Spruch:
Beim Rücktritt vom Vertrage treten die Bestimmungen des § 921 ABGB. dann ein, wenn zwischen den Parteien eine anderweitige Willenseinigung über die Durchführung der Stornierung nicht erweislich ist. Besitzt einer der beiden Teile die rückzustellende Sache nicht mehr, so ist er gemäß § 1437 ABGB. nach seinem guten Glauben zu behandeln.
Entscheidung vom 11. Juni 1952, 2 Ob 446/52.
I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Der Kläger hatte vom Beklagten einen PKW. um 7O00 S gekauft, eine Anzahlung von 800 S geleistet und dem Beklagten außerdem an Zahlungsstatt einen Teppich (Goldschiras) übergeben; der Beklagte hat hinsichtlich beider Leistungen den Erhalt eines Betrages von 4400 S quittiert. Ehe noch der Kaufpreisrest bezahlt worden ist, haben die Parteien den Kaufvertrag einverständlich storniert. Da der Beklagte den Teppich inzwischen veräußert und dem Kläger hiefür nur 3500 S zurückgezahlt hat, hat dieser mit der Behauptung, daß der Teppich 7000 S wert gewesen sei, die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des Differenzbetrages von 3500 S begehrt. Im Verfahren ist der Schätzwert des Teppichs mit 6000 S ermittelt worden.
Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung des Betrages von 2400 S (das ist 6000 S weniger 4400 S plus 800 S).
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab.
Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile der Vorgerichte auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Sollte das Erstgericht auf Grund der Beweisergebnisse zur Feststellung gelangen, daß eine Willenseinigung der Parteien anläßlich der Stornierung des Vertrages über den Wertersatz des Teppichs nicht als erwiesen anzunehmen ist, würde sich die Entscheidung über den Umfang des dem Kläger zustehenden Ersatzanspruches aus § 921 ABGB. ergeben, da der Fall eines Stornos dem einverständlichen Rücktritt vom Vertrage gleichkommt. Nach dieser Gesetzesstelle hat, wenn infolge Rücktrittes der Vertrag aufgelöst wird, jeder Teil das, was er erhalten hat, in der Art zurückzustellen, daß kein Teil sich mit dem Schaden des anderen bereichere. Es handelt sich also um einen Fall der Rückstellung des Empfangenen infolge Wegfalles des Gründes dafür, es zu behalten. Für Rechtsverhältnisse dieser Art gilt § 1437 ABGB. Wenn also der Empfänger die Leistung nicht mehr besitzt, so ist er nach seinem guten Glauben zu behandeln. Im guten Glauben ist er dann, wenn er zur Zeit, als er die erhaltene Sache weggab, nicht damit rechnen mußte, daß er sie wieder zurückzustellen haben wird. Hat also der Beklagte den Teppich veräußert, bevor der Vertrag einverständlich aufgelöst wurde, so geschah die Veräußerung im guten Glauben. Ist dagegen die Veräußerung nach Stornierung des Vertrages erfolgt, dann könnte allerdings dem Beklagten guter Glaube nicht mehr zugebilligt werden. Im Falle aber der Beklagte als redlicher Besitzer zu behandeln ist, kann er über die Sache verfügen, ohne sich verantwortlich zu machen; er haftet also nicht für den Schaden. Wohl aber hat er zurückzustellen, was er von dem Erlös des veräußerten Teppichs noch besitzt, also in der Regel den vollen erhaltenen Kaufpreis. Damit stimmt auch die Vorschrift des § 921 ABGB. überein, denn der Beklagte ist, wenn er den erhaltenen Kaufpreis zurückgezahlt hat, nicht mehr bereichert. Es mag sein, daß der Kläger einen Schaden erleidet, allein ein solcher Schaden ist unvermeidlich, weil sich Geschehenes nicht ungeschehen machen läßt. Das Gesetz will aber nicht den Schaden, sondern nur die Bereicherung des einen Teiles mit dem Schaden des anderen ausschließen und legt daher keinem der beiden die Pflicht auf, dem andern den Schaden zu ersetzen. Zu einem solchen Schadenersatz käme es aber, wollte man vom redlichen Beklagten verlangen, daß er dem Kläger einen über den erhaltenen Kaufpreis hinausgehenden Schätzwert des Teppichs ersetze. Falls also dem Beklagten die Stellung eines redlichen Besitzers zukommt, wäre auch der Schätzwert für die Höhe des Ersatzanspruches des Klägers ohne Bedeutung.
Das Erstgericht wird daher, falls eine Vereinbarung über den Wertersatz nicht beweislich ist, festzustellen haben, ob die Veräußerung des Teppichs seitens des Beklagten vor oder nach Stornierung des Vertrages erfolgt ist und welchen Erlös dieser für den Teppich erzielt hat. Mangels einer ausdrücklichen Behauptung des beweispflichtigen Klägers über die Höhe des vom Beklagten für den Teppich erzielten Erlöses wird der Kläger in Entsprechung der materiellen Prozeßleitungspflicht des Richters (§ 182 ZPO.) zu veranlassen sein, bestimmte Behauptungen in dieser Richtung aufzustellen. Sollte sich der Beklagte weiterhin weigern, die Höhe des erzielten Erlöses bekanntzugeben, wird das Erstgericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen haben, ob eventuelle in dieser Richtung aufgestellte Behauptungen des Klägers als vom Beklagten zugestanden anzusehen sind (§§ 267, 381 ZPO.).
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