OGH 3Ob658/52

OGH3Ob658/5222.10.1952

SZ 25/276

Normen

RAO §19
RAO §19

 

Spruch:

Wenn nicht eine Pauschalentlohnung verabredet wurde, hat der Rechtsanwalt seinem Klienten den Honoraranspruch in ziffernmäßig überprüfbarer Weise mitzuteilen.

Entscheidung vom 22. Oktober 1952, 3 Ob 658/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt - Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat die beklagte Partei den Kläger vom Juni bis November 1947 rechtsfreundlich in einer Wechselsache wegen 80.000 S vertreten. Von der damaligen Gegnerin des Klägers wurde ein Betrag von 15.000 S im November 1947 beim Beklagten erlegt, wovon ein Betrag von 2000 S von diesem zurückbehalten worden ist. Für die Vertretung des Klägers durch den Beklagten wurde ein Pauschalhonorar nicht vereinbart, der Kläger hat bei der Vollmachtserteilung dem Beklagten einen Kostenvorschuß von 200 S erlegt.

Das Erstgericht hat im Sinne des Klagebegehrens die beklagte Partei schuldig erkannt, der klagenden Partei über den zurückbehaltenen Barbetrag von 1958.76 S Rechnung zu legen (Punkt 1) und den sich allenfalls zugunsten der klagenden Partei ergebenden Betrag zu bezahlen (Punkt 2).

Infolge Berufung der beklagten Partei hat das Berufungsgericht das erstrichterliche Urteil im Punkt 1 mit der Maßgabe bestätigt, daß es als Teilurteil zu gelten habe und die Kostenentscheidung dem Endurteil vorbehalten bleibe. Im übrigen (Punkt 2) hat das Berufungsgericht das Ersturteil aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision des Beklagten nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

... Zum zweiten rügt die beklagte Partei in rechtlicher Beziehung, es habe das Berufungsgericht übersehen, das der Kläger schon im Jahre 1948 in detaillierter Weise Rechnung gelegt habe. Diese Behauptung der beklagten Partei verkennt den Inhalt und Zweck der Rechnungslegungspflicht.

Die Rechnungslegung besteht in der Mitteilung einer geordneten, d.

h. übersichtlichen, und die Nachprüfung ermöglichenden rechnerischen Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben. Entscheidend für die Erfüllung der Verpflichtung zur Rechnungslegung ist es, ob auf Grund der erteilten Rechnung die rechnerische Nachprüfung möglich ist. "Unter Abrechnung ist nur ein ziffernmäßig genauer Bericht zu verstehen" (GlUNF. Nr. 7062). Daß der Beklagte zur Rechnungslegung verpflichtet war, bestreitet er selbst nicht; es ergibt sich dies übrigens, ganz abgesehen von seiner Stellung als Bevollmächtigter, schon daraus, daß er fremdes Geld zu verwalten hatte, er somit fremde Angelegenheiten besorgte. Nun behauptet die beklagte Partei zwar, eine genaue ziffernmäßig belegte Aufstellung über die für den Kläger geleisteten Barauslagen diesem übersendet zu haben, hat sich aber im übrigen darauf beschränkt, eine detaillierte Aufstellung über ihre Bemühungen - die beklagte Partei behauptet, dem Kläger; dieser behauptet, der Wiener Rechtsanwaltskammer - zu übersenden. Damit hat die beklagte Partei, auch wenn sie die Note Beilage A dem Kläger selbst übersandt hat, wie die beiden Vorinstanzen durchaus zutreffend erkannt haben, ihrer Rechnungspflicht nicht genügt. Denn eine rechnerische Überprüfung dieser Aufstellung war dem Kläger nicht möglich. Daß das Maß der Entlohnung des Rechtsanwaltes tariflich geregelt ist, ändert nichts hieran. Denn es kann dem Klienten eines Rechtsanwaltes nicht zugemutet werden, das ihm ganz ungeläufige Geschäft der Berechnung des Verdienstes des Anwaltes nach dem Tarif selbst zu verrichten. Dazu kommt, daß für jene Posten, die im Tarif nicht enthalten sind, die gesetzlichen Bestimmungen über den Lohnvertrag in Anwendung zu bringen sind (§ 17 Abs. 1 Schlußsatz RAO.). Ob solche Posten im vorliegenden Fall überhaupt in Frage kommen, ist bedeutungslos. Jedenfalls geht aber aus der erwähnten Bestimmung hervor, daß es, sofern nicht von vornherein eine Pauschalentlohnung verabredet wurde, Sache des Rechtsanwaltes ist, sein Honorar in ziffernmäßig überprüfbarer Weise dem Klienten mitzuteilen. Es wäre ja ohneweiters möglich, daß selbst dann, wenn die einzelnen Posten einwandfrei dem Tarif entsprechen, ein Rechnungsfehler unterläuft, den der Klient nur mit Hilfe eines Sachkundigen auffinden könnte. Es ist jedenfalls auffällig, daß die beklagte Partei in ihrer detaillierten Aufstellung zwar alle Straßenbahnfahrten und Porti ziffernmäßig anführt, hingegen keine einzige Post ihrer Bemühungen.

Im Rahmen ihrer der Rechtsrüge gewidmeten Ausführungen macht die Revision schließlich noch geltend, das Berufungsgericht irre, wenn es annimmt, daß die bei "Lohsing zitierte Entscheidung GH. 16/10" nicht mehr gelte. Diese Auffassung widerspreche dem § 7 RAO. 1868.

Wieso die Meinung des Berufungsgerichtes dem § 7 ROA., der das von den Rechtsanwälten vor ihrer Eintragung abzulegende Gelöbnis behandelt, widerstreiten soll, ist unverständlich. Die Meinung des Berufungsgerichtes ist frei von Irrtum. Denn die - richtig zitierte - Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 14. September 1909, GlUNF. Nr. 4713, fußt auf dem Hofdekret vom 4. Oktober 1863, JGSl. Nr 2632, und auf Art. V des Einführungsgesetzes zur ZPO. Ihr ist mit der Aufhebung dieser Vorschrift der Boden entzogen worden und sie ist damit gegenstandslos geworden. Im übrigen könnte aus dieser Entscheidung nur abgeleitet werden, daß ein Anwalt, wenn er das Gericht um Bestimmung seines Honorars gegenüber dem eigenen Klienten angeht, nicht verpflichtet ist, eine detaillierte Kostenrechnung vorzulegen, und daß das Gericht eine Pauschalentlohnung - unter Umständen allerdings zum Nachteil des Anwaltes, der die Vorlage seines Expensars verweigert - zusprechen kann. Für die Auffassung, daß ein rechnungspflichtiger Anwalt seiner Partei eine ziffernmäßig überprüfbare Rechnung nicht zu legen brauche, ließe sich aus dieser Entscheidung aber nicht gewinnen.

Aus diesen Erwägungen mußte der Revision der Erfolg versagt werden, ohne daß der Oberste Gerichtshof, da derzeit nur die Verpflichtung zur Rechnungslegung zu beurteilen war, auf die Frage einzugehen brauchte, welcher Rechtsanwaltstarif im vorliegenden Fall zur Anwendung kommt und ob hiefür die Aufhebung des Art. III Abs. 2 der Verordnung des Justizministeriums, BGBl. Nr. 259/1947, durch den Verfassungsgerichtshof (BGBl. Nr. 82/1952) von Bedeutung ist.

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