OGH 2Ob808/52

OGH2Ob808/5224.10.1952

SZ 25/284

Normen

Entmündigungsordnung §1
Entmündigungsordnung §23
Entmündigungsordnung §26 (2)
Strafgesetz §128
Entmündigungsordnung §1
Entmündigungsordnung §23
Entmündigungsordnung §26 (2)
Strafgesetz §128

 

Spruch:

Das Vorhandensein eines Vermögens gehört nicht zu den Voraussetzungen der Entmündigung nach § 1 EntmO. Die Entmündigung eines gemeingefährlichen Geisteskranken kann zweckmäßig sein.

Entscheidung vom 24. Oktober 1952, 2 Ob 808/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Kufstein; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Eine wegen Verdacht des Verbrechens nach § 128 StG. gegen den am 29. März 1883 geborenen pensionierten Briefträger Hermann L. geführte Voruntersuchung wurde gemäß § 109 StPO. eingestellt. In diesem Strafverfahren wurden Schändungshandlungen des Hermann L. zugegeben und von Zeugen bestätigt. Laut dem in diesem Strafverfahren über den Geisteszustand des Hermann L. erstatteten psychiatrischen Gutachten leidet der Genannte an Altersschwachsinn und ist gemeingefährlich.

Die Staatsanwaltschaft hat gemäß § 26 Abs. 2 EntmO. die Entmündigung des Hermann L. wegen Geisteskrankheit beantragt.

Das Erstgericht hat diesen Antrag abgewiesen, da Hermann L. nach den übereinstimmenden Angaben der vernommenen Auskunftsperson seine Angelegenheiten bisher klaglos selbst besorgt habe, insbesondere mit seinem Einkommen gut wirtschaftete, schuldenfrei, körperlich gut gepflegt, sparsam und nüchtern sei.

Das Rekursgericht hat auf beschränkte Entmündigung erkannt.

Der Oberste Gerichtshof hat dem Revisionsrekurs des zu Entmundigenden nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem Rekursgericht ist darin beizustimmen, daß, wenn § 1 EntmO. die Entmündigung von Personen vorsieht, die wegen geistiger Gebrechen zur alleinigen gehörigen Besorgung ihrer "Angelegenheiten" unfähig sind, darunter nicht bloß "Vermögensangelegenheiten" zu verstehen sind, vielmehr zu diesen Angelegenheiten auch die Fürsorge für die eigene Person und zu dieser Fürsorge auch die Vermeidung der Gefährdung anderer gehört. Daher kann die Entmündigung auch gerechtfertigt sein, wenn der Entmundigte sein Vermögen vortrefflich verwaltet. Es ist bedeutungslos, daß § 1 EntmO. nicht wie § 2 Z. 2 EntmO. besonders hervorhebt, daß ein Geisteskranker auch wegen der Gefährdung der Sicherheit anderer entmundigt werden kann (vgl. Ehrenzweig, Familienrecht 1937, S. 335). Das Vorhandensein eines Vermögens gehört nicht zu den Voraussetzungen der Entmündigung nach § 1 EntmO. (im gleichen Sinne die bei Hellwich - Preissecker, Verfahren außer Streitsachen, 1952, in Anmerkung 2 zu § 1 EntmO. abgedruckten Erlässe). Auch das öffentliche Interesse ist zu beachten (arg. § 26 Abs. 2 EntmO.). Die Entmündigung eines gemeingefährlichen Geisteskranken ist auch zweckmäßig, da das Pflegschaftsgericht jederzeit die Unterbringung des Entmundigten in einer geschlossenen Anstalt verfügen kann (vgl. § 23 Abs. 1, 3 und 4 EntmO. und die Mitteilung im JMVBl. S. 438/16, abgedruckt bei Hellwich - Preissecker, a. a. O. S. 658).

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