklagten bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil. Es billigte die vom Erstgericht vertretene Rechtsansicht und kam gleich diesem zur Überzeugung, daß nur die Beendigung der Haftung aus einem Versicherungsvertrag, nicht aber deren Beginn der Anzeige bei der Zulassungsbehörde bedürfe, um die Wirkungen des § 158c VersVG. hervorzurufen. Davon, daß der Kläger seine Pflicht nach § 158d VersVG. verletzt habe, könne schon deshalb nicht gesprochen werden, weil er mangels Meldung der Beklagten bei der Zulassungsbehörde nicht habe wissen können, daß die fragliche Haftpflichtversicherung der Beklagten überhaupt bestehe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach § 3 des Kraftfahrgesetzes 1946 muß für jedes zum Verkehr zugelassene Kraftfahrzeug, das seinen dauernden Standort im Inland hat, eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung bei einer für diesen Versicherungszweig in Österreich zugelassenen Versicherungsanstalt bestehen. Die Einführung der Pflichtversicherung sollte den Interessen der am Verkehr beteiligten Dritten dienen, die mit ihren allfälligen Schadenersatzforderungen aus Kraftfahrzeugunfällen nicht auf ihre Ansprüche gegen den Schädiger und deren vielleicht fragliche Einbringlichkeit beschränkt bleiben, sondern Deckung aus der vom Schädiger mit einer Versicherungsanstalt pflichtgemäß abgeschlossenen Haftpflichtversicherung finden sollten.

Um zu diesem Ziel zu kommen, bedurfte es einerseits verwaltungsrechtlicher Bestimmungen, durch die der Verkehr unversicherter Kraftfahrzeuge und damit die Gefahr der Schädigung Dritter, deren Ansprüche nur mangelhaft gedeckt wären, unterbunden wird. Nach § 57 Abs. 1 Kraftfahrverordnung 1947 dürfen Kraftfahrzeuge von der Zulassungsbehörde nur dann zum Verkehr zugelassen werden, wenn die Bestätigung einer Versicherungsanstalt über den aufrechten Bestand einer Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung beigebracht wird. Diese Bestätigung wird dem Versicherungsnehmer naturgemäß nur erteilt, wenn der Versicherungsvertrag nicht nur geschlossen ist, sondern auch alle Leistungswirkungen bereits hervorgebracht hat. Solange also etwa die Anfangsprämie vom Versicherungsnehmer nicht bezahlt wurde, hat er keinenAnspruch auf Ausstellung der Versicherungsbestätigung, eine solche kann der Zulassungsbehörde noch nicht übergeben werden und diese ist nicht in der Lage, das Kraftfahrzeug zum Verkehr zuzulassen. Es kann sich aber auch der Fall ergeben, daß die Versicherung in volle Wirksamkeit getreten ist und die Zulassungsbehörde das Kraftfahrzeug genehmigt hat, daß aber in der Folge der Versicherungsnehmer einer vertraglichen Obliegenheit nicht nachgekommen und die Versicherungsanstalt von der Verpflichtung zur Leistung dem Versicherungsnehmer gegenüber ganz oder teilweise frei geworden ist. Für diesen Fall ordnet § 57 Abs. 6 KFV. an, daß die Versicherungsanstalt, um der Behörde die Überwachung des weiteren aufrechten Bestandes der Versicherung zu ermöglichen, dieser jede Unterbrechung in der Haftung unverzüglich anzuzeigen hat; dann hat die Behörde nach § 60 KFV. die Zulassung des Fahrzeuges zum Verkehr zurückzunehmen. Der Fahrzeugbesitzer ist seinerseits bei sonstiger Bestrafung nach § 120 KFV. und § 17 Kraftfahrgesetz verpflichtet, das Kraftfahrzeug abzumelden.

Außer dieser verwaltungsrechtlichen Sicherung besteht aber auch eine privatrechtliche Begünstigung des durch einen Kraftfahrunfall geschädigten Dritten. Die Verbesserung der privatrechtlichen Lage des Dritten hat mit den verwaltungsrechtlichen Bestimmungen keinen inneren, sondern nur einen äußeren Zusammenhang, der durch die auch privatrechtliche Bedeutung der früher erwähnten Anzeige der Versicherungsanstalt nach § 57 Abs. 6 KFV. hergestellt wird. Nach § 158c VersVG. kann nämlich der Fall eintreten, daß der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung dem Versicherungsnehmer gegenüber ganz oder teilweise frei ist, daß aber dennoch seine Verpflichtung in Ansehung des Dritten bestehen bleibt. Diese Möglichkeit, die einer Fiktion des Bestandes der Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag gleichkommt, hat nach der amtlichen Begründung zum Gesetz vom 7. November 1939, DRGBl. I, S. 2223, DJ. 1939, S. 1771, nur die Voraussetzung, daß ein Fahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrag geschlossen wurde und den Rechtsschein der Gültigkeit für sich hat (Thees - Hagemann, Das Recht der Kraftfahrzeug- Haftpflichtversicherung, S. 91, 121). Der Dritte soll nach der Absicht des Gesetzgebers in seinem berechtigten Vertrauen auf den Bestand eines Versicherungsvertrages geschützt und sein Ersatzanspruch im Deckungsprozeß von den Zufälligkeiten der oft verworrenen Versicherungsrechtsbeziehungen des Versicherers zum Versicherungsnehmer unabhängig gemacht werden. Dieser Schutz ist entgegen der Meinung der Revisionswerberin zwar davon abhängig, daß ein Versicherungsvertrag überhaupt geschlossen wurde und der Schaden aus keiner anderen Gefahr, als der vom Versicherer übernommenen (§ 158c Abs. 3 VersVG.) abgeleitet wird. Gefahrenausschlußklauseln im Vertrag, wie sie etwa den §§ 2 Abs. 3, 11 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahr- Haftpflichtversicherung (AKHB.) entsprechen, könnten daher die Anwendbarkeit des § 158c VersVG. unmöglich machen (SZ. XXII/54). Allein eine derartige Einwendung ist von der Beklagten im vorliegenden Fall nicht erhoben worden. Diese könnte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß mangels Übergabe der Versicherungsbestätigung an die Zulassungsbehörde das Kraftfahrzeug zum Verkehr gar nicht zuzulassen gewesen wäre. Denn einerseits ist die fehlende Zulassung an sich kein Gefahrenausschließungsgrund und andererseits war der Kraftwagen auf Grund der früheren bei der W. Versicherungsanstalt geschlossenen Haftpflichtversicherung versichert gewesen, ohne daß die Beendigung der Versicherung (nach den Feststellungen der Untergerichte am 29. April 1949) der Zulassungsbehörde nach § 57 Abs. 6 KFV. angezeigt wurde, so daß für diese kein Grund vorlag, die Zulassung des Kraftwagens zum Verkehr zurückzuziehen. Die darin gelegene Vergrößerung des Risikos der Beklagten kann dem unbeteiligten Kläger nicht zum Nachteil gereichen.

Der Rechtsansicht der Revisionswerberin kann aber insofern nicht beigestimmt werden, als sie eine Voraussetzung des Fortbestehens der Haftung des Versicherers gegenüber dem Dritten nach § 158c VersVG. darin sieht, daß die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung dem Versicherungsnehmer gegenüber überhaupt einmal eingetreten sein müsse und die Versicherungsbestätigung nach § 57 Abs. 1 KFV. der Behörde übergeben worden sei. Wie bereits früher ausgeführt wurde, hat die Bestätigung, die erst nach dem Eintritt der vollen Leistungspflicht des Versicherers, insbesondere daher erst nach Bezahlung der ersten oder der einzigen Prämie, erteilt wird, nur die Bedeutung, daß verwaltungsmäßig der Betrieb eines unversicherten Kraftwagens hintangehalten wird. Es kann aber - wie im vorliegenden Fall - geschehen, daß dieser Schutz nicht zum Ziel führt, weil der Kraftwagen dessenungeachtet betrieben und der Unfall zu einer Zeit verursacht wird, zu dem mangels Zahlung der ersten Prämie die Haftung des Versicherers gar nicht erst eingetreten ist. In diesem Fall besteht die gesetzliche Sicherung des Dritten darin, daß ihm gegenüber das Vertrauen auf den Abschluß des Versicherungsvertrages geschützt wird und er auch von dem Streit unberührt bleibt, ob die Leistungspflicht aus dem geschlossenen Versicherungsvertrag dem Versicherungsnehmer gegenüber überhaupt wirksam geworden ist, bevor es zum Unfall kam. Daß der Dritte die Rechte aus § 158c VersVG. schon zu einer Zeit erwirbt, da die Haftung des Versicherers noch gar nicht entstanden ist, geht daraus hervor, daß § 158c VersVG. den Inhalt der §§ 101 und 102 Abs. 2 VersVG. nicht übernommen hat (Prölß, Versicherungsvertragsgesetz[7], 1952, S. 130, 406, 2). Bei der zugunsten eines Hypothekargläubigers vinkulierten Feuerversicherung hat nämlich der Versicherer nach § 101 Abs. 1 VersVG. jenem nur Mitteilung zu machen, wenn eine Folgeprämie nicht bezahlt wurde, worauf die Haftungsverlängerung dem Hypothekargläubiger gegenüber nach § 102 Abs. 2 VersVG. einzutreten hat. Daraus, daß der Versicherer den Hypothekargläubiger von der Nichtbezahlung der ersten Prämie nicht zu verständigen hat, kann geschlossen werden, daß ihn vor dem Wirksamwerden der Feuerversicherung keine erweiterte Haftung trifft. Anders aber nach § 158c VersVG. Hier genügt ohne Einschränkung jede Art von Leistungsfreiheit des Versicherers, also auch die Unterlassung der Bezahlung der ersten Prämie, um das Bestehen der Haftung des Versicherers gegenüber dem Dritten zu begrunden. Der Wortlaut des § 158c VersVG. "bleibt ... bestehen" spricht gegen die hier vertretene Meinung nicht, weil er nur den Normalfall im Auge hat, daß die Leistungspflicht des Versicherers schon einmal bestanden hat. Im übrigen ist auf die Übereinstimmung der Worte "ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei" in den §§ 38 Abs. 2 und 158c VersVG. hinzuweisen.

Die Beklagte hätte ihre Haftung aus § 158c VersVG. von vornherein nur auf die Weise einschränken können, daß sie die Nichtzahlung der Einmalprämie (sie wurde erst nach dem Unfall, nämlich am 20. September 1949 bezahlt) zum Anlaß des Rücktrittes vom Vertrag nach § 38 Abs. 1 VersVG. genommen und diesen der Zulassungsbehörde nach § 158c Abs. 2 VersVG. angezeigt hätte. Dadurch, daß sie die Versicherungsbestätigung nach § 57 Abs. 1 KFV. nicht ausstellte konnte sie sich von der weitergehenden Haftung nicht befreien.

Der Revisionswerberin ist durchaus beizustimmen, daß sich § 158c Abs. 2 VersVG. auf den Fall, daß eine Prämie nicht bezahlt und daraus die Leistungsfreiheit des Versicherers abgeleitet wurde, nicht bezieht, vielmehr nur die Fälle des Nichtbestehens oder der Beendigung des Versicherungsvertrages selbst zum Gegenstand hat. Allein aus dieser Tatsache ergibt sich nur eine besondere Strenge der Erweiterung der Haftung des Versicherers, der sich in anderen Fällen davon auch mittels einer Anzeige bei der Behörde nicht befreien kann.

Zusammenfassend kann in diesem Zusammenhang gesagt werden, daß nach dem Abschluß eines Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrages der Dritte in seinem Vertrauen Rechtsschein, der sich aus der Tatsache des Abschlusses des Vertrages und dem Inhalt der der Zulassungsbehörde allfällig erstatteten Anzeige ergibt, nach § 158c VersVG. geschützt ist. Der Kläger, auf den diese Erwägungen zutreffen, ist grundsätzlich befugt, die Beklagte im vorliegenden, auf der Pfändung und Überweisung zur Einziehung der Ansprüche des Versicherungsnehmers beruhenden Deckungsprozeß in Anspruch zu nehmen. Das Berufungsgericht ist von einer zutreffenden rechtlichen Ansicht ausgegangen.

Was den von der Revisionswerberin in Anspruch genommenen Haftungsausschluß nach § 158c Abs. 4 VersVG. betrifft, haben die Untergerichte bereits mit ausführlicher Deutlichkeit darauf hingewiesen, daß "kranke" Versicherungsverhältnisse den Einwand nicht rechtfertigen. Denn in der angeführten Gesetzesstelle wird der Haftungsausschluß nur dann gewährt, wenn der andere Haftpflichtversicherer dem Versicherungsnehmer haftet. Bei Versicherungsverhältnissen, bei denen nur die Haftung gegenüber dem Dritten besteht, ist dies nicht der Fall. Der Zweck der Bestimmung ist ja auch nicht der, dem einen erweitert haftenden Versicherer die Einwendung zu geben, daß ein anderer erweitert haftender Versicherer für die Schadensfolge einzustehen habe. Es soll vielmehr die Haftung eines Versicherers nach § 158c Abs. 1 VersVG. zu Lasten der normalen Leistungspflicht eines anderen Versicherers ausgeschlossen werden. Entgegen der Meinung der Revisionswerberin ist die Haftpflichtversicherung der W. Versicherungsanstalt Polizze Nr. 421- 3371, wie die Untergerichte festgestellt haben, von Elise P., der Voreigentümerin des Kraftwagens, mit Wirkung vom 29. April 1949, somit noch vor dem Unfall, gekundigt worden, womit die Versicherungsanstalt einverstanden war. Deren Haftung könnte sich nur aus § 158c Abs. 1 VersVG. ergeben, weil die Anzeige nach Abs. 2 an die Bezirkshauptmannschaft Z. unterlassen worden ist. Von einer Haftung gegenüber dem Versicherungsnehmer kann aber keine Rede sein. Die Beklagte kann also das frühere Versicherungsverhältnis nicht heranziehen, um den Haftungsausschluß nach § 158c Abs. 4 VersVG. zu erlangen.

Was schließlich die Höhe des Klagsanspruchs betrifft, hat es die Revisionswerberin im erstgerichtlichen Verfahren unterlassen, bestimmte Einwendungen gegen das Ausmaß der dem Kläger im Haftpflichtprozeß gegen den Eigentümer des Kraftwagens Gabriel S. jun. zugesprochenen Schadenersatzforderung zu erheben.

Der Kläger hat die Beklagte nicht verständigt, als er im Jahre 1950 gegen Gabriel S. jun. die Schadenersatzklage einbrachte. Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht des § 158d Abs. 2 VersVG. kann darin in Übereinstimmung mit dem Berufungsgerichte nicht gesehen werden. Denn es ergibt sich aus der umfangreichen Korrespondenz, daß der Vertreter des Klägers bemüht war, den ungemein verworrenen versicherungsmäßigen Sachverhalt zu klären, daß es ihm aber erst nach Beendigung des Rechtsstreites gegen S. (Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 5. April 1951) gelang, die Beklagte als diejenige Versicherungsanstalt endgültig festzustellen, die unter zwei weiteren als haftpflichtig anzusehen sei. Dies geht insbesondere aus dem Schreiben des Klagevertreters an die Beklagte vom 5. September 1951 hervor. Die Klärung der Lage war für den Klagevertreter umso schwieriger, als bei der Zulassungsbehörde, der Bezirkshauptmannschaft Z., eine Versicherungsbestätigung nicht vorgelegt worden war. Wenn die klagende Partei die Beklagte von der Einbringung der Klage gegen Gabriel S. jun. nicht rechtzeitig verständigen konnte, lag das an der Ungunst der Verhältnisse, aus der ihr ein Vorwurf nicht gemacht werden kann (vgl. § 6 Abs. 3 VersVG.). Die Beklagte kann sich daher auf § 158e Abs. 1 VersVG. nicht berufen und muß auch als verpflichtet angesehen werden, die Kosten des früheren Rechtsstreites dem Kläger zu ersetzen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte