Spruch:
Ausstellung eines Schuldscheines für bisher geleistete Bauarbeiten als konstitutives Anerkenntnis.
Beweis der Nichtschuld unter Berufung auf einen Irrtum über das anerkannte Recht nur bei Betrug möglich.
Entscheidung vom 24. Oktober 1952, 2 Ob 425/52.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Die Beklagten haben die klagende Partei mit dem Wiederaufbau ihres bombenbeschädigten Hauses beauftragt. Die Beklagten haben am 31. Dezember 1950 anerkannt, daß die Bauleistungen der klagenden Partei bis zu diesem Zeitpunkte einen Betrag von 171.254 S erreichten. Da die Beklagten ihr Versprechen, Vorschüsse zu bezahlen, nicht einhielten, wurde zwischen den Parteien über eine Deckung und Sicherstellung der bereits aufgelaufenen und anerkannten Baukosten verhandelt. Nach wiederholten, langen und eingehenden Besprechungen haben die Beklagten am 9. Feber 1951 über die bis dahin aufgelaufenen Baukosten in dem von ihnen neuerlich anerkannten Betrag von 170.000 S der klagenden Partei einen Schuldschein ausgestellt, in welchem sie bestätigen, von ihr ein Darlehen in dem erwähnten Betrag erhalten zu haben, dessen Fälligkeit bereits eingetreten ist.
Das Erstgericht hat den auf die 170.000 S s. A. lautenden, gemäß § 550 ZPO. erlassenen Zahlungsauftrag aufrechterhalten.
Das Berufungsgericht hat das erstrichterliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben.
Der Oberste Gerichtshof hat den Beschluß des Berufungsgerichtes aufgehoben und ihm eine neuerliche Entscheidung über die Berufung der Beklagten aufgetragen.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Frage, ob durch die unter den Parteien dahin vereinbarte Novation, daß das Entgelt für die Bauführung fortan als Darlehen geschuldet wurde, die Beklagten ihrer Einwendung aus dem Werkvertrag verlustig gegangen seien, kann im vorliegenden Fall unerörtert bleiben. Streitentscheidend ist, ob durch die Ausstellung des Schuldscheines ein rechtsgeschäftliches, rechtsbegrundendes, sogenanntes konstitutives Anerkenntnis erfolgte. Dies ist zu bejahen.
In dem Schuldschein vom 9. Feber 1951 bekennen die Beklagten ausdrücklich, den Betrag von 170.000 S zu schulden, versprechen eine allfällige Aufwertung, verpflichten sich zur Verzinsung dieses Betrages, verpfänden zur Sicherstellung dieser Schuld ihre Liegenschaft und anerkennen die bereits eingetretene Fälligkeit dieser Schuld. Der wesentliche Inhalt dieses Schuldscheines ist also die Anerkennung des Bestehens einer bereits fälligen Schuld im Betrage von 170.000 S zwecks Sicherstellung derselben. Diese Anerkennung enthält zunächst die ziffernmäßige Feststellung der Forderung der klagenden Partei - als notwendige Voraussetzung der von diesem Schuldschein bezweckten Deckung und Sicherung dieser Forderung. Die Beklagten nehmen in diesem Verfahren selbst den Standpunkt ein, daß sie die Schuld von 170.000 S anerkannt haben, ohne eine Abrechnung über die bisherigen Leistungen der klagenden Partei erhalten zu haben, bloß auf die Behauptung der klagenden Partei hin, daß dieser Betrag für das bisher Geleistete angemessen sei. Der Leistungsausweis, der nur die Endsumme der bisher erbrachten Bauleistungen anführt, wird vom Erstgericht zu Unrecht als Abrechnung bezeichnet. Wird dies alles erwogen, erscheint der Schluß zwingend, daß das in dem Schuldschein vom 9. Feber 1951 in solenner Form enthaltene Anerkenntnis des Bestehens einer Schuld von 170.000 S durch den Beklagten eine vertragsmäßige Feststellung dieser Schuld ist und nicht eine bloße Wissenserklärung, ein sogenanntes bloßes Rechtsgeständnis. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, daß es der Zweck der Vereinbarung zwischen den Streitteilen, die ihren Niederschlag in dem Schuldschein vom 9. Feber 1951 gefunden hat, war, eine unsichere Rechtslage - auch in Ansehung des Schuldbetrages, u. zw. zwecks dessen Sicherung - zu beenden, und daß dieser Zweck auf ein rechtsgeschäftliches Anerkenntnis schließen läßt (vgl. Ehrenzweig, Allg. Teil 1951, S. 363).
Da also eine echte, rechtsbegrundende Anerkennung, ein Feststellungsvertrag anzunehmen ist, ein "unentgeltlicher Vergleich", eine Anerkennung, die hilfsweise rechtserzeugende Wirkung hat, ist der Beweis der Nichtschuld, die Berufung auf einen Irrtum über das anerkannte Recht - abgesehen von dem Fall des Betruges - nicht möglich (vgl. Ehrenzweig a. a. O., S. 359 ff.). Aus diesem Gründe ist auf die Behauptung der Beklagten, der Betrag von 170.000 S sei für die damit vergüteten Leistungen unangemessen hoch, nicht einzugehen, da der angefochtenen Entscheidung nicht darin gefolgt werden kann, daß bei Feststellung der Unangemessenheit des Entgeltes von 170.000 S für die von der klagenden Partei bis 31. Dezember 1950 erbrachten Leistungen Unredlichkeit der klagenden Partei anzunehmen wäre. Denn in der Forderung eines unangemessen hohen Entgeltes durch einen Unternehmer liegt für sich allein noch keine Unredlichkeit, keine List, keine listige Irreführung, die den die Entgeltsforderung anerkennenden Besteller zur Anfechtung seines Anerkenntnisses berechtigen würden. Eine andere Unredlichkeit der klagenden Partei wurde aber von den Beklagten nicht behauptet, wenn sie vorbringen, die klagende Partei habe erklärt, sie habe 170.000 S in das Haus hineingebaut, sie habe dabei die Beklagten nicht "überhalten".
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)