OGH 2Ob294/52

OGH2Ob294/5221.5.1952

SZ 25/139

Normen

Außerstreitgesetz §18
Bundesgesetz, betreffend die Teilung von Grundstücken im Burgenland, BGBl. Nr. 349/1936 ArtII
Burgenl. Landesgesetz v. 23. Juni 1933, LGBl. Nr. 56/33 §9
Außerstreitgesetz §18
Bundesgesetz, betreffend die Teilung von Grundstücken im Burgenland, BGBl. Nr. 349/1936 ArtII
Burgenl. Landesgesetz v. 23. Juni 1933, LGBl. Nr. 56/33 §9

 

Spruch:

Eine Nachprüfung von rechtskräftigen Verfügungen des Außerstreitverfahrens durch andere Gerichte im streitigen Verfahren ist nur in den Fällen zulässig, in denen entweder Rechte Dritter unmittelbar berührt werden oder in denen das Gesetz den am Verfahren Beteiligten ein eigenes Klagerecht gewährt.

Verfügungen nach Art. II und nach § 9 des Bundesgesetzes über die Teilung von Grundstücken im Burgenland, BGBl. Nr. 349/1936, sind im außerstreitigen Verfahren durchzuführen.

Entscheidung vom 21. Mai 1952, 2 Ob 294/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Oberwart; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der aus einem Haus, Acker-, Wald- und Weidegrundstücken bestehende Nachlaß der Barbara Sch. ist nach einem Übereinkommen zwischen dem Beklagten, dem Ziehsohn der Erblasserin, der eine Forderung von 1500 RM gegen den Nachlaß geltend gemacht hat, und den Erben mit Ausnahme des Klägers mit dem Beschluß des Abhandlungsgerichtes vom 11. Jänner 1945 dem Beklagten rechtskräftig zugewiesen worden. Der Kläger, der sich ausdrücklich gegen das Übereinkommen ausgesprochen hatte, begehrte in seiner im Jahre 1951 eingebrachten Klage die Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe des ihm zugewiesenen Nachlasses und zur Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Klägers an den Nachlaßliegenschaften mit der Behauptung, daß der Nachlaß nicht dem Gesetze gemäß verteilt worden sei, und daß nach § 9 des Burgenländischen Landesgesetzes vom 23. Juni 1933 über die Teilung von Grundstücken, LGBl. Nr. 56, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 10/1937 ihm die Liegenschaften zuzuweisen gewesen wären.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In rechtlicher Hinsicht wird, wie schon in der Berufungsschrift so auch in der Revision, geltend gemacht, daß der Verlassenschaftsrichter nicht dem Gesetze entsprechend vorgegangen sei und das angefochtene Urteil nicht beachtet habe, daß im Normalfalle dem Kläger ohne weiteres die Aufhebung des Zuweisungsbeschlusses vom 11. Jänner 1945 möglich gewesen wäre. Daß das Recht des Klägers auf Herausgabe der gegenständlichen Liegenschaften nur kriegsbedingter Umstände und Ausnahmegesetze wegen scheitern sollte, erscheine nach Wiederherstellung der österreichischen Gerichtsordnung ausgeschlossen, zumal da das angerufene Gericht über die Nichtigkeit des Verfahrens vor dem Verlaßrichter sehr wohl als Vorfrage entscheiden könne und die Beseitigung des seinerzeitigen Zuweisungsbeschlusses des Abhandlungsgerichtes eine Voraussetzung für den Erfolg der gegenständlichen Klage sei.

Mit diesen Ausführungen läßt der Kläger selbst gelten, daß der Durchsetzung seines Anspruches der Zuweisungsbeschluß des Verlassenschaftsgerichtes entgegensteht. Die Beseitigung dieses Beschlusses kann, wenn überhaupt, nicht im Streitverfahren, sondern nur im Außerstreitverfahren erfolgen. Die formelle Rechtskraft des Zuweisungsbeschlusses vom 11. Jänner 1945 steht außer allem Zweifel, die Frage kann nur sein, ob dem Beschluß des Abhandlungsgerichtes außer der formellen Rechtskraft, das ist seiner Unanfechtbarkeit, auch die im Prozesse stets hieran sich knüpfende materielle Rechtskraft beigelegt wird, d. h. ob ihm eine das betreffende Rechtsverhältnis endgültig feststellende Kraft beizumessen ist. Wird erwogen, daß die Stoffsammlung und damit Beschaffung der Grundlagen für die richterliche Verfügung nicht, wie im Prozesse, der Sachkunde der im eigenen Interesse an der Sache unmittelbar Beteiligten überlassen bleibt, vielmehr der von Amts wegen betätigten Erhebungspflicht des Gerichtes zu verdanken ist, so kann kaum bezweifelt werden, daß im Verfahren freiwilliger Gerichtsbarkeit eine zumindest ebenso verläßliche Basis der zu regelnden Rechtsbeziehungen geschaffen wird wie im Rechtsstreite. Ist nun die Gewähr grundlicher, erschöpfender Ermittlung dieser Grundlage geboten und damit dem Privatinteresse genügt, dann fordert nicht bloß das wirtschaftliche Moment, sondern auch das öffentliche Interesse an der Erzielung möglichster Rechtssicherheit und an sparsamer Ausnützung der Tätigkeit staatlicher Behörden die Anerkennung der materiellen Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Verfügungen in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Mit Recht hat sonach das Gesetz die materielle Rechtskraft der Verfügungen in Außerstreitsachen grundsätzlich anerkannt, wie der Überschrift und dem Wortlaute des § 18 AußStrG. zu entnehmen ist. Sie äußert sich rücksichtlich aller an der gepflogenen Verhandlung Beteiligten. Eine Nachprüfung der getroffenen rechtskräftigen Verfügung durch andere Gerichte, sei es im Prozesse oder im außerstreitigen Wege, ist im Regelfalle ausgeschlossen. Nur in Fällen, in welchen entweder die Rechte Dritter, bei der Verhandlung ohne ihr Verschulden nicht eingeschrittener Interessenten eintreten, d. h. unmittelbar berührt werden, oder in denen das Gesetz den am Verfahren Beteiligten ein eigenes Klagerecht gewährt, kann eine weitere rechtliche Erörterung der Angelegenheit im Rechtswege Platz greifen. Gegen die über Gegenstände der Gerichtsbarkeit außer Streitsachen vom Gerichte ahne Vorbehalt einer weiteren rechtlichen Erörterung getroffenen Verfügungen kann ein Rechtsstreit nicht erhoben werden (§ 18 AußStrG.), es wäre denn, daß das Gericht, welches die Verfügung erlassen hat, hinsichtlich der Beschreitung des ordentlichen Rechtsweges in der Verfügung einen ausdrücklichen Vorbehalt gemacht hat. Unterläßt das Gericht die Aufnahme des Vorbehaltes des ordentlichen Rechtsweges, so muß diese Unterlassung allenfalls durch Rekurs behoben werden (vgl. GlUNF. 1559). In Betracht kommt auch der Fall der Anfechtung einer außerstreitigen Verfügung im Prozeßwege, wenn das Gesetz durch konkrete Normen die Anfechtung des im außerstreitigen Wege geschaffenen Rechtszustandes im Prozeßwege vorsieht. Diesbezüglich kommen vor allem in Betracht die Anfechtung bücherlicher Eintragungen und die Erbschaftsklagen. Im gegenständlichen Falle steht wegen des Untermaßes der Grundstücke und der Mehrheit der Erben fest, daß § 9 des Burgenländischen Landesgesetzes vom 23. Juni 1933 in der Fassung der Novelle, LGBl. Nr. 10/1937, auf die von der Erblasserin hinterlassenen Grundstücke Anwendung zu finden hat. In dieser Bestimmung ist festgelegt, daß dann, wenn ein Grundstück mehreren Miterben oder Vermächtnisnehmern angefallen, die Teilung aber gemäß den vorstehenden Bestimmungen nicht zulässig ist, das Abhandlungsgericht gemäß Artikel II des Bundesgesetzes, betreffend die Teilung von Grundstücken im Burgenland, BGBl. Nr. 349/1936, das Grundstück, falls sich die Beteiligten nicht anderweitig einigen, einem der Miterben oder Vermächtnisnehmer, der zur Übernahme bereit ist, zuzuweisen hat, u. zw. in erster Linie jenem, der die größte Gewähr für eine ordentliche Bewirtschaftung bietet, in zweiter Linie dem ältesten der Miterben oder Vermächtnisnehmer. Der Übernehmer wird bis zur Höhe des Wertes des Grundstückes, der sich nach Abzug der darauf haftenden Lasten oder bei gemeinsamer Belastung mit anderen Grundstücken nach Abzug eines entsprechenden Anteiles an diesen Lasten ergibt, Schuldner der Verlassenschaft. Weiters besagt § 9 des zitierten Gesetzes, daß die Höhe der Schuld, ihre Abstattung und Verzinsung vom Gericht unter Bedachtnahme auf den Ertragswert des Grundstückes nach billigem Ermessen so festzusetzen ist, daß die durchschnittlichen Erträgnisse des Grundstückes jedenfalls ausreichen, um die Zinsen der darauf haftenden Lasten sowie die zur Abstattung der Schuld des Übernehmers erforderlichen Beträge zu decken. Nach Erfordernis hat das Gericht auch für die Sicherstellung der Schuld zu sorgen. Ist eine solche Zuweisung nicht möglich, so hat das Abhandlungsgericht vor der Einantwortung des Nachlasses die gerichtliche Feilbietung von Amts wegen anzuordnen. Diese Bestimmungen sind auch anzuwenden, wenn nicht ein einzelnes Grundstück, sondern mehrere gemeinsam bewirtschaftete oder in einem Grundbuchskörper vereinigte Grundstücke mehreren Erben oder Vermächtnisnehmern angefallen sind, Teilung aber nicht zulässig ist.

- Aus der bezogenen Gesetzesstelle ergibt sich, daß das darin geregelte Verfahren dem Verlassenschaftsgerichte obliegt. Selbst wenn mit dem Kläger angenommen wird, daß das Übereinkommen zwischen den anderen Miterben und dem Beklagten ungültig ist und der Zuweisungsbeschluß als nicht existent betrachtet wurde, könnte seinem Verlangen auf Herausgabe der Liegenschaften vom Beklagten nicht entsprochen werden, weil die Prüfung der Voraussetzungen für die Zuweisung von Nachlaßgrundstücken nach § 9 des obbezogenen Gesetzes ausschließlich Sache des Abhandlungsgerichtes ist. Im gegenwärtigen Falle ist durch die längst erfolgte Zuweisung der streitgegenständlichen Grundstücke an den Beklagten und den Eintritt der formellen sowie materiellen Rechtskraft dieser Verfügung gegenüber dem Klagsanspruch eine unübersteigliche Schranke aufgerichtet.

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