OGH 1Ob137/53

OGH1Ob137/5318.2.1953

SZ 26/40

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1409
Devisengesetz §3
Devisengesetz §22
JN §1
ZPO §1
ZPO §6
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1409
Devisengesetz §3
Devisengesetz §22
JN §1
ZPO §1
ZPO §6

 

Spruch:

Zur Klage der unter öffentlicher Verwaltung stehenden Zweigniederlassung einer deutschen Bank in Österreich auf Zahlung von Darlehensannuitäten und Zinsen.

Entscheidung vom 18. Feber 1953, 1 Ob 137/53.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die klagende Partei begehrt die Zahlung rückständiger kapitalisierter Darlehenszinsen für das Jahr 1946 im eingeschränkten Betrage von S 49.162.52 samt Anhang. Die Forderungen sind auf den in Österreich gelegenen Liegenschaften der beklagten Partei einverleibt.

Die Untergerichte haben festgestellt, daß die Darlehen im Jahre 1944 von der Hauptniederlassung der Deutschen P.bank, eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung in Berlin, dem Beklagten gewährt wurden, und daß die schon vor 1944 in Österreich bestandene Zweigniederlassung der Deutschen P.bank den Schriftverkehr und den Zinsendienst bis Ende 1945 abgewickelt hat. Für die Wiener Zweigniederlassung der klagenden Partei ist ein öffentlicher Verwalter bestellt, der namens der Zweigniederlassung dem Klagevertreter Prozeßvollmacht (§ 31 ZPO.) erteilt hat. Die öffentliche Verwaltung besteht noch aufrecht. Das Darlehen samt Zinsen lautet auf Reichsmark, die Klagsforderung auf Schilling. Der Klagsbetrag von S 49.162.52 samt geltend gemachten Zinsen ist ziffernmäßig unbestritten.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung des vorgenannten Betrages: Mit der Verhängung der öffentlichen Verwaltung über die Wiener Niederlassung der Deutschen P.bank (eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung) sei ein Sondervermögen gebildet worden, welches als Rechtssubjekt ein selbständiges Dasein genieße. Die Darlehensforderungen gehören nach Ansicht des Erstgerichtes "zum Eigentum der Zweigniederlassung Wien". Da das Schwergewicht des gesamten Schuldverhältnisses auf österreichischem Boden liege, sei die Zweigniederlassung Wien zur Geltendmachung der Hypothekarzinsen berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei zum Teil Folge und verurteilte die beklagte Partei ziffernmäßig gleich dem Erstgericht - jedoch bloß zum Gerichtserlage. Es sprach die Rechtsansicht aus, daß die Forderungen aus dem Darlehen nur der Hauptniederlage der Deutschen P.bank in Berlin, jetzt Frankfurt am Main, zustehen, weil sich aus dem Inhalte der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde ergebe, daß Darlehensgeber die Deutsche P.bank (eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung) Berlin und nicht die Wiener Zweigniederlassung dieser Genossenschaft sei. Das Berufungsgericht lehnte jedoch die Rechtsansicht des Erstgerichte ab, daß die Darlehensforderungen zufolge Verhängung der öffentlichen Verwaltung über die Zweigniederlassung Eigentum dieser Zweigniederlassung geworden seien. Auch die Währungstrennung habe grundsätzlich an der Person des Forderungsberechtigten nichts geändert. Es sei daher - so meinte das Berufungsgericht - daran festzuhalten, daß die Darlehensforderungen nach wie vor der Berliner, jetzt Frankfurter Zentrale der Deutschen P.bank zustehen. Durch die Verhängung der öffentlichen Verwaltung sei zwar ein Sondervermögen in Österreich geschaffen worden, das nicht eigene Rechtspersönlichkeit genieße, wodurch aber die Zweigniederlassung in Wien berechtigt werde, die Interessen des in Österreich liegenden Vermögens zu wahren, was durch den österreichischen Vermögensverwalter geschehe. Die öffentliche Verwaltung sei daher befugt, Hypothekarzinsen im Klagswege geltend zu machen; sie übe eine ähnliche Funktion aus wie die Konkursmasse durch den Konkursmasseverwalter oder die Zwangsverwaltungsmasse durch den Zwangsverwalter. Die Beitreibung unbezahlter Hypothekarzinsen falle in den Aufgabenkreis der öffentlichen Verwaltung. Die Frage, welches Währungsrecht zur Anwendung zu kommen habe, entschied das Berufungsgericht - gleich dem Erstgericht - im Sinne der herrschenden Lehre, daß es bei einer Währungstrennung auf den Wohnsitz des Schuldners zur Zeit der Währungstrennung ankomme. Es habe jedenfalls österreichisches Währungsrecht Anwendung zu finden, denn die beklagte Partei hatte vor und bei und nach der Währungstrennung ihren Wohnsitz in Österreich. Außerdem liege der Schwerpunkt des Schuldverhältnisses in Österreich, was gleichfalls für das inländische Währungsrecht spreche. Die Forderung der Berliner Zentrale der Deutschen P.bank sei aber, so meinte das Berufungsgericht, eine ausländische Forderung, weshalb im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 3 Z. 2 und 22 Abs. 2 DevG. 1946 im Verein mit der Kundmachung Nr. 8 der Oesterreichischen Nationalbank eine Devisengenehmigung zur Klageführung notwendig gewesen sei, die im vorliegenden Falle bis zum Schluß des Verfahrens erster Instanz gefehlt habe, weshalb mit Ausnahme der Prozeßkosten (Punkt 4 der 8. Kundmachung der Oesterreichischen Nationalbank) nur zum Gerichtserlag verurteilt werden könne.

Gegen dieses Urteil haben beide Teile Revision ergriffen, jede Partei unter Anrufung der Revisionsgrunde der Z. 2 und 4 des § 503 ZPO. Die Revision der klagenden Partei strebt die Beseitigung des Gerichtserlages an, die Revision der beklagten Partei die Abweisung des Klagebegehrens im Hinblick auf die mangelnde Aktivlegitimation.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision der beklagten Parten nicht, wohl aber der der klagenden Partei Folge gegeben und hat das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach der Sach- und Rechtslage ist zuerst die Revision der beklagten Partei als das weitergehende Rechtsmittel zu behandeln. Sie ist nicht begrundet:

Sie legt das Schwergewicht auf die Rechtsfrage, die sie von den Untergerichten deshalb als verfehlt gelöst sieht, weil der Wiener Zweigniederlassung der genannten ausländischen Genossenschaftsbank das Klagerecht zuerkannt wurde. Die Rechtsmeinung der Revisionswerberin ist folgende: Im Sinne der in dieser Rechtssache bereits ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 6. Juni 1951, 1 Ob 385/51, mag es richtig sein, daß durch die Bestellung eines öffentlichen Verwalters für die klagende Zweigniederlassung oder für das inländische Vermögen ein Sondervermögen gebildet worden sei, das als Rechtssubjekt ein selbständiges Dasein genießt. Die Forderungen, die jedoch die Deutsche P.bank (eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung) in Berlin im Jahre 1944 begrundete, und alle weiteren Forderungen, die sich aus den gewährten Darlehen ergeben, seien ausländisches Vermögen der Hauptniederlassung in Berlin, jetzt Frankfurt am Main, seien niemals in den Geschäftsbereich der Wiener Zweigniederlassung gefallen, wenn diese auch den Schriftverkehr und den Zinsendienst besorgt und überwacht habe. Was nicht zum Geschäftsbereich der unter Verwaltung stehenden Sondermasse gehöre, könne daher nicht verwaltet werden, und Forderungen dieser Art könnten von der Zweigniederlassung auch nicht eingetrieben werden.

Diese Ausführungen der klagenden Partei wären allerdings dann von vornherein völlig unbegrundet, wenn die öffentliche Verwaltung unter Bestellung eines einzigen Verwalters für das gesamte inländische Vermögen der Deutschen P.bank und nicht bloß für deren Wiener Zweigniederlassung verfügt worden wäre. Denn die Forderung der ausländischen Genossenschaftsbank ist im Inlande belegen, also ein im Inland befindliches Vermögen, weil die Liegenschaften, auf denen die Forderungen der ausländischen Bank hypothekarisch sichergestellt sind, in Österreich gelegen sind und weil außerdem der Schuldner zur Zeit der Währungstrennung seinen Wohnsitz im Inlande hatte (vgl. Seidl - Hohenveldern, Internationales Konfiskations- und Enteignungsrecht 1952, S. 88 ff., Ficker, Grundfragen des Deutschen Interlokalen Rechts 1952, S. 106). Nun ist aber der Verwalter bloß für die inländische Zweigniederlassung bestellt. Daher kommt es allerdings darauf an, ob die geltend gemachte Forderung zum Geschäftsbereich dieser Zweigniederlassung gehört. Die Zweigniederlassung bildet grundsätzlich mit der Hauptniederlassung ein einheitliches Rechtssubjekt (vgl. SZ. VII/406). Zum Wesen der Zweigniederlassung gehört eine gewisse Selbständigkeit, so der selbständige Abschluß von Geschäften und auch eine gesonderte Kassen- und Buchführung. Die Zweigniederlassung bildet also eine Vermögensmasse. Träger der Rechte und Pflichten aus den von Haupt- und Zweigniederlassung abgeschlossenen Rechtsgeschäften ist wohl immer dieselbe Person. Je nachdem, ob die Rechtsgeschäfte von der Zweig- oder Hauptniederlassung abgeschlossen worden sind, gehören aber die daraus entspringenden Rechte und Verbindlichkeiten zur Vermögensmasse der Zweigniederlassung oder jener der Hauptniederlassung. Durch die Anordnung einer öffentlichen Verwaltung der Zweigniederlassung wird die Absonderung dieser Vermögensmassen noch schärfer, indem die trotz gewisser Selbständigkeit immerhin vorhandene Abhängigkeit der Zweigniederlassung von der Hauptniederlassung beseitigt, nämlich die Zweigniederlassung für die Dauer der Verwaltung der Einflußnahme seitens der Hauptniederlassung dadurch völlig entzogen wird, daß die Organe die Dispositionsfähigkeit hinsichtlich der Zweigniederlassung verlieren und der Verwalter allein zur Verwaltung undVertretung der Zweigniederlassung berechtigt ist, wenngleich durch die Verfügung der Verwaltung an den Eigentumsverhältnissen nichts geändert wird.

In Übereinstimmung mit der entsprechenden, nicht bestrittenen Behauptung der klagenden Partei im erstinstanzlichen Verfahren hat die beklagte Partei selbst in ihrer Berufung ausdrücklich ausgeführt, daß die Zweigniederlassung Wien die kontoführende Stelle gewesen sei und auch die Zinseneinhebung für die Zentrale durchgeführt habe. Demnach ist die Wiener Zweigniederlassung mit der weiteren buchhalterischen Durchführung des Darlehensgeschäftes und mit der Einhebung der von der beklagten Partei zu entrichtenden Zinsen betraut worden, es hat also jedenfalls die Einhebung der Zinsen zum Geschäftsbereich der Wiener Zweigniederlassung gehört. Daran wurde durch die Anordnung der Verwaltung nichts geändert. Im vorliegenden Falle handelt es sich nun bloß um eine Zinsenforderung. Die klagende Partei, vertreten durch den öffentlichen Verwalter, ist daher jedenfalls zur Geltendmachung dieser Zinsenforderung legitimiert.

Die Revision der klagenden Partei ist insofern im Rechte, als es im vorliegenden Falle einer Verurteilung zum Gerichtserlage nicht bedarf. Gemäß § 1 Z. 9 des Devisengesetzes gelten Niederlassungen eines ausländischen Unternehmens im Inlande und inländische Betriebe eines Ausländers ohne Rücksicht darauf, ob sie rechtlich selbständig sind oder nicht, als Inländer, also auch die klagende Partei. Diese Bestimmung kann nur so verstanden werden, daß eine Forderung, deren Geltendmachung zum Geschäftsbereiche einer inländischen Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens gehört, devisenrechtlich nicht als Forderung des ausländischen Unternehmens anzusehen ist, obwohl die inländische Zweigniederlassung, also auch die dazugehörige gesamte Vermögensmasse, dem Eigentümer des ausländischen Unternehmens gehört, es sich also auch bei den Forderungen aus dem Geschäftsbereich der inländischen Zweigniederlassung eines Ausländers an sich um solche eines Ausländers handelt. Demnach ist die geltend gemachte Forderung als solche eines Deviseninländers zu behandeln und kann daher die klagende Partei vom Beklagten schlechthin Zahlung der Zinsenforderung verlangen, ohne hiezu einer devisenbehördlichen Genehmigung zu bedürfen.

Im Hinblick auf die Entscheidung über die Revision des Beklagten erübrigt sich eine Stellungnahme zu den weiteren Ausführungen der Revision der klagenden Parte1.

Zur Frage, ob die klagende Partei mit Rücksicht darauf, daß die Forderung deutsches Eigentum ist, überhaupt Verurteilung des Beklagten begehren kann, bzw. ob die Klage etwa deshalb abzuweisen wäre, ist zu bemerken, daß es sich hier um keine Verfügung über deutsches Eigentum im Sinne des Zweiten Kontrollabkommens handelt, da ja eine deutsche Forderung von der hiezu bestimmten Stelle gegen den Schuldner geltend gemacht, nicht aber zur Leistung aus deutschem Eigentum verurteilt wird.

Allerdings hat die vorliegende Entscheidung zur Voraussetzung, daß die Verurteilung zur Zahlung auf den Verwalter so lange wirksam ist, als dieöffentliche Verwaltung besteht.

Die Klarstellung der Parteienbezeichnungen von Amts wegen durch Einfügung des öffentlichen Verwalters in den Namen der klagenden Partei geschah im Sinne der Entscheidung SZ. XXIII/7.

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