Spruch:
Bei Vorliegen eines mündlichen Testamentes ist das Gericht nicht verpflichtet, die voraussichtlichen gesetzlichen Erben zu verständigen oder zur Abgabe einer Erbserklärung aufzufordern.
Entscheidung vom 2. Juli 1952, 3 Ob 428/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.
Text
Der Nachlaß nach der am 11. Oktober 1951 verstorbenen Barbara L. wurde mit Beschluß vom 7. Dezember 1951 der Testamentserbin Anna S. eingeantwortet; der Beschluß wurde von einem Fachbeamten mit erweitertem Wirkungskreis erlassen, obwohl nach dem eidesstättigen Vermögensbekenntnis der Nachlaß ohne Abzug der Schulden 24.000 S betrug.
Der Vorstellung der gesetzlichen Erben gegen diesen Beschluß gab der Abhandlungsrichter Folge und hob den Beschluß samt Einantwortungsurkunde als nichtig auf, weil nach § 11 lit. d der Verordnung vom 13. September 1950, BGBl. Nr. 184, der Beamte mit erweitertem Wirkungskreis Geschäfte der Verlassenschaftsabhandlung nur durchführen kann, wenn der Nachlaß ohne Abzug der Schulden den Betrag von 20.000 S nicht übersteigt.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß.
Der Oberste Gerichtshof gab dem außerordentlichen Revisionsrekurs der Testamentserbin Folge und wies die Vorstellung, bzw. den Rekurs der gesetzlichen Erben gegen den Einantwortungsbeschluß zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes von der Testamentserbin erhobene außerordentliche Revisionsrekurs macht als Beschwerdegrunde Nichtigkeit und offenbare Gesetzwidrigkeit geltend und führt diese Beschwerdegrunde dahin aus, daß der Einantwortungsbeschluß vor Erhebung des Rekurses durch die gesetzlichen Erben bereits in Rechtskraft erwachsen und vor Rechtskraft des Beschlusses keine andere als die Erbserklärung der Revisionsrekurswerberin vorgelegen sei; nach Schluß der Verlassenschaftsabhandlung sei eine Erbserklärung nicht mehr zulässig, allfällige Erbsinteressenten seien auf den Rechtsweg zu verweisen. Die gesetzlichen Erben seien zur Stellung eines Antrages oder Rekurses daher nicht legitimiert, auch eine amtswegige Aufhebung eines rechtskräftigen Beschlusses sei nicht möglich.
Gemäß § 56a Abs. 1 lit. c Abs. 3 und 4 des GOG. in der Fassung des Bundesgesetzes vom 5. Juli 1950, BGBl. Nr. 182, können Geschäfte des außerstreitigen Verfahrens auf Gerichtsbeamte zu selbständigen und selbstverantwortlichen Erledigung übertragen werden; die Amtshandlungen im erweiterten Wirkungskreis sind Amtshandlungen des Gerichtes und können wie Beschlüsse des Richters angefochten werden. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, daß Beschlüsse, die ein Fachbeamter mit erweitertem Wirkungskreis gefaßt und erlassen hat, rechtswirksam sind und nicht als von einem Unbefugten, wie etwa einem Rechtspraktikanten, erlassene Entscheidungen überhaupt der Rechtswirksamkeit entbehren. Allerdings ist der erweiterte Wirkungskreis des Fachbeamten durch die Verordnung des Bundesministeriums für Justiz vom 13. September 1950, BGBl. Nr. 184, eingeschränkt; gemäß § 11 lit. d dieser Verordnung umfaßt der erweiterte Wirkungskreis die Geschäfte der Verlassenschaftsabhandlung nur insoweit, als der Nachlaß ohne Abzug der Schulden den Betrag von 20.000 S nicht übersteigt. Da im vorliegenden Falle der Wert des Nachlasses ohne Abzug der Schulden 24.000 S beträgt, war der Fachbeamte zur Erledigung der Verlassenschaftsabhandlung und zur Fassung des Einantwortungsbeschlusses nicht zuständig, und es war daher der Einantwortungsbeschluß nichtig. Allein der Einantwortungsbeschluß ist entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes formell in Rechtskraft erwachsen. Wenn es auch richtig ist, daß nach § 66 AußstrG. eine Partei gemäß § 586 ABGB. die eidliche Vernehmung der bei der Errichtung eines mündlichen Testamentes zugezogenen Zeugen im Verlassenschaftsverfahren verlangen kann und der Abhandlungsrichter in diesem Falle die Zeugen zu vernehmen und zu beeidigen hat, so ergibt sich doch aus dieser Bestimmung weder die Verpflichtung des Gerichtes, im Falle des Vorliegens eines mündlichen Testamentes alle voraussichtlichen gesetzlichen Erben zu verständigen und zur Antragstellung aufzufordern, noch die Berechtigung der gesetzlichen Erben, eine Zustellung des Einantwortungsbeschlusses zu begehren oder nach eingetretener formeller Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses diesen anzufechten, wenn sie sich vor Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses an dem Verlassenschaftsverfahren nicht beteiligt haben. Gemäß § 75 AußstrG. hat das Abhandlungsgericht im Falle einer testamentarischen Erbfolge lediglich die Testamentserben zu verständigen und zur Abgabe der Erbserklärung aufzufordern. Hingegen findet sich im Außerstreitgesetz keine Bestimmung, wonach im Falle des Vorliegens eines mündlichen Testamentes der Einantwortungsbeschluß und die Einantwortungsurkunde auch den gesetzlichen Erben, die sich an dem Verlassenschaftsverfahren nicht beteiligt haben, zuzustellen sind. Vor Erlassung des Einantwortungsbeschlusses und innerhalb der Rechtsmittelfrist gegen diesen Beschluß hat keiner der gesetzlichen Erben eine Erbserklärung abgegeben oder erklärt, sich an dem Verlassenschaftsverfahren zu beteiligen. Lediglich Lambert M. hat in einer an den Magistrat der Stadt Klagenfurt gerichteten Eingabe um Mitteilung ersucht, ob die Erblasserin ein Testament hinterlassen habe, und gebeten, ihn jedenfalls in der Todfallsaufnahme anzuführen. Eine Erklärung, sich an dem Verlassenschaftsverfahren zu beteiligen oder eine Erbserklärung abzugeben, hat auch dieser nicht abgegeben. Der Einantwortungsbeschluß ist daher formell in Rechtskraft erwachsen. Das Abhandlungsgericht hat sich aber mit seinem Beschluß über diese Rechtskraft hinweggesetzt, worin eine Nullität im Sinne des § 16 AußstrG. gelegen ist; an der gleichen Nullität leidet auch der den Beschluß des Abhandlungsgerichtes bestätigende Beschluß des Rekursgerichtes. Es war daher, da der Einantwortungsbeschluß in Rechtskraft erwachsen und seine Anfechtung nicht mehr zulässig ist, dem außerordentlichen Revisionsrekurs Folge zu geben und wie im Spruch zu erkennen.
Den gesetzlichen Erben bleibt es unbenommen, ihre vermeintlichen Rechte im Wege einer Erbschaftsklage nach § 823 ABGB. geltend zu machen. Die Einbringung einer Klage wäre übrigens den gesetzlichen Erben auch dann kaum erspart geblieben, wenn sie ihre Vorstellung rechtzeitig erhoben hätten, da gemäß § 594 ABGB. nur der Gatte, die Eltern, Kinder, Geschwister und die im gleichen Grade verschwägerten Personen und die besoldeten Hausgenossen des Erben, nicht aber die des Erblassers und auch nicht entferntere Verwandte des Testamentserben, so ein Onkel, als Zeugen der letztwilligen Anordnung ausgeschlossen sind.
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