OGH 3Ob295/52

OGH3Ob295/5211.6.1952

SZ 25/169

Normen

ABGB §1330 (2)
ABGB §1330 (2)

 

Spruch:

§ 1330 Abs. 2 ABGB. stellt nur auf das Verbreiten, nicht aber auf bloße Behauptungen unwahrer kreditschädigender Äußerungen ab.

Ist die kreditgefährdende Äußerung nur einer einzigen Person zur Kenntnis gekommen, so ist zwar auf Widerruf, nicht aber auf Veröffentlichung zu erkennen.

Entscheidung vom 11. Juni 1952, 3 Ob 295/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Braunau am Inn; II. Instanz: Kreisgericht Ried im Innkreis.

Text

Das Erstgericht hat das auf Widerruf einer vom Beklagten um den 20. Mai 1950 gemachten Äußerung "auch die Firma F. soll in Ausgleich gegangen sein" und Veröffentlichung dieses Widerrufes gerichtete Klagebegehren kostenpflichtig abgewiesen.

Auf die Berufung der klagenden Partei änderte das Berufungsgericht das Ersturteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten zum Teil Folge und verurteilte den Beklagten nur zum Widerruf der Äußerung, wies aber das Begehren auf Veröffentlichung des Widerrufes ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Von der Revision werden drei Fragen aufgeworfen. Die erste hat die Auslegung des Begriffes des "Verbreitens" zum Gegenstand, die zweite den für ein Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren nach § 1330 ABGB. erforderlichen Grad des Verschuldens desjenigen, der eine kreditgefährdende Äußerung macht, die dritte betrifft den Bestand und Umfang der Veröffentlichungspflicht im Sinne der vorbezeichneten Gesetzesstelle.

Worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat, besteht zwischen Vorschriften des § 1330 ABGB., des § 7 UWG. und des § 824 BGB. eine enge Verwandtschaft. Während aber die beiden letzteren Gesetzesstellen neben der Verbreitung auch die Behauptung unwahrer kreditgefährdender Tatsachen als haftungsbegrundende Form übler Nachrede anführen, stellt § 1330 ABGB. bloß auf das "Verbreiten" ab. Im Gegensatz zur "Behauptung" setzt die "Verbreitung" die Mitteilung an einen Dritten voraus; der Verbreitende stellt etwas als wahr, aber als fremde Mitteilung hin (vgl. Staudinger, II. Band, Recht der Schuldverhältnisse, 3. Teil, S. 1808). Eine Verbreitung liegt im gegenständlichen Fall vor, da nach den Feststellungen der Vorinstanzen die Äußerung dahin gelautet hat, daß auch die Firma des Klägers im Ausgleich sein soll. Die Äußerung stellt sich somit als die Wiedergabe eines dem Beklagten zugekommenen Gerüchtes dar. Für den Tatbestand des § 1330 ABGB. reicht aber auch die Verbreitung von Gerüchten oder Vermutungen aus (vgl. Wolff in Klangs Kommentar, 2. Aufl., zu § 1330 ABGB., S. 163). Für die Qualifikation dieser Äußerung im Sinne eines Verbreitens kommt es nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes gar nicht auf das Moment der Öffentlichkeit an. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung stellt auch die Wiedergabe einer unwahren kreditgefährdenden Tatsache an eine einzelne Person den Tatbestand des § 1330 ABGB. her. Selbst wenn man aber mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, ZBl. 1928 Nr. 125, die Auffassung vertreten wollte, daß eine vertrauliche Mitteilung unter vier Augen nicht genüge, um den Tatbestand des Verbreitens zu verwirklichen, so wäre damit für die Revision nichts gewonnen. Denn sogar nach den Feststellungen der ersten Instanz waren bei dem Gespräch des Beklagten mit Berta H. noch zwei andere Personen zugegen. Darauf aber, ob diese anderen Personen die Äußerung auch vernommen haben, kommt es nicht an, es reicht ihre Wahrnehmbarkeit hin. Die Ansicht der Revision, daß nur eine für unbestimmte andere Personen wahrnehmbare Äußerung den Tatbestand des Verbreitens erfülle, findet im Gesetz keine Stütze; denn § 1330 ABGB. verlangt weder für den Widerruf noch für dessen Veröffentlichung die öffentliche Begehung der üblen Nachrede, sondern stellt nur die im letzten Satz des § 1330 ABGB., geregelte Ausnahme von der Haftung für die üble Nachrede unter anderen darauf ab, daß die Äußerung nicht öffentlich vorgebracht wurde. Auf diese Ausnahmevorschrift kann sich der Beklagte aber schon deshalb nicht berufen, weil er nicht einmal selbst ein berechtigtes Interesse an der Verbreitung der von ihm gemachten Äußerung behauptet.

Auch die Einwendungen der Revision zur Frage des Verschuldens des Beklagten sind nicht stichhaltig. Daß der Beklagte die kreditgefährdende Äußerung wider besseres Wissen gemacht habe, wird vom Berufungsgericht gar nicht angenommen. Zum Tatbestand des § 1330 ABGB. genügt Fahrlässigkeit, wobei sich die Fahrlässigkeit nur auf die Unkenntnis der Unwahrheit der verbreiteten Tatsache zu beziehen braucht. Wer einen Anspruch auf Widerruf oder dessen Veröffentlichung nach § 1330 ABGB. geltend macht, hat zu beweisen, daß der Mitteilende Tatsachen kreditgefährdender Art verbreitet hat, obwohl er deren Unwahrheit kannte oder doch hätte kennen müssen. Das Gesetz macht denjenigen, der eine kreditschädigende Mitteilung verbreitet, zwar schon dann haftbar, wenn er die Unwahrheit der Mitteilung kennen mußte. Der Fassung des Gesetzes muß aber entnommen werden, daß der Verbreiter nur dann haftet, wenn ihm nach den Umständen des Falles die Weitergabe der Mitteilung als grobe Fahrlässigkeit anzurechnen ist, wenn er also die Mitteilung weitergegeben hat, obwohl er bei durchschnittlicher, jedermann zumutbarer Auffassung hätte erkennen müssen, daß sie unwahr sei (SZ. XXIII/354). Der Oberste Gerichtshof findet die Beurteilung des Grades des Verschuldens des Beklagten durch das Berufungsgericht frei von Rechtsirrtum. Darin, daß der Beklagte trotz geäußerter Zweifel seiner Gesprächspartnerin auf seiner Äußerung beharrte, obwohl die ihm zur Verfügung stehenden, von ihm selbst im Verfahren angegebenen Erkenntnisquellen diese Äußerung durchaus nicht deckten, muß eine grobe Fahrlässigkeit gefunden werden.

Dagegen findet der Oberste Gerichtshof die Revision insoweit als berechtigt, als sie sich gegen die Pflicht zur Veröffentlichung des Widerrufes in zwei Zeitungen wendet. Nach den Feststellungen der ersten Instanz, die vom Berufungsgericht nicht geändert wurden, ist die kreditgefährdende Äußerung nur der Berta H. zur Kenntnis gekommen; andere Personen hätten sie zwar hören können, haben sie aber nicht gehört. Unter diesen Umständen vermag sich der Oberste Gerichtshof der vom Berufungsgericht unter Hinweis auf Ehrenzweig II/1, S. 660 und Wolff in Klang's Kommentar, 2. Aufl., zu § 1330 ABGB., S. 164, vertretenen Auffassung, daß der Veröffentlichungsanspruch unbedingt sei und keine Rücksicht auf den Umfang der tatsächlichen Verbreitung zu nehmen brauche, nicht anzuschließen. Bei kreditgefährdenden Mitteilungen wird sich allerdings die Möglichkeit, daß die Mitteilung anderen Personen zur Kenntnis gekommen ist, zumeist nicht ausschließen lassen und es wird demgemäß auch ein Anspruch auf Veröffentlichung begrundet sein. Wenn aber, wie im vorliegenden Fall, ausdrücklich feststeht, daß die Mitteilung nur einer einzigen Person zur Kenntnis gekommen ist, dann verfehlt eine Veröffentlichung ihren Zweck. In einem solchen Fall fehlt es an einem rechtspolitischen Grund für die Veröffentlichung des Widerrufes und es muß der Widerruf gegenüber jenen Personen, die von der Äußerung Kenntnis erlangt haben, genügen. Hiefür spricht auch die Erwägung, daß das Recht auf Widerruf und dessen Veröffentlichung ein Teil des im § 1330 ABGB. geregelten Schadenersatzanspruches ist. Es soll darum die unwahre Kundgebung derart richtig gestellt werden, daß derselbe Personenkreis hievon Kenntnis erlangen kann, dem die unwahre Tatsache durch die Verbreitung zugänglich geworden ist.

Aus diesen Erwägungen hat der Oberste Gerichtshof daher den Anspruch des Klägers auf Widerruf, hingegen nicht den auf Veröffentlichung dieses Widerrufes für begrundet erachtet und demgemäß dem Klagebegehren hinsichtlich des ersten Punktes Folge gegeben, es im zweiten Punkt aber abgewiesen.

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