Spruch:
Da der Beschädiger verpflichtet ist, sofort die Schadensgutmachung durchzuführen oder anzubieten, treffen ihn bei Unterlassung dieser Pflicht alle Mehrauslagen, die durch ein mittlerweiliges Steigen der Reparaturkosten hervorgerufen werden.
Entscheidung vom 22. Oktober 1952, 2 Ob 738/52.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Der Kläger hat wegen eines am 15. September 1944 erlittenen Verkehrsunfalles, für den ihm von der Versicherungsanstalt des Erstbeklagten (Halters) 15.000 S ausbezahlt worden waren, noch weitere 10.953.17 S als Schadenersatz begehrt. Der Schadenersatzanspruch ist bereits dem Gründe nach als zur Gänze zu Recht bestehend erkannt worden.
Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht sprach dem Kläger einen Betrag von 671 S zu.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte das nur von dem Beklagten bekämpfte Urteil des Berufungsgerichtes.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach den vom Berufungsgericht übernommenen und für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Prozeßgerichtes haben die Kosten der durch den Unfall bedingten Reparaturen an dem Lastkraftwagen und Anhänger des Klägers, welche Arbeiten in den Jahren 1945 bis 1947 durchgeführt worden sind, insgesamt 10.671 S betragen. Auf Grund einer zwischen dem Kläger und der Versicherungsanstalt getroffenen Vereinbarung sind von der Versicherungssumme 5000 S auf die Vergütung anderer Schäden entfallen, während die restlichen 10.000 S für die Behebung der Schäden an dem Kraftwagen und Anhänger bezahlt worden sind. Das Prozeßgericht hat aber weiters festgestellt, daß der Kraftwagen des Klägers total beschädigt worden ist und daß sein Wert vor der Beschädigung den Betrag von 10.000 S (RM) bei weitem nicht erreicht hat; es hat daher das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, daß der Kläger durch die ihm von der Versicherungsanstalt zugekommene Zahlung vollkommen schadlos gehalten worden sei. Das Berufungsgericht hat mit Rücksicht darauf, daß die Versicherungsanstalt dem Kläger die erste Teilzahlung in der Höhe von 5250 S am 31. März 1947 geleistet und den Rest von 9750 S erst am 20. April 1948 gezahlt hat, die Rechtsansicht vertreten, daß diesen Zahlungen nicht der Wert des Wagens im Zeitpunkt der Beschädigung gegenüberzustellen sei, sondern der Wert, den der unbeschädigte Wagen im Zeitpunkt der Restzahlung (April 1948) gehabt hätte; da das Prozeßgericht den Wert des Wagens im September 1944 mit 5000 RM angenommen hat, stellte das Berufungsgericht mit dem Hinweis auf die seither eingetretene Währungsverschlechterung im allgemeinen und auf den Lebenshaltungskostenindex im besonderen fest, daß der Wert des Wagens im April 1948 auf mehr als das Doppelte gestiegen ist und damals mindestens 10.671 S betragen hat; aus diesen Erwägungen verurteilte es die Beklagten solidarisch zum Ersatz des durch die Zahlung der Versicherungsanstalt nicht gedeckten Schadens von 671 S. Nach der Ansicht des Revisionsgerichtes kann es im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die von den Revisionswerbern in erster Linie bekämpfte Heranziehung des Judikates 15 (neu) durch das Berufungsgericht gerechtfertigt war und ob der Lebenshaltungskostenindex eine geeignete Grundlage für die Ermittlung der Wertveränderungen von Kraftwagen bilden konnte. Entscheidend ist, daß die Beklagten, die zur sofortigen Schadloshaltung des Klägers nach dem Unfall verpflichtet gewesen sind, die Behebung der Schäden dem Kläger überlassen haben. Ein Verschulden des Klägers daran, daß die Reparaturen nicht sogleich nach dem Unfall durchgeführt worden sind, ist ebensowenig festgestellt, als daß es dem Kläger möglich gewesen wäre, sich damals einen gleichwertigen Kraftwagen zu beschaffen. Der von Lehre und Rechtsprechung anerkannte Grundsatz, daß der Beschädiger höchstens den Wert zu ersetzen habe, den die Sache vor der Beschädigung gehabt habe, kann nur in wirtschaftlich normalen Zeiten uneingeschränkte Anwendung finden, muß jedoch bei außerordentlichen Verhältnissen, wie z. B. während eines Krieges, wenn die allgemeine Wirtschaftslage gespannt und der Güterverkehr gehemmt ist, praktisch wirkungslos bleiben, weil dem Geschädigten mit einem Geldbetrag nicht gedient ist, den er nicht entsprechend zu verwerten imstande ist. Nach § 1323 ABGB. obliegt es dem Schadenersatzpflichtigen in erster Linie, den vorigen Zustand wiederherzustellen, d. h. den Beklagten so zu stellen, wie er ohne die Beschädigung gestellt gewesen wäre. Aus der gesetzlichen Bestimmung, daß der Schadenersatzpflichtige grundsätzlich Naturalersatz zu leisten habe, folgt, daß er das aufwenden muß, was erforderlich ist, damit sich der Geschädigte in der gleichen Vermögenslage wie früher befindet. Da die Beklagten nicht einmal behauptet haben, daß sie selbst Sachleistungen für den Kläger erbracht oder diesem auch nur angeboten haben, trifft sie die Haftung für den Ersatz sämtlicher Auslagen, die er für die Instandsetzung seines Kraftwagens zu bestreiten hatte, und können sie daraus, daß sich diese Arbeiten über einen längeren Zeitraum erstreckt haben und daß in der Zwischenzeit die Reparaturkosten erheblich gestiegen sind, einen Anspruch auf Schadensteilung nicht ableiten, dies um so weniger, als, wie bereits hervorgehoben worden ist, nicht festgestellt ist, daß der Kläger die Beseitigung der Schäden schuldhaft verzögert hätte.
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