OGH 2Ob534/52

OGH2Ob534/5211.7.1952

SZ 25/199

Normen

ABGB §905 (2)
ABGB §905 (2)

 

Spruch:

Einzahlung eines geschuldeten Geldbetrages per Postanweisung am letzten Tage der Frist.

Entscheidung vom 11. Juli 1952, 2 Ob 534/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Mödling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Verpflichtete schuldete der betreibenden Partei den Betrag von 1000 S, zahlbar in am 15. eines jeden Monates fälligen Raten von je 100 S bei Terminverlust. Die erste Rate, die von der Verpflichteten am 15. September 1951 beim Postamt M. zur Einzahlung gebracht wurde, ging erst am 19. September 1951 der betreibenden Partei zu. Da diese inzwischen unter Geltendmachung des Terminverlustes Exekution auf den ganzen Betrag geführt hatte, beantragte die Verpflichtete die Einstellung gemäß § 40 EO.

Das Erstgericht wies den Antrag ab.

Das Rekursgericht gab ihm statt.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte den Beschluß des Rekursgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Rechtsausführungen des Revisionsrekurses verkennen die entscheidende Rechtsfrage, die nicht darin zu erblicken ist, ob die Übergabe des Geldbetrages an die Post bereits als Übermachung der Geldzahlung an den Gläubiger im Sinne des § 905 Abs. 2 ABGB. zu gelten hat, sondern darin, ob durch Einzahlung der ersten Rate von 100 S am Fälligkeitstage beim Postamt M. mittels Postanweisung die Verpflichtete im Hinblick darauf in Verzug geraten ist, daß der Betrag bei der betreibenden Partei erst am 19. September 1951 eingegangen ist. Die modernen Formen des Zahlungsverkehrs bringen es mit sich, daß Schulden, wenn sie nicht zweckmäßig durch bargeldlosen Zahlungsverkehr im Wege des Clearing oder wenigstens durch Einzahlung auf ein Bank- oder Postsparkassenscheckkonto des Gläubigers erfolgen, in welchem Fall die Bank oder Postsparkasse als Zahlungsstelle des Gläubigers fungiert, im Wege des Geldbriefes oder Postanweisungsverkehrs oder der Postsparkassenzahlungsanweisungen oder Postzahlungsanweisungen getilgt werden. Wenn der Gläubiger nicht bestimmte Zahlungsformen ausdrücklich vorgeschrieben hat (§ 429 ABGB.), kann der Schuldner jede dieser verkehrsüblichen Zahlungs- und Übersendungsarten wählen und muß angenommen werden, daß der Gläubiger damit einverstanden ist. Die Übermachung der Geldschuld an den Gläubiger gilt allerdings erst dann als bewirkt, wenn die Postanstalt den ihr durch Postanweisung oder Postsparkassenzahlungsanweisung übergebenen Betrag dem Gläubiger auszahlt. Unabhängig davon ist jedoch die Frage, zu beurteilen, ob der Schuldner, wenn er beispielsweise die verkehrsübliche Zahlungs- und Übersendungsart des Postanweisungsverkehrs gewählt hat, durch Einzahlung des Betrages beim Postamt am Fälligkeitstag von allen vertraglichen oder gesetzlichen Verzugsfolgen befreit wird. Diese Frage wurde vom Obersten Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 3. Dezember 1913, GlUNF. 6668, SprR. 228, sowie in wiederholten, später ergangenen Entscheidungen (SZ. XII/229; SZ. XIV/206 u. a. m.) ausdrücklich bejaht. Geldzahlungen sind nach § 905 ABGB. vom Schuldner auf seine Gefahr und Kosten dem Gläubiger zu übermachen. Dadurch werden sie jedoch nicht zu Bring-, sondern zu Schickschulden. Am gesetzlichen Erfüllungsorte (Wohnsitz oder Niederlassung des Schuldners) ändert sich dadurch nichts. Es genügt daher, wenn der Schuldner innerhalb der Zahlungsfrist an seinem Wohnorte (Niederlassung), indem er von einer der verkehrsüblichen Zahlungs- und Übersendungsarten Gebrauch machte, eine Handlung setzt, welche in ihrer Wirkung zur Befriedigung des Gläubigers und speziell bei einer Geldforderung dazu führen muß, daß der geschuldete Geldbetrag in die Hand des Gläubigers gelangt. Damit hat der Schuldner die Zahlungshandlung bereits begonnen und die Tilgung seiner Verbindlichkeit hängt nur mehr von der Bedingung ab, ob der Betrag tatsächlich in die Hand seines Gläubigers gelangt ist oder nicht, da der Schuldner das Risiko der von ihm gewählten Zahlungsart zu tragen hat. Mit Übergabe des Geldbetrages an das Postamt trägt sohin der Schuldner nur mehr die Gefahr des Verlustes, nicht aber der Verspätung der Geldübersendung. Da die am Fälligkeitstag mittels Postanweisung beim Postamt M. zur Einzahlung gebrachte Rate von 100 S der betreibenden Partei am 19. September 1951 tatsächlich zugegangen ist, erscheint auch die Bedingung der tatsächlichen Übermachung des Geldbetrages an den Gläubiger erfüllt. Der Ansicht des Rekursgerichtes, wonach die Verpflichtete nicht in Verzug geraten und somit auch der vereinbarte Terminverlust nicht eingetreten ist, haftet daher kein Rechtsirrtum an.

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