OGH 1Ob383/52

OGH1Ob383/527.5.1952

SZ 25/126

Normen

Reichsversicherungsordnung §899 (1)
Reichsversicherungsordnung §899 (1)

 

Spruch:

Ein für eine bestimmte Arbeit aufgenommener Traktorführer ist kein Arbeiteraufseher im Sinne des § 899 Abs. 1 RVO.

Entscheidung vom 7. Mai 1952, 1 Ob 383/52.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Kläger ist bei Leistung nachbarlicher Hilfe im Betriebe des Vaters des Beklagten verunglückt. Der Unglücksfall ereignete sich beim Einfahren eines dem Beklagten gehörigen Traktors in die Tenne des Vaters des Beklagten, wobei Kläger verletzt wurde. Der Beklagte wurde wegen dieses Vorfalls vom Bezirksgericht zu sechs Tagen Arrest verurteilt. Kläger macht nun gegen den Beklagten Schadenersatzansprüche geltend. Der Beklagte hat sich auf den Ausschluß der Haftung nach § 898 RVO. berufen.

Die beiden unteren Instanzen haben dieser Einwendung Folge gegeben und die Klage abgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof hob auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Rechtsrüge ist begrundet. Das Erstgericht hat nachstehenden Sachverhalt auf Grund des strafrechtlichen Erkenntnisses festgestellt: Der Beklagte hat schon am Vortag des Unfallstages mit seinem Traktor wiederholt den vollbeladenen Heuwagen über die Tennenauffahrt in den Stadel seines Vaters hingeführt. Die Arbeitseinteilung beim Transport des Heuwagens war die, daß der Beklagte rückwärts den Traktor bediente, während Kläger den Stempel, welcher zwischen der Vorderwand des Traktors und der rückwärtigen unteren Querleiste des Heuwagens angesetzt war, zu halten hatte. Der Bruder des Beklagten führte den Heuwagen an der Deichsel. Als die drei Genannten am Unfallstag mit einer Fuhre Heu in den Stadel einfahren wollten, ereignete sich der Unfall. Wie das Erstgericht festgestellt hat, hat der Vater des Beklagten das Einfahren des Klees in den Stadel angeordnet, während Beklagter in erster Reihe die Einfahrt auf den Tennenboden leitete. Das Berufungsgericht hat diese Feststellung übernommen und die oben angeführten rechtlichen Folgerungen daran geknüpft.

Streitentscheidend ist, ob dem Beklagten eine der im § 899 Abs. 1 RVO. angeführte Stellung zukommt; als Unternehmer kommt Beklagter nicht in Betracht, da die Land- und Forstwirtschaftliche Sozialversicherungsanstalt festgestellt hat, daß es sich um einen in ihren Bereich fallenden Betriebsunfall handelt, und da es versicherungsrechtlich immer nur einen Unternehmer geben kann, Beklagter aber nicht unter die land- und forstwirtschaftliche Versicherung fällt, daher als Unternehmer nach § 898 RVO. mit Rücksicht auf dir bindenden Feststellungen ausscheidet. Da die Anordnung des Einführens des Klees mit dem Traktor in den Stadel über Befehl des Vaters des Beklagten, des Inhabers des landwirtschaftlichen Betriebes, erfolgt ist, dieser also selbst die Oberleitung in der Hand behalten hat, so scheidet die Anwendung des Haftungsausschließungstatbestandes "des Bevollmächtigten, Repräsentanten oder Betriebsaufsehers" aus. Es bleibt nur die Frage zu erwägen ob Beklagter im Betriebe seines Vaters "Arbeiteraufseher" gewesen ist. Der Oberste Gerichtshof hält in ständiger Rechtsprechung, zuletzt Entscheidung vom 29. Juni 1951, Versicherungsrundschau 1952 S. 17, daran fest, daß die Qualität eines Arbeiteraufsehers voraussetzt, daß eine Person für das Zusammenspiel persönlicher und technischer Kräfte verantwortlich ist. Das kann aber beim Beklagten nicht angenommen werden, da dieser nicht das Heueinführen zu leiten hatte, sondern nur bei Einfahrt in den Tennenboden die notwendigen Anordnungen zu treffen hatte. Es handelt sich also um eine ganz beschränkte Leitungstätigkeit. Auch wenn ein Ochsenwagen nach rückwärts einfahren soll, muß immer einer das Kommando übernehmen, nämlich der, der oben auf dem Wagen sitzt oder neben dem Wagen einhergeht und das Ganze übersieht. Deswegen ist er aber noch kein Arbeiteraufseher im Sinne des § 899 Abs. 1 RVO. Dieser muß vielmehr für den ganzen Arbeitsgang seiner Arbeitspartie die verantwortliche Leitung haben, nicht bloß beim Einfahren in einen Stadel. Dazu würde z. B. auch gehören, daß ihm die Anordnungen bezüglich des Auf- und Abladens übertragen worden wären. Das wird gar nicht behauptet. Er war nur auf die Führung seines Traktors, den er der väterlichen Landwirtschaft zum Klee-Einführen zur Verfügung gestellt hat, beschränkt. Ein für eine bestimmte Arbeit aufgenommener Traktorführer, mag er nun dafür bezahlt worden sein oder nicht, ist aber kein Arbeiteraufseher, sondern nur eine Hilfskraft im Betriebe, wenn er auch der Natur der Sache nach, rücksichtlich der in seinen Arbeitsbereich fallenden Arbeitsvorgänge, allen Beteiligten die entsprechenden Weisungen erteilt, weil er auf diesem Gebiete allein oder wenigstens im besonderen Maße sachkundig ist. Die Leitung einzelner Arbeitsvorgänge durch den in erster Reihe Sachverständigen begrundet nicht die organisatorische Unterstellung, die § 899 Abs. 1 RVO. rücksichtlich der dort aufgezählten Personen im Auge hat.

Ist aber der Beklagte nicht als eine der unter § 899 Abs. 1 RVO. fallenden Personen anzusehen, so fällt auch der Haftungsausschluß, den die Unterinstanzen angenommen haben, in sich zusammen. Da die Untergerichte die weiteren Einwendungen, insbesondere die des Mitverschuldens des Klägers am Unfall nicht überprüft haben, so waren die beiden unterinstanzlichen Urteile gemäß § 511 ZPO., auch das erstinstanzliche, aufzuheben.

Stichworte