OGH 3Ob70/53

OGH3Ob70/538.4.1953

SZ 26/91

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §936
Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung §17
HGB §17
HGB §105
HGB §335
HGB §337
ZPO §1
ZPO §6
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §936
Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung §17
HGB §17
HGB §105
HGB §335
HGB §337
ZPO §1
ZPO §6

 

Spruch:

Durch die Beteiligung des stillen Gesellschafters an einer offenen Handelsgesellschaft wird das stille Gesellschaftsverhältnis ebensowenig berührt wie durch die Umwandlung der offenen Handelsgesellschaft infolge Ausscheidens eines von zwei offenen Gesellschaftern im Vertrags- oder Erbwege in eine Einzelfirma.

Die Fristbestimmung des § 936 ABGB. ist auf Optionen nicht analog anzuwenden.

Entscheidung vom 8. April 1953, 3 Ob 70/53.

I. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war der Kläger an dem von ihm sowie von Leopold Sch. im Jahre 1938 erworbenen Unternehmen W. & Sch., Bandfabrik in P., als stiller Gesellschafter mit 75% am Gewinn und Verlust beteiligt. Inhaber des Unternehmens nach außen war Leopold Sch. mit einem Beteiligungsverhältnis von 25%. Die Vereinbarungen zwischen dem Kläger und Leopold Sch. über die stille Gesellschaft wurden in einem Gedächtnisprotokoll festgehalten. Nach Punkt 8 dieses Protokolls ist Leopold Sch. verpflichtet, auf Wunsch des stillen Teilhabers diesen als offenen Handelsgesellschafter in die Firma aufzunehmen und alle zu diesem Zwecke erforderlichen Urkunden und Eingaben zu unterzeichnen. Mit dem Tage der Gründung der offenen Handelsgesellschaft wird der stille Gesellschafter an der Substanz des Unternehmens im selben Verhältnis am Gewinn und Verlust beteiligt. Im Punkt 9 des Vertrages wird festgesetzt, daß Leopold Sch. zur Sicherung des sich aus Punkt 8 ergebenden Rechtes des stillen Gesellschafters ein von ihm (Sch.) unterfertigtes Gesuch an das Amtsgericht für Handelssachen um Eintragung des Klägers als offenen Handelsgesellschafter und Umwandlung der bisherigen Einzelfirma in eine offene Handelsgesellschaft sowie eine legalisiert unterfertigte bedingte Rücklegungserklärung zugunsten der offenen Handelsgesellschaft hinsichtlich der Gewerbeberechtigung zu Handen des - in dem Vertrag nicht genannten - Treuhänders hinterlegt, dem Herr Leopold Sch. den unwiderruflichen Auftrag erteilt, die hinterlegten Urkunden auf Verlangen des Klägers an die Behörden abzufertigen.

Die Beklagte war mit dem Sohn des Klägers verlobt. Zu einer Eheschließung ist es nicht gekommen, weil der Sohn des Klägers im November 1941 gefallen ist. In der Folge wurde die Firma des Unternehmens in P. geändert und die Beklagte als offene Handelsgesellschafterin in das nunmehr in Form einer offenen Handelsgesellschaft geführte Unternehmen aufgenommen. Der Kläger übertrug der Beklagten einen 25%igen Anteil am Unternehmen, wobei er verfügte, daß der Beklagten monatlich nur ein Betrag von 300 RM auszuzahlen sei. An der Leitung des Unternehmens nahm die Beklagte keinen Anteil; der Kläger hatte nach wie vor Einzelprokura. Die maßgebenden Angestellten, insbesondere auch die Buchhaltung, wurden davon unterrichtet, daß in Hinkunft der Kläger am Unternehmen mit 50%, die Beklagte und Leopold Sch. mit je 25% beteiligt seien. Diesem Verhältnis entsprechend wurden auch die Bilanzen erstellt und die Erklärungen an das Finanzamt abgegeben. Nach Kriegsende wurde für das Unternehmen ein öffentlicher Verwalter bestellt und der Beklagten zunächst der Zutritt zum Betrieb in P. verweigert. Im Jahre 1945 schied Leopold Sch. aus der offenen Handelsgesellschaft aus und es übernahm die Beklagte dessen Kapitalanteil (Übereinkommen vom 16. Oktober 1945).

Im Jahre 1948 wurde von Felix S. und Renee Maria S. bezüglich der P. Bandfabrik ein Rückstellungsverfahren eingeleitet, in welchem die Antragsgegnerin protokollierte Firma P. Bandfabrik D. & Sch. durch die beklagte Partei als Alleininhaberin vertreten wurde. Das Rückstellungsbegehren wurde abgewiesen.

Während die Beklagte den Standpunkt vertritt, daß ihr der Kläger seine gesamte Beteiligung an der P. Bandfabrik übertragen habe, vertritt der Kläger die Rechtsansicht, daß er nach wie vor als stiller Gesellschafter zu 50% an dem Unternehmen beteiligt sei und auf Grund des seinerzeit mit Leopold Sch. getroffenen Übereinkommens den Eintritt in das Unternehmen als offener Handelsgesellschafter mit dem gleichen Beteiligungsverhältnis beanspruchen könne.

Das Erstgericht hat im Sinne des Klagebegehrens festgestellt, daß der Kläger an der Firma P. Bandfabrik D. & Sch. zu 50% am Gewinn und Verlust dieses Unternehmens beteiligt sei, und hat die Beklagte im Sinne des weiteren Klagebegehrens schuldig erkannt, a) zu dulden, daß der Kläger in die Handelsbücher, den Briefwechsel, die Fakturen und sonstige kaufmännische Behelfe der P. Bandfabrik D. & Sch. Einsicht nimmt und bei der alljährlich aufzunehmenden Inventur interveniert, wobei er sich auch durch einen Buchsachverständigen oder Wirtschaftsprüfer auf seine Kosten vertreten lassen könne, b) alle jene Erklärungen, insbesondere dem Kreis- als Handelsgericht Wiener Neustadt gegenüber abzugeben, welche nötig sind, um die P. Bandfabrik D. & Sch. wieder in eine offene Handelsgesellschaft umzuwandeln und den Kläger alspersönlich haftenden Gesellschafter einzutragen.

Das weitere Klagebegehren auf Feststellung, daß die im Jahre 1938 erfolgte Verpfändung des 25%igen Gesellschaftsanteiles des Leopold Sch. an der Firma P. Bandfabrik D. & Sch. auch nach der Übernahme dieses Gesellschaftsanteiles durch die Beklagte zu Recht bestehe, hat das Erstgericht abgewiesen.

Gegen den stattgebenden Teil des Ersturteiles erhob die Beklagte Berufung; der Berufung wurde nicht Folge gegeben, sondern das Ersturteil durch das Berufungsgericht bestätigt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Wenn sich der stille Gesellschafter an einer offenen Handelsgesellschaftbeteiligt hat, so wird das stille Gesellschaftsverhältnis durch einen Wechsel der Gesellschafter nicht berührt, weil die offene Handelsgesellschaft trotz Änderung der Teilhaber unverändert fortbesteht. Der gleiche Grundsatz muß aber auch dann gelten, wenn die offene Handelsgesellschaft durch Ausscheiden einesvon zwei offenen Gesellschaftern im Vertrags- oder Erbwege in eine Einzelfirma umgewandelt wird, da das Geschäft nach wie vor unverändert von einem der Teilhaber fortgeführt wird und es wirtschaftlich nichts ausmacht, ob von drei oder zwei Gesellschaftern einer ausscheidet. Daß in dem einen Fall die offene Handelsgesellschaft fortbesteht, im anderen sich in ein Einzelunternehmen umwandelt, kann im Verhältnis zwischen stillem Gesellschafter und Komplementär nicht von Bedeutung sein, da das persönliche Band zwischen Komplementär und stillem Gesellschafter unverändert bleibt und das Gewerbe nach wie vor unverändert weiterbetrieben wird. Es kann offen bleiben, ob dem stillen Gesellschafter nicht in einem solchen Fall unter Umständen ein Kündigungsrecht zusteht, wenn durch Ausscheiden gerade des kapitalstärksten offenen Gesellschafters die Sicherheit seiner Beteiligung gefährdet ist - das gilt übrigens auch dann, wenn bei einer Drei- oder Mehrmanngesellschaft ein kapitalstarker Gesellschafter ausscheidet -, hat er aber eine Kündigung unterlassen, so besteht das stille Gesellschaftsverhältnis fort. Durch das Ausscheiden des Sch. ist daher die Rechtsstellung des Klägers nicht berührt worden.

Die Revision führt in rechtlicher Beziehung ferner aus, daß das vom Kläger seinerzeit mit Leopold Sch. als Alleininhaber der Einzelfirma W. & Sch., P. Bandfabrik, eingegangene stille Gesellschaftsverhältnis wegen der inzwischen erfolgten Umwandlungen des Komplementärs - Errichtung der offenen Handelsgesellschaft D. & Sch. im Jahre 1942 und Auflösung dieser offenen Handelsgesellschaft und Umwandlung in eine Einzelfirma im Oktober 1945 - aufgehört hätte. Dieser Standpunkt scheitert aber, was zunächst die Errichtung der offenen Handelsgesellschaft D. & Sch. betrifft, an der Feststellung der Vorinstanzen, daß der Eintritt der Klägerin als Gesellschafterin auf einer Vereinbarung mit dem Kläger und auf einer Vereinbarung mit dem nach außen als Alleininhaber der Einzelfirma W. & Sch. geltenden Sch. beruhte und diesen Vereinbarungen gemäß im Innenverhältnis der Kläger als stiller Gesellschafter mit 50%, Sch. und die Beklagte mit 25% beteiligt sein sollten. Der Wechsel in der Person des Komplementärs beruhte somit auf einem Einvernehmen aller Beteiligten.

Ob die Beklagte ferner schon im Jahre 1942 in die aus dem Übereinkommen vom Jahre 1938 entspringenden Berechtigungen und Verpflichtungen eingetreten ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls muß aber der Meinung des Berufungsgerichtes beigepflichtet werden, daß diese Verpflichtungen, soweit sie dem Leopold Sch. gegenüber seinem Vertragspartner vom Jahre 1938, also gegenüber dem Kläger, oblagen, bei der Geschäftsübernahme im Jahre 1945 von der Beklagten mitübernommen wurden.

Der Ansicht der beklagten Partei, daß Punkt VIII des eben erwähnten Übereinkommens dadurch konsumiert worden sei, daß die Beklagte selbst als Gesellschafterin zu 25% in die offene Handelsgesellschaft D. & Sch. aufgenommen wurde, trifft nicht zu. Denn Punkt VIII des Übereinkommens vom Jahre 1938 hatte die Aufnahme des Klägers mit einem Beteiligungsverhältnis von 75% zum Inhalt.

Auf die Frage, ob ein der Beklagten eingeräumtes Beteiligungsverhältnis von mehr als 25% als Schenkung ohne Übergabe zu beurteilen wäre, und auf die sich daraus ergebende weitere Frage der Gültigkeit einer solchen Vereinbarung war in Anbetracht der Feststellung, daß die Beklagte von dem Kläger nur zu 25% beteiligt wurde, nicht einzugehen.

Verfehlt ist auch die Auffassung der Beklagten, daß sie nicht passiv gegenüber der Klage legitimiert sei. Ein Einzelkaufmann hat kein von seinem Privatvermögen abgesondertes Geschäftsvermögen; bei einer Zweimanngesellschaft hört mit der Geschäftsübernahme durch einen Gesellschafter die Sonderstellung des in der bisherigen Gesellschaft gebundenen Vermögens auf. Es bildet von da ab mit dem bisherigen Privatvermögen des Übernehmenden eine einheitliche Vermögensmasse. Die Firma ist nicht anderes als der Handelsname des Kaufmannes. Die Firma schafft keinerlei Rechtssubjekt neben und außer dem Kaufmann. Gemäß § 17 Abs. 2 HGB. kann der Einzelkaufmann auch unter seiner Firma geklagtwerden, er kann aber stets auch unter seinem bürgerlichen Namen klagen und verklagt werden.

Die Revision will aber auch aus der Qualifikation des Punktes VIII des Vertrages als Option die weitere Folgerung ziehen, daß diese Klausel ungültig sei, weil die Vereinbarung keine Zeit und keinen Zeitraum für die Optionserklärung enthalte. Es ist richtig, daß einzelne Schriftsteller in der analogen Anwendung des § 936 ABGB. auf Optionen so weit gehen wollten, daß sie auch für Optionen verlangt haben, daß der Vertrag die Zeit der Abschließung bestimmt; von anderen Schriftstellern wurde aber diese Analogie ausdrücklich abgelehnt. Der Oberste Gerichtshof hat bisher zu diesem Problem nicht Stellung genommen. Er vermag sich in diesem Punkte der Rechtsauffassung der Revision nicht anzuschließen.

Es ist herrschende Auffassung, daß ein Wiederkaufs- oder Rückverkaufsrecht als eine besondere Art einer Option anzusehen sei. Nach § 1070 ABGB. besteht nur die einzige Einschränkung darin, daß das Wiederkaufsrecht als höchst persönliches Recht weder auf den Erben noch auf Dritte übertragbar ist. Das Erfordernis einer vertraglichen zeitlichen Beschränkung fehlt, sie ist auch mit Rücksicht auf die Beschränkung des Wiederkaufsrechtes auf Lebenszeit überflüssig. Wenn ferner ein Gewerbe auf unbestimmte Zeit verpachtet wird, so wird dem Pächter häufig das Recht eingeräumt, das Gewerbe käuflich um einen im voraus bestimmten Preis, z. B. eines Vielfachen des Jahresumsatzes der letzten Pachtjahre, zu erwerben. Obwohl Verträge mit dieser Klausel allgemein als Optionsverträge qualifiziert werden (vgl. z. B. SZ. XI/153), ist die Gültigkeit dieser Klausel kaum jemals mit der Begründung bestritten worden, sie enthielte keine zeitliche Begrenzung. Die zeitliche Begrenzung liegt übrigens bereits darin, daß die Option nur so lange ausgeübt werden kann, als die Pacht dauert. Die von einem Schriftsteller vertretene Auffassung, die in § 936 ABGB. vorgesehene Jahresfrist laufe vom Ende des Zeitraumes, für den die Option eingeräumt wurde, ist daher wenig sinnvoll.

Ganz das gleiche gilt von dem in klaren Mietverträgen häufig eingeräumten Recht, das gemietete Klavier um einen im voraus bestimmten Preis unter Anrechnung einer bestimmten Anzahl von bereits gezahlten Monatsmietbeträgen zu kaufen. Auch hier fehlt üblicherweise jede Zeitbegrenzung und gilt die Jahresfrist des § 936 ABGB. nicht, weil mit der Auflösung der Miete die Option erloschen ist. Auch die in den Verträgen verschiedenster Art eingeräumten Aufgriffsrechte gehören hieher, die die Geltendmachung des Aufgriffsrechtes in das freie Belieben der Berechtigten stellen.

In Gesellschaftsverträgen ist die Einräumung derartiger Gestaltungsrechte überaus häufig, z. B. das Recht, die offene Beteiligung in eine Kommanditeinlage umwandeln zu dürfen und umgekehrt. Diese Berechtigungen sind fast niemals befristet, sie sind vielmehr für die Dauer des Vertragsverhältnisses eingeräumt, wobei es dem freien Ermessen des Berechtigten überlassen bleibt, ob und wann er von der "Option", wenn man sie als solche bezeichnen will, Gebrauch machen will. Es würde jeder kaufmännischen Gepflogenheit widersprechen, die Fristbestimmung des § 936 ABGB. hier analog anzuwenden.

§ 936 ABGB. will nur die eigentlichen Vorverträge regeln, in denen beide oder mehrere Teile sich im vorhinein zu einem Vertragsabschluß verpflichteten. Diese Bestimmungen sind auf Optionen, also einseitige Berechtigungen, wenn überhaupt, nur analog anwendbar, wie zutreffend von allen Schriftstellern, die sich mit der Option, einem Gebilde der Praxis, beschäftigt haben, hervorheben. Jede Analogie darf aber nur sinngemäß angewendet werden. Deshalb, weil die Fristbestimmungen des § 936 ABGB. für technische Vorverträge sinnvoll sind, darf man die Fristbestimmungen nicht auch auf Optionen anwenden wollen, die als Nebenbestimmung mit einem anderen Vertrag verbunden sind, wie bei in Gesellschaftsverträgen eingeräumten Aufgriffsrechten, wo sie keinem wirtschaftlichen Bedürfnis entsprechen und nur als Hemmung der vertraglichen Gestattung des Rechtsverhältnisses der Kompaziszenten empfunden werden.

Der Oberste Gerichtshof kann daher der Rechtsauffassung der Revision, die Punkt VIII des Vertrages von 1938 für unwirksam ansehen will, nicht folgen.

Es konnte daher der Revision auch in diesem Punkte nicht Folge gegeben werden.

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