OGH 1Ob805/52

OGH1Ob805/525.11.1952

SZ 25/289

Normen

ABGB §1438
RAO §19a
StPO §389
ABGB §1438
RAO §19a
StPO §389

 

Spruch:

Das Pfandrecht des Rechtsanwaltes entsteht nur unter der Voraussetzung, daß zur Zeit des Existentwerdens der Forderung diese nicht schon infolge des früheren Bestandes einer Gegenforderung des Kostenschuldners aufgehoben ist.

Die Kostenforderung in einem Privatanklageverfahren entsteht mit der Festsetzung der Kosten dem Gründe nach. Der ziffernmäßigen Festsetzung der Kosten bedarf es zum Entstehen des Anspruches nicht.

Entscheidung vom 5. November 1952, 1 Ob 805/52.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Kreisgericht Wiener Neustadt.

Text

Die Beklagte führt beim Bezirksgericht Neunkirchen zur Hereinbringung der Prozeßkosten des Rechtsstreites des Kreisgerichtes Wiener Neustadt in der Gesamthöhe von 3427.81 S, eingeschränkt auf 2089.43 S, gegen den Kläger Gehaltsexekution. Dieser macht mit der vorliegenden Oppositionsklage geltend, daß ihm gegen die Beklagte auf Grund des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien vom 10. Feber 1949, eine Kostenforderung von 133.73 S, auf Grund des Exekutionsbewilligungsbeschlusses des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 24. März 1949, Kosten von 25.30 S und auf Grund des Strafberufungsurteiles des Kreisgerichtes Wr. Neustadt vom 14. November 1950, des Kostenbestimmungsbeschlusses des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 2. Oktober 1951 sowie der Abtretungserklärung der kostenberechtigten Anna P. weitere Kosten von 1133.36 S zustunden. Der Kläger macht die Aufrechnung seiner gesamten Kostenforderungen von 1292.39 S gegenüber der exekutiven Forderung der Beklagten in der Höhe von 2089.43 S geltend.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Die Forderung der Anna P. gegen die Beklagte aus der Strafsache sei mit Rechtskraft des Berufungsurteils vom 14. November 1950 entstanden. Sie habe diese Forderung im Dezember 1950 dem Kläger zediert, weil dieser für sie die Anwaltskosten beglichen habe. Am 30. Mai 1951 habe der Rechtsvertreter der Beklagten den Kläger verständigt, daß er sein Pfandrecht an der Kostenforderung seiner Klientin aus der Rechtssache gemäß § 19a RAO. geltend mache. Diese Verständigung habe mit Rücksicht darauf, daß die Forderungen des Klägers vorher entstanden seien, deren Aufrechnung nicht verhindern können. Die Forderungen des Klägers seien älter als die der Beklagten. Die Zulässigkeit der Aufrechnung bewirke, daß der exekutive Anspruch der Beklagten im Ausmaß der Gegenforderungen des Klägers erloschen sei.

Infolge Berufung der Beklagten, die das Urteil des Erstgerichtes hinsichtlich des Ausspruches über die klägerischen Kostenforderungen von 133.73 S und 25.30 S unangefochten ließ, änderte das Berufungsgericht dieses Urteil dahin ab, daß die Klage im übrigen abgewiesen wurde. Nach § 1439 ABGB. sei die Kompensation nur zwischen fälligen Forderungen zulässig. Maßgebend sei der Zeitpunkt, zu dem beide Forderungen einander kompensabel gegenüber gestanden seien. Für den Kläger habe die Aufrechnungsmöglichkeit daher erst am 13. Feber 1952 eintreten können, als die exekutive Forderung der Beklagten nach Ablauf der Leistungsfrist fällig geworden sei. Damals habe das Pfandrecht des Vertreters der Beklagten daran schon bestanden, weil er bereits am 30. Mai 1951 den Kläger gemäß § 19a Abs. 4 RAO. verständigt gehabt habe. Mit Rücksicht darauf könne der Kläger nicht aufrechnen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge und stellte das erstgerichtliche Urteil im abgeänderten Teile wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht beruft sich zur Stützung seiner Rechtsansicht darauf, daß nach feststehender Rechtsprechung auch künftige Forderungen bei entsprechender Konkretisierung des Schuldverhältnisses, insbesondere auch der Person des Schuldners, in erster Linie also auch bedingte Forderungen, Gegenstand der Verfügung durch Abtretung oder Verpfändung sein könnten. Die Kompensation hingegen könne erst auf den Zeitpunkt der Aufrechenbarkeit, das sei der Fälligkeit beider Forderungen, zurückbezogen werden. Das Berufungsgericht übersieht, daß nach § 19a RAO. der Rechtsanwalt dann, wenn seiner Partei Kosten zugesprochen werden, das Pfandrecht an der Kostenersatzforderung erlangt. Das Pfandrecht des Rechtsanwaltes entsteht somit nicht früher als die Kostenersatzforderung, die ihrerseits mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung existent geworden ist. Das Berufungsgericht nimmt irrig an, daß die im § 19a Abs. 4 RAO. vorgesehene Verständigung des Kostenschuldners die Wirksamkeit des gesetzlichen Pfandrechtes auf den Zeitpunkt dieser Verständigung vorverlege. Das vom Rechtsanwalt an den Kostenschuldner gestellte Verlangen, die Kosten nur an ihn zu bezahlen, hat vielmehr nur die Wirkung, daß jener für den Fall des späteren Entstehens des gesetzlichen Pfandrechtes nicht mehr wirksam an den Kostenberechtigten bezahlen kann. Ein Vergleich mit der freiwilligen Abtretung oder Verpfändung ist deshalb nicht am Platz, weil dort der Zeitpunkt der Verfügung frei gewählt werden kann, wogegen das Entstehen des gesetzlichen Pfandrechtes von Parteidispositionen unabhängig bleibt. Es spielt auch keine Rolle, daß die Fälligkeit der rechtskräftig zuerkannten Kostenforderung der Beklagten nicht sogleich mit dem Entstehen der Forderung, sondern erst nach Ablauf der Leistungsfrist (§ 409 ZPO.) eintrat. Denn eine derartige Frist ist vom Gesetz nicht im Interesse des Gläubigers, sondern dem des Kostenschuldners gewährt. Dieser ist berechtigt, sogleich zu bezahlen, mag auch die Leistungsfrist noch nicht abgelaufen sein. Er kann daher schon im Zeitpunkt des Entstehens der Kostenforderung aufrechnen. Das gleichzeitig entstehende gesetzliche Pfandrecht nach § 19a RAO. kann ihn daran nicht hindern.

Im Zeitpunkt der Erklärung des Rechtsanwaltes vom 30. Mai 1951 waren die Forderungen des Klägers schon vorhanden. Denn die Kostenersatzpflicht der Beklagten aus der Strafsache U 494/47 war vom Berufungsgericht am 14. November 1950 dem Gründe nach bereits festgestellt worden. Der ziffernmäßigen Festsetzung der Kosten bedurfte es zum Entstehen des Anspruchs nicht. Der Kostenbemessungsbeschluß des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 2. Oktober 1951 ist deshalb für die Beurteilung der Kostenforderung ohne Belang.

Das Pfandrecht des Vertreters der Beklagten an der Kostenforderung hätte nur unter der Voraussetzung entstehen können, daß zur Zeit des Existentwerdens der Forderung diese nicht schon infolge des früheren Bestandes der Gegenforderungen des Klägers untergegangen wäre. So aber waren diese Forderungen mit allen Kompensationsvoraussetzungen ausgestattet und bewirkten den Untergang der Kostenforderung der Beklagten bis zur Höhe der Gegenforderungen, noch bevor das Pfandrecht in Wirksamkeit treten konnte (E. vom 3. November 1937, SZ. XIX/296; vom 13. April 1937, RZ. S. 241; vom 29. Jänner 1935, RZ. S. 80; vom 11. November 1930, SZ. XII/217; vom 26. September 1930, JBl. 456, u. a. Der gegenteiligen Auffassung der OGH.-Entsch. vom 19. März 1937, RZ. S. 241, kann nicht gefolgt werden).

Es ergibt sich, daß die Forderungen des Klägers in der Höhe von restlich 1133.36 S die Kostenforderung der Beklagten in dieser Höhe getilgt haben, so daß die Exekution in diesem Ausmaß ebenso unzulässig ist wie hinsichtlich des Betrages von 159.03 S, über den das Erstgericht schon rechtskräftig erkannt hat.

Da der geltend gemachte Revisionsgrund vorliegt, mußte der Revision Folge gegeben werden.

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