OGH 1Ob822/52

OGH1Ob822/5215.10.1952

SZ 25/260

Normen

ABGB §1431
ABGB §1431

 

Spruch:

Die Kondiktion ist in erster Linie auf Wiederherstellung des früheren Zustandes in Natur gerichtet; der Empfänger hat die unbegrundet erlangte Sache zurückzugeben; dies gilt auch für Gattungssachen, sofern sie unterscheidbar im Machtbereich des Empfängers vorhanden sind.

Entscheidung vom 15. Oktober 1952, 1 Ob 822/52.

I. Instanz: Kreisgericht Korneuburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Gemäß dem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft H. vom 17. September 1945, Zl. XII-218/45, an Franz (richtig Josef) S., Wirtschaftsbesitzer in Z., fand sich die Bezirkshauptmannschaft bestimmt, den Genannten "im Sinne des Gesetzes vom 10. Mai 1945, StGBl. Nr. 9, über die Bestellung von öffentlichen Verwaltern und öffentlichen Aufsichtspersonen vorbehaltlich der Genehmigung des zuständigen Staatsamtes vorläufig als öffentlichen Verwalter für den Weinkellereibetrieb des Johann F., Gastwirt und Wirtschaftsbesitzer in Z. Nr. 122, unter Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs zu bestellen". Das Schreiben enthält dann noch Belehrungen und Anweisungen an den Adressaten. Die Verwalterbestellung ist durch das Staatsamt (später Bundesministerium für Vermögenssicherung) nicht genehmigt worden. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft H. vom 4. Juni 1951, XII-723/32, wurde gemäß § 68 Abs. 2 AVG. "der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft H. vom 17. September 1945, Zl. XII- 218/45, aus dem niemand ein Recht erwachsen ist, aufgehoben". In der Begründung ist ausgeführt, daß auf Grund der durchgeführten Ermittlungen sowie der eigenen Angaben des zum öffentlichen Verwalter bestellten S. über den Weinkellereibetrieb des Johann F. de facto nie eine öffentliche Verwaltung bestanden hat.

Der Kläger verlangt nun mit seiner Klage, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihm 7332 Stück neue Weinflaschen mit je 0.7 Liter Inhalt in einwandfreiem Zustand an seiner (des Klägers) Geschäftsniederlassung zu übergeben. Nach einem telephonischen Anruf der Bezirkshauptmannschaft habe S. im Frühjahr 1946 an den Beklagten aus dem Flaschenlager des Klägers 7332 Weinflaschen gegen einen Preis von 20 g je Stück ausgefolgt. Da S. nie ordnungsgemäß zum Verwalter bestellt worden sei, habe der Beklagte die Flaschen ohne jeden gültigen Rechtstitel erworben und sei zur Rückstellung verpflichtet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß der Beklagte 2300 Flaschen vom Lager des Klägers weggeführt habe, weitere Flaschen habe ein gewisser E. weggeführt. Ob E. namens des Beklagten aufgetreten oder ob er von S. nur durch ein Mißverständnis für den Machthaber des Beklagten gehalten worden sei, müsse offen bleiben. Die vom Beklagten weggeführten Flaschen habe dieser in seinem Kellereibetrieb längst verarbeitet, gefüllt und weiterverkauft, sodaß er nichts mehr von diesem Kauf besitze. In rechtlicher Beziehung hielt das Erstgericht den Bescheid auf Bestellung des Verwalters nicht für einen absolut nichtigen Verwaltungsakt. Der Beklagte sei gutgläubig gewesen. Ein Schadenersatzanspruch stehe dem Kläger nicht zu. Er habe insbesondere auch für die von E. weggeführten Flaschen nicht aufzukommen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung in der Hauptsache nicht Folge, wobei es aussprach, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige. Als Eigentumsklage müsse das Begehren des Klägers erfolglos bleiben, weil er nicht die Herausgabe seiner Flaschen verlange. Es sei im übrigen festgestellt, daß der Beklagte nicht mehr Besitzer der Flaschen sei. In seiner Berufung stütze sich der Kläger zum erstenmal auf eine angeblich ungerechtfertigte Bereicherung des Beklagten. Wenn aber der Vertrag zwischen S. und dem Beklagten nichtig und daher die Eigentumsklage gerechtfertigt sei, so könne der Klagsanspruch sich nicht auf Bereicherung stützen und der Kläger auch nicht Aufhebung des Vertrages gemäß § 934 ABGB. verlangen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In rechtlicher Beziehung ist der Revision zuzugeben, daß das eingangs mitgeteilte Schreiben der Bezirkshauptmannschaft nicht ausreicht, um den Verkauf der Flaschen durch Josef S. an den Beklagten als für den Kläger rechtswirksam anzusehen. Nach dem Wortlaut des Schreibens selbst wird Josef S. nur "vorbehaltlich der Genehmigung des zuständigen Staatsamtes vorläufig als öffentlicher Verwalter" bestellt. Schon dieser Wortlaut ergibt, daß mangels einer nachfolgenden Genehmigung des Staatsamtes die Verwalterbestellung nie rechtswirksam geworden ist. Dem entspricht auch der Umstand, daß die Bestellung schließlich gemäß § 68 AVG. aufgehoben wurde, weil aus der Bestellung niemandem ein Recht erwachsen ist und weil die öffentliche Verwaltung de facto nie bestanden hat.

Dennoch muß das Klagebegehren erfolglos bleiben.

Die Möglichkeit, die Flaschen mit der Eigentumsklage zurückzuverlangen, scheitert daran, daß der Beklagte die Flaschen festgestelltermaßen nicht mehr in seiner Gewahrsame hat (§ 369 ABGB.). Was die Revision in dieser Beziehung ausführt, geht fehl. Mit der Eigentumsklage können - auch wenn es sich um vertretbare Sachen handelt - nur bestimmte Sachen, nämlich die dem Kläger gehörigen Sachen herausverlangt werden. Die von der Revision in diesem Zusammenhang bezogene Rechtsprechung (SZ. IV/95, 122) bezieht sich auf ein ganz anderes Rechtsproblem, nämlich auf die Frage des Naturalersatzes im Schadenersatzrecht (§ 1323 ABGB.). Schadenersatzansprüche macht aber der Kläger, wie er in der Berufung ausdrücklich erklärt hat, nicht geltend.

Auch die Beurteilung des Rechtsfalles unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung kann deswegen, weil die Weinflaschen nicht mehr beim Beklagten vorhanden sind, der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Die Kondiktion ist in erster Linie auf Wiederherstellung des vorigen Zustandes in Natur gerichtet. Der Empfänger hat die unbegrundet erlangte Sache zurückzugeben. Dies gilt auch für Gattungssachen, aber nur so lange, als sie unterscheidbar im Machtbereich des Empfängers vorhanden sind (Wilburg in Klang Kommentar, 2. Aufl., zu §§ 1431 - 1437 ABGB., S. 476), keinesfalls jedoch mehr, wenn sie der Empfänger, wie hier, veräußert hat. Tritt die Wiederherstellung in Natur nicht ein, dann hat der Empfänger den erlangten Vorteil durch ein angemessenes Entgelt, das in einer Geldsumme besteht, zu vergüten. Im vorliegenden Fall wird jedoch nicht Geld, sondern die Übergabe von Flaschen verlangt. Hiefür kann aber aus den §§ 1431 ff. ABGB. ein Rechtsgrund nicht abgeleitet werden.

Eine erfolgreiche Berufung auf § 934 ABGB. ist schon durch die gleiche Erwägung ausgeschlossen.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

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