OGH 2Ob127/52

OGH2Ob127/5223.7.1952

SZ 25/208

Normen

ABGB §1295 (1)
Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen §7 (1)
ABGB §1295 (1)
Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen §7 (1)

 

Spruch:

Der Eigentümer ist von der Halterhaftung seines Kraftfahrzeuges befreit, wenn der Werkstätteninhaber, dem das Kraftfahrzeug zur Reparatur übergeben wurde, eine Fahrt unternimmt, die nicht als Instandsetzungsfahrt anzusehen ist.

Entscheidung vom 23. Juli 1952, 2 Ob 127/52.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Zweitbeklagte stellte bei einer Überlandfahrt fest, daß die Vorderräder des ihm gehörigen Lastkraftwagens bei einer Geschwindigkeit von 50 bis 55 Stundenkilometern flatterten, und übergab am 7. November 1949 dem Erstbeklagten das Fahrzeug zur Instandsetzung, wobei er den Zundschlüssel am Wagen beließ, die Wagenpapiere jedoch bei sich behielt. Über die Vornahme einer Probefahrt wurde bei der Auftragerteilung nicht gesprochen. Der Erstbeklagte führte die Instandsetzung durch und fuhr am Abend desselben Tages mit dem Lastkraftwagen in Begleitung eines Bekannten von seiner Werkstätte im Y. Bezirk in Wien zur Börse, wo er einen anderen Bekannten treffen wollte. Nach dem Besuch mehrerer Weinstuben fuhr er mit dem Lastkraftwagen stadtauswärts und stieß mit dem der klagenden Partei gehörigen, vor dem Hause, ... Straße Nr. 7, abgestellten Personenkraftwagen zusammen. Der Personenkraftwagen war zwar unbeleuchtet, doch war die Stelle, an der er aufgestellt war, sowohl durch die Straßenbeleuchtung als auch durch ein Lichtspieltheater erhellt. Die klagende Partei begehrte von beiden Beklagten den Ersatz des Schadens.

Das Erstgericht verurteilte sowohl den Erstbeklagten als auch den Zweitbeklagten im Sinne des Klagebegehrens. Das Urteil gegen den Erstbeklagten erwuchs in Rechtskraft.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren gegen den Zweitbeklagten ab.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte das Urteil des Berufungsgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Zweitbeklagte wird als Halter des Kraftfahrzeuges in Anspruch genommen. Die Motive zum Deutschen Kraftfahrzeuggesetz, S. 1408, Nr. 12, führen aus, daß als solcher anzusehen sei, wer das Kraftfahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch habe. Nicht als Halter des Kraftfahrzeuges habe derjenige zu gelten, dem lediglich die Benutzung des Fahrzeuges überlassen werde, während der Überlassende nach wie vor die Kosten trage. Lehre und Rechtsprechung im Deutschen Reich haben den Begriff des Halters dahin aufgefaßt, daß als Halter derjenige anzusehen sei, der das Kraftfahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt darüber besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt. Der Begriff des Halters deckt sich daher mit dem des Betriebsunternehmers des früheren österreichischen Rechts, der denjenigen bezeichnete, der den Betrieb für eigene Rechnung und Gefahr hat. Nach der ständigen Rechtsprechung zum Automobilhaftpflichtgesetz ist Halter insbesondere der Inhaber einer Reparaturunternehmung für alle ihm zur Reparatur übergebenen Kraftfahrzeuge bei Probefahrten und sonstigen Fahrten bis zur Rückstellung an den Halter (Entsch. vom 7. Juli 1915, GlUNF. Nr. 7230 vom 2. Feber 1932, ZBl. 1932, Nr. 143, Jahrbuch 5, 667 u. a.). Aber selbst wenn mit Rücksicht auf die Änderung des Gesetzeswortlautes der Inhaber einer Reparaturunternehmung nicht in diesem weiteren Umfange als Halter anzusehen wäre, so hört der Eigentümer jedenfalls dann auf, Halter zu sein, wenn der Werkstattinhaber eine Fahrt unternimmt, die nicht als Instandsetzungsfahrt anzusehen ist, die aber nicht zur Prüfung der Gebrauchsfähigkeit unternommen wird. Da der Erstbeklagte bei der Fahrt in die Innere Stadt das Flattern der Räder gar nicht ausprobieren konnte und er eine Spazierfahrt für seine eigenen Zwecke vorgenommen hat, erfolgte diese Fahrt nicht zur Prüfung der Gebrauchsfähigkeit und somit auf die eigene Rechnung des Erstbeklagten, der nicht berechtigt war, den Ersatz der Kosten der Fahrt von dem Zweitbeklagten zu begehren. Die Verwendung des Lastkraftwagens erfolgte auf Gefahr des Erstbeklagten.

Wenn aber der Zweitbeklagte nicht als Halter des Lastkraftwagens im Zeitpunkte der Schadenszufügung anzusehen war, so fehlt es an der Voraussetzung für seine Haftung nach § 7 Abs. 1 Kraftverkehrsgesetz.

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