OGH 1Ob767/51

OGH1Ob767/5128.5.1952

SZ 25/143

Normen

ABGB §91
Zinsengesetz 1868 §3 litb
ABGB §91
Zinsengesetz 1868 §3 litb

 

Spruch:

Nach § 3 lit. b des Gesetzes vom 14. Juni 1868, RGBl. Nr. 62, können Zinsen von fälligen Zinsen bloß für die Zeit ab Klagsbehändigung und nur dann begehrt werden, wenn nicht wie bei Errichtung einer Schuldurkunde in Form eines Notariatsaktes Gelegenheit für eine Zinseszinsenvereinbarung gegeben war.

Entscheidung vom 28. Mai 1952, 1 Ob 767/51.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Nach dem klägerischen Vorbringen schuldete der Beklagte dem Kläger aus einem Darlehen an Kapital einschließlich zweijähriger Zinsen den Betrag von 25.999.92 S, rückzahlbar laut Notariatsakt vom 6. Dezember 1930 in 24 Monatsraten von je 1083.33 S, beginnend am 1. Jänner 1931, wobei im Verzugsfalle 1 1/2% monatliche Verzugszinsen zu entrichten sind. Das Pfandrecht für diese Darlehensschuld ist auf der Liegenschaft des Beklagten Katastralgemeinde E. EZ. 34 einverleibt und die Vollstreckbarkeit angemerkt. Der Beklagte bezahlte auf diese Schuld nur 2300 S, so daß er seit März 1931 im Verzug wäre. Der Kläger hat zwecks Vermeidung der Verjährung der Zinsen ein Pfandrecht für dreijährige Verzugszinsen bis März 1934 abzüglich kleinerer bezahlter Beträge auf der Liegenschaft im Betrag von 8872.50 S einverleiben lassen. Auf Grund der Bestimmungen über die Einführung der Reichsmarkwährung und des Schillinggesetzes wurde die Restschuld des Beklagten auf 15.800 S an Kapital und die kapitalisierte und einverleibte Zinsenforderung auf 5915.13 S reduziert. Die Zinsenforderung besteht nach den Klagsbehauptungen zumindest seit 26. August 1936 bzw. 1. September 1936 zufolge der Verjährungshemmung noch unverjährt aufrecht. Der Kläger begehrt nun mit der am 4. November 1949 eingebrachten und am 9. November 1949 zugestellten Klage 18% Verzugszinsen von 15.800 S für 13 Jahre, das sind 36.972 S und 5% gesetzlicher Zinsen von dem pfandrechtlich gesicherten Zinsenrückstand von 5915.13 S, das sind 3844.33 S, somit insgesamt 40.816.88 S samt 5% Zinsen vom Klagstage mit der Begründung, daß dies zur Verhinderung des Eintrittes der Verjährung und zu dem Zwecke, um Zinseszinsen begehren zu können, geschehe, in eventu werde dieser Betrag als Entwertungsschaden mit der Begründung geltend gemacht, Kläger habe zwecks Gewährung des Darlehens im Jahre 1930 in Wien 4000 Dollar umgewechselt und habe durch die Währungsmaßnahmen und die Geldentwertung einen großen Teil verloren.

Das Erstgericht wies mit Urteil vom 10. April 1951 das Begehren auf Zahlung von 3844.88 S samt 5% Zinsen seit dem Klagstage ab und wies das Klagebegehren hinsichtlich des Teilbetrages von 36.972 S samt 5% Zinsen mit dem in das Urteil aufgenommenen Beschluß vom gleichen Tage zurück.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit der Maßgabe, daß das gesamte Klagebegehren von 40.816.88 S s. A. abgewiesen werde, und führte in den Entscheidungsgründen aus: Eine Einklagung der Zinsen sei wegen Bestehens eines vollstreckbaren Notariatsaktes mangels Rechtsschutzinteresses nicht möglich, daher das Klagebegehren diesbezüglich zwar nicht zurück- aber abzuweisen. Dies gelte auch für den bereits pfandrechtlich sichergestellten Zinsenrückstand, da es sich hiebei nicht um eine Kapitalisierung von aufgelaufenen Zinsen handle. Das in eventu gestellte Begehren auf Zahlung eines Entwertungsschadens werde zwar aus demselben Rechtsgrunde abgeleitet und stelle daher eine Klagsänderung nicht dar, es werde aber kein konkreter Schaden geltend gemacht und könne der Ersatz des abstrakten Schadens nicht verlangt werden (SZ. V/53).

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Für den Anspruch auf Zahlung von 36.972 S (das sind 18% jährlicher vertragsmäßiger Verzugszinsen für 13 Jahre (1. September 1936 bis 31. August 1949) von 15.800 S) liegt ein Exekutionstitel, nämlich der vollstreckbare Notariatsakt vom 6. Dezember 1930 vor. Auf Grund dieses Notariatsaktes ist auch bereits am 10. Dezember 1930 ob der Liegenschaft EZ. 34 der Katastralgemeinde E. das Pfandrecht für die damalige Kapitalforderung von 25.999.92 S samt 1 1/2% monatlicher Verzugszinsen einverleibt und die Vollstreckbarkeit angemerkt worden. Überdies wurde mit Beschluß des Kreisgerichtes St. Pölten vom 3. Juli 1950, E 21/50-20, die Exekution durch Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung dieser Liegenschaft zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 15.799.95 S samt 1 1/2% monatlicher Verzugszinsen seit 26. August 1936 bewilligt. Der Klage auf Zahlung von 36.972 S steht daher zwar nicht die Einrede der Rechtskraft, da ein vollstreckbarer Notariatsakt nicht der Rechtskraft fähig ist, entgegen, wohl aber eine materiellrechtliche Einwendung, die die Abweisung des Klagebegehrens zur Folge hat, wenn dem Kläger - was er hier gar nicht versucht hat - nicht der Beweis der Ungültigkeit des Titels gelingt (vgl. SZ. XXI/124, XXII/52, EvBl. 1936 Nr. 284). Der Teilbetrag von 36.972 S ist daher mit Recht abgewiesen worden.

Hinsichtlich des Betrages von 3844.88 S (das sind 5% gesetzliche Verzugszinsen für 13 Jahre (1. September 1936 bis 31. August 1949) von den einverleibten vertragsmäßigen Verzugszinsen von 5915.13 S) beruft sich der Kläger selbst nicht darauf, daß es sich um bedungene Zinsen handle. Der Schuldschein enthält auch keine Vereinbarung von Zinseszinsen. Gemäß § 3 lit. b des Gesetzes vom 14. Juni 1868, RGBl. Nr. 62, dürfen aber Zinseszinsen, sofern sie nicht vertragsmäßig bedungen sind, nur gefordert werden, wenn fällige Zinsen eingeklagt werden, von diesen vom Tage der Klagsbehändigung an. Daraus ergibt sich aber, daß die Forderung von Zinseszinsen für die Zeit bis zur Behändigung dieser Klage, also die Forderung der 3844.88 S auch nicht auf die Bestimmung des § 3 lit. b des zitierten Gesetzes gestützt werden kann. Die Meinung der Revision, daß die Einverleibung eines exekutiven Pfandrechtes für einen Zinsenrückstand eine Kapitalisierung der Zinsen, nämlich eine Verwandlung der Zinsenschuld in eine Kapitalschuld, also eine Novation bedeute, entbehrt einer gesetzlichen Begründung. Damit ist klargestellt, daß auch die Forderung an Zinseszinsen von 3844.88 S - den noch zu erörternden Rechtsgrund des Schadenersatzes vorbehalten - mit Recht abgewiesen wurde.

Die bisherigen Ausführungen ergeben, daß die Untergerichte das gesamte Begehren auf Zahlung von 40.816.88 S ohne Rechtsirrtum als unbegrundet erkannt haben. Im Urteilsantrag wird aber darüber hinaus der Zuspruch von 5% gesetzlichen Zinsen von diesem Betrag vom Klagstage verlangt. Dieser Zinseszinsenanspruch ist jedenfalls gemäß § 3 lit. b des zitierten Gesetzes bis zur Klagsbehändigung unbegrundet. Dem weiteren Begehren könnte entgegengehalten werden, daß das Klagebegehren auf Zahlung der Zinsen abgewiesen worden ist und daß daher auch Zinsen von diesen Zinsen schon wegen der Akzessorietät des Zinsenanspruches nicht verlangt werden können. Davon abgesehen stehen aber hier diese Zinseszinsen schon deswegen nicht zu, weil über die Verpflichtungen des Schuldners ein vollstreckbarer Notariatsakt errichtet wurde, in dem Zinseszinsen gemäß § 3 lit. a des zitierten Gesetzes bedungen hätten werden können. Dies ist nicht geschehen. Die Errichtung eines vollstreckbaren Notariatsaktes hat auf der einen Seite den Zweck, dem Gläubiger die unverzügliche Vollstreckung zu ermöglichen, anderseits werden aber dem Schuldner dadurch die Kosten der Rechtsverfolgung durch den Gläubiger erspart. Jedenfalls soll die Vollstreckung nach dem Willen beider Parteien ohne vorausgegangenes Erkenntnisverfahren stattfinden. Es geht nicht an, wegen der verhältnismäßig unbedeutenden Zinseszinsen und nur wegen dieser dem Gläubiger, dem es freigestanden wäre, sie zu vereinbaren, die Möglichkeit einer Klagsführung gegen den Schuldner zu eröffnen.

Der Zweck des Gesetzes vom 14. Juni 1868, RGBl. Nr. 62, lag vor allem darin, das damals bestandene Zinseszinsenverbot aufzuheben und demgemäß in erster Linie die Vereinbarung von Zinseszinsen zuzulassen. Der Bestimmung des § 3 lit. b des Gesetzes kommt daher nur subsidiäre Bedeutung zu. War die Gelegenheit zu einer Zinseszinsenvereinbarung gegeben, wie hier bei Errichtung einer Schuldurkunde in der Form eines vollstreckbaren Notariatsaktes, so hätten die Parteien Zinseszinsen vereinbaren können. Nur für jene Fälle, in denen dies nicht zutrifft, gibt § 3 lit. b des Gesetzes das Recht, Zinsen von fälligen Zinsen zu fordern, eingeschränkt auf die Zeit ab Klagszustellung. § 3 lit. b gibt daher nicht das Recht, fällige Zinsen, für die schon ein Exekutionstitel besteht, nur zu dem Zwecke einzuklagen, um Zinseszinsen ab Klagszustellung fordern zu können.

Was schließlich den dem Kläger zufolge der Währungsmaßnahmen und der Geldentwertung durch die Säumigkeit des Beklagten entstandenen Schaden anlangt, macht der Kläger nur einen abstrakten Schaden geltend, nämlich die aus der allgemeinen Umwandlung der alten Schilling in Mark und dieser wieder in Neuschilling und die weitere aus der Geldentwertung sich ergebende Differenz. Hiebei handelt es sich somit bloß um einen allgemeinen Entwertungsschaden, also einen abstrakten Schaden. Ein konkreter Schaden könnte aber nur darin bestehen, daß der Kläger die dem Beklagten übergebene Darlehenssumme bei rechtzeitiger Rückzahlung zum Ankauf von Waren oder dgl. verwendet hätte, und er derzeit ein geringeres Quantum dieser Waren um den gleichen Nominalbetrag bekäme (vgl. SZ. V/52). Daß der Kläger zum Zwecke der Beschaffung der Darlehenssumme im Jahre 1930 4000 Dollar verkauft haben soll, genügt nicht, zumal er gar nicht behauptet hat, daß er die Darlehenssumme nach der Rückzahlung wieder in Dollar umwechseln wollte und daß er jetzt darum viel weniger Dollar bekäme, als dies zum vereinbarten Rückzahlungstermin der Fall gewesen wäre. Demnach fehlt es an entsprechenden Behauptungen über einen konkreten Schaden und ist das Klagebegehren, da ein abstrakter Schaden auf keinen Fall zu ersetzen ist, mit Recht abgewiesen worden. Die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteiles ist somit zutreffend.

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