OGH 2Ob500/52

OGH2Ob500/522.7.1952

SZ 25/187

 

 

Spruch:

Zum Anspruch eines leitenden Angestellten auf Remuneration.

Entscheidung vom 2. Juli 1952, 2 Ob 500, 501/52.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

 

Begründung:

Der Beklagte, gegen den seine ehemalige Dienstgeberin eine Reihe von Forderungen geltend gemacht hatte, wendete u. a. aufrechnungsweise eine Gegenforderung in der Höhe von 29.166.67 S mit der Behauptung ein, daß ihm die Klägerin für das Jahr 1945 einen Betrag von 25.000 S und für die beiden ersten Monate des Jahres 1946 den aliquoten Betrag von 4166.67 S an Remuneration schuldig sei.

Das Prozeßgericht erkannte die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend.

Das Berufungsgericht bestätigte diesen Ausspruch.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Das Erstgericht hat festgestellt, daß Beklagter in den Jahren 1939 10.000 RM, 1940 15.000 RM und 1941 bis 1943 je 25.000 RM Remuneration vom Aufsichtsrat bewilligt erhielt, für das Jahr 1944 aber denselben Betrag vom Personalausschuß, während ihm für das Jahr 1945 keine Remuneration zugebilligt worden ist. Sein Remunerationsanspruch ist in Punkt 6 seines Vertrages, Beilage N, begrundet, der ihm eine solche zusichert und vorsieht, ihre Höhe würde "angemessen" vom Aufsichtsrat bestimmt. Das Erstgericht hat nun auf Grund der Zeugenaussage Dr. P.s als erwiesen angenommen, daß der Personalausschuß, bestehend aus Dr. P. und Dr. F., nach Abschluß des ersten Jahres beschloß, dem Beklagten von nun ab eine Remuneration in fixer Höhe ohne Rücksicht auf den Reingewinn auszuzahlen, ein Beschluß, über den wohl keine schriftlichen Unterlagen vorliegen, den Dr. P. aber dem Beklagten mitgeteilt hat. Das Erstgericht lehnt jedoch die von Dr. P. und ebenso vom Sachverständigen F. in seinem Gutachten vertretene Ansicht ab, die Remuneration sei dadurch zu einem Bestandteil des festen Gehaltes des Beklagten geworden, weil eine solche Gehaltsänderung der Zustimmung des Treuhänders der Arbeit im Hinblick auf den damals geltenden Lohnstopp bedurft hätte. Eine solche Zustimmung sei aber nicht eingeholt worden und es konnte darum auch eine Gehaltserhöhung weder vom Aufsichtsrat noch vom Personalausschuß wirksam beschlossen werden. Die Remuneration behalte darum ihren ursprünglichen Charakter und sei vertragsgemäß vom Aufsichtsrat festzustellen. Dieser habe aber im Jahr 1946 (rückwirkend für 1945) eine solche Feststellung nicht vorgenommen und auch nicht vornehmen können, einerseits weil Beklagter damals schon gekündigt war, anderseits aber auch, weil das Unternehmen 1945 nach dem Sachverständigengutachten mehrere 100.000 RM (601.326 RM) Verlust hatte und Beklagter außerdem, vom Kriegsende angefangen, für das Unternehmen praktisch keine Tätigkeit mehr entfaltet hat. Eine Festsetzung der Remuneration durch das Gericht komme aber nicht in Frage.

Das Berufungsgericht hat sich, ohne näher auf die in der Berufung des Beklagten enthaltenen Ausführungen einzugehen, mit summarischer Begründung dieser Rechtsansicht angeschlossen.

Wenn auch der Oberste Gerichtshof die Entscheidung sachlich billigt, so kann er ihrer Begründung doch nicht ganz zustimmen.

Der Hinweis der Revision auf die ständige Rechtsprechung, derzufolge eine regelmäßig in gleicher Höhe gewährte Remuneration, mit der der Angestellte rechnen kann, den Charakter einer freiwilligen Zuwendung verliert, ist richtig (vgl. RZ. 1932 S. 82; ArbSlg. 4362; JBl. 1937 S. 411) mit der Maßgabe, daß ein Anspruch nur begrundet ist, wenn er stillschweigend vereinbart wurde oder nach dem Ortsgebrauch besteht (ArbSlg. 5015) und der Dienstgeber nicht bei der Leistung ausdrücklich den freiwilligen und unverbindlichen Charakter der Zuwendung betont hat (RZ. 1937 S 183). Diese Frage taucht aber hier deswegen nicht auf, weil der Anspruch des Beklagten auf Remuneration durch Punkt 6 des Dienstvertrages eindeutig gesichert ist. Nur über die Höhe der Remuneration hat der Aufsichtsrat nach Ermessen zu entscheiden, und den Vorinstanzen ist auch darin zuzustimmen, daß die gleiche Befugnis hier auch dem auf Grund des § 2 GeO. des Aufsichtsrates bestellten Personalausschuß zukommt. Die Festsetzung erfolgt nicht nach Willkür, sondern nach Ermessen, d. h. nach billigem Ermessen des Aufsichtsrates (vgl. Ehrenzweig, Obligationenrecht 1928, S. 407), das somit vom Gericht im Prozeßfall überprüft werden kann. Demnach kann das Argument nicht durchgreifen, daß der Aufsichtsrat bisher eine Remuneration für die Geschäftsjahre 1945, bzw. 1946 nicht festgesetzt hat. Bestunde eine Pflicht in concreto, dem Beklagten für 1945 und den aliquoten Teil der Remuneration für 1946 zuzusprechen, so könnte dieser Ausspruch auch auf Grund einer Klage oder Einwendung vom Gericht suppliert werden. Ebensowenig trifft es zu, daß der Anspruch schon deswegen entfällt, weil der Beklagte seit Kriegsende praktisch für die klagende Firma nichts mehr geleistet hat. Ihm würde dennoch (RZ. 1933, S. 97, ArbSlg. 5042, 5097) der aliquote Teil der Remuneration 1945 eventuell auch 1946 gebühren für die Zeit, innerhalb der er tätig war oder ohne seine Schuld vom Dienstgeber an der Tätigkeit behindert wurde. Es müßte dann erst geprüft werden, inwieweit seine Untätigkeit auf vom Dienstgeber nicht zu vertretende Umstände (Verkehrssperre, Betriebseinstellung, Demarkationsliniensperre u. dgl.) zurückzuführen ist oder mit seiner zu Unrecht erfolgten ersten Entlassung zusammenhängt.

Sicher ist nur, daß eine Remuneration, auf die ein vertraglicher Anspruch des Dienstnehmers besteht, keine liberale, freiwillige und jederzeit widerrufliche Zuwendung darstellt, sondern einen Teil des Entgeltes aus dem Dienstvertrage (ArbSlg. 5093, RZ. 1932 S. 82, GlUNF. 6158; Ehrenzweig, Obligationenrecht 1928, S. 364, Anm. 23, 489).

Nach § 78 des Aktiengesetzes vom 30. Jänner 1937 muß bei der Bemessung der Remuneration, ebenso wie der Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder überhaupt, dafür gesorgt werden, daß sie in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des einzelnen Vorstandsmitgliedes und zur Lage der Gesellschaft stehen. Die Vereinbarung, wonach dem Beklagten unabhängig vom Gewinn eine fixe Remuneration von 25.000 RM gewährt werden sollte, widerspricht offenbar dieser Bestimmung, ohne daß allerdings ihre Verletzung durch den Aufsichtsrat Nichtigkeit zur Folge hätte (Baumbach, Kurzkommentar, S. 159). Im Gegensatz zu § 77 III Aktiengesetz ist eine Klage der Staatsanwaltschaft auf Erfüllung der Pflichten des Aufsichtsrates nicht vorgesehen, dieser macht sich nur der Aktiengesellschaft gegenüber haftbar. Vom Standpunkt des Lohnstopps gesehen, sind Remunerationen, die anspruchsmäßig gebühren und regelmäßig gewährt werden, eindeutig als Bestandteile des Lohnes anzusehen und unterliegen darum den in der KWV. vom 4. September 1939, DRGBl. I 1609, und 1. DVO. zur KWV., ebenda S. 2028, vorgesehenen Beschränkungen. Sie können nicht anders behandelt werden als Tantiemen (vgl. Arbeitsrechtskartei, Lohn-Einzelfragen Nr. 2, 29, 40, 55). Inwieweit bereits die Gewährung von Remunerationen in den Jahren 1939 bis 1943 die erforderliche Zustimmung des Reichstreuhänders der Arbeit im Sinn der zitierten Lohnverordnungen gefunden hat, steht hier nicht zur Diskussion. Durch den von den Vorinstanzen als erwiesen angenommenen Beschluß des Personalausschusses von der bisherigen Methode der fallweisen Ermittlung einer Remuneration (also unter Zugrundelegung der Grundsätze des § 78 Aktiengesetz) abzugehen und dem Beklagten eine fixe Remuneration ohne Rücksicht auf die Geschäftslage zu gewähren, hat die Situation aber eine entscheidende Änderung erfahren. Dadurch ist - da der Beklagte nach Mitteilung dieses Beschlusses damit einverstanden war - eine Abänderung des Vertrages, Beilage N, erfolgt und die bisherige Remuneration eindeutig zu einem Bestandteil des fixen Entgeltes gemacht worden. Diesen Standpunkt hat der Beklagte übrigens selbst im Verfahren erster Instanz eingenommen. Dem Personalausschuß wäre es an und für sich nicht mehr möglich gewesen, von dieser Vereinbarung einseitig abzugehen und zum früheren Modus zurückzukehren. Es trat demnach eine Erhöhung des im Vertrag mit 2500 RM fixierten Monatsentgeltes um zirka 80% ein. Daß für diese der KWV. und der 2. DVO. unterliegende Lohnerhöhung die erforderliche Zustimmung des Reichstreuhänders der Arbeit nachgesucht und erteilt worden sei, ist im Verfahren erster Instanz gar nicht vorgebracht worden. Die gegenteiligen Ausführungen der Berufung und die sie wiederholenden der Revision sind unbeachtliche Neuerungen. Lohnerhöhungen ohne jene Zustimmung waren aber unwirksam und strafbar.

Der Personalausschuß oder Aufsichtsrat hätte aber ohne Verletzung des Aktiengesetzes in § 78 eine Remuneration für 1945, ja schon für 1944 niemals ausschütten dürfen, weil nach dem Sachverständigengutachten der handelsbilanzmäßige Verlust 1944 schon 375.571.87 RM, für 1945 aber schon 601.326.33 RM betrug und auch die Bilanzergebnisse für 1946 mit einem namhaften Verlust schlossen. Aus allen diesen Erwägungen ergibt sich, daß für 1945 und den aliquoten Anteil von 1946 ein Remunerationsanspruch des Beklagten nicht besteht. Die durch den Zusammenbruch des Großdeutschen Reiches, die damit zusammenhängende Katastrophe der Wirtschaft und die schweren Verluste der Klägerin in diesem Zusammenhang vollkommen veränderten Verhältnisse lassen den vom Beklagten akzeptierten Beschluß des Personalausschusses von 1943 als hinfällig erscheinen, und nach der finanziellen Lage des klagenden Unternehmens für 1945 und 1946 kann der Beklagte die Auszahlung einer Remuneration nicht begehren.

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