Spruch:
Unter dem Wort "Inventar" ist der Begriff Zugehör im Sinne der §§ 294 ff. ABGB. zu verstehen.
Möbel sind nicht als Zugehör eines landwirtschaftlichen Gutes anzusehen.
Entscheidung vom 23. April 1952, 3 Ob 228/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Hopfgarten; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.
Text
Die Klägerin begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe einer in seinem Besitz befindlichen Schlafzimmereinrichtung aus Hartholz und einer Küchenkredenz mit der Begründung, sie sei als Universalerbin nach ihrem im April 1941 gefallenen Vater Viktor S. Eigentümerin der erwähnten Möbel, der Beklagte habe diese Möbel eigenmächtig an sich gebracht und verweigere deren Herausgabe.
Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß zwar der Vater der Klägerin diese in einer letztwilligen Anordnung zur Universalerbin des Gutes B. in W. samt allen Liegenschaften, der Wohnungseinrichtung in W., die nachträglich von der Mutter der Klägerin auf das Gut gebracht worden war, und von 2000 RM aus der Versicherungspolizze der Deutschen Beamtenversicherung einsetzte, daß aber im Nachlaßinventar der Verlassenschaftsabhandlung nach Viktor S. die Schlafzimmereinrichtung samt Kücheneinrichtung nicht aufscheine, die Klägerin daher nicht das Eigentumsrecht an diesen Gegenständen durch tatsächliche Übertragung des Eigentums erworben habe, da ihr diese Gegenstände nicht eingeantwortet worden seien. Aber selbst wenn man die Klägerin als Eigentümerin ansehen wollte, so habe sie ihr Eigentum an den Möbeln auf den Beklagten übertragen, da sie die ihr gehörige Hälfte der Liegenschaft Gut B. in W. Nr. 74, samt allem auf dem Grundstück befindlichen toten Inventar, wie es liegt und steht, mit vormundschaftlicher Genehmigung dem Beklagten verkauft und übergeben habe, der somit Eigentümer der Einrichtungsgegenstände geworden sei. Jedenfalls habe die Klägerin einen Beweis dafür, daß die Möbel nicht mitverkauft worden seien, nicht erbracht.
Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsansicht, daß die Klägerin als Universalerbin nach ihrem Vater durch die Einantwortung das Eigentum an dem ganzen dem Erblasser gehörigen Vermögen, somit auch an den prozeßgegenständlichen Einrichtungsgegenständen, ohne Rücksicht darauf erworben habe, ob diese Gegenstände in das Nachlaßinventar aufgenommen wurden oder nicht; die Einantwortungsurkunde umfasse den ganzen Nachlaß und habe die einzelnen Vermögensstücke gemäß § 174 AußStrG. gar nicht anzuführen. Da es sich bei der verkauften Liegenschaft um ein bäuerliches Gut handle, seien unter dem "Inventar" nur jene Fahrnisse zu verstehen, die als Zugehör einer Landwirtschaft zu gelten haben und zur Bewirtschaftung des Gutes dienen; Möbel und Wohnungseinrichtungsgegenstände seien im Zweifel nicht Zugehör eines ländlichen Gutes. Da eine ausdrückliche Vereinbarung, daß auch die Möbel mitverkauft seien, nicht erwiesen sei, sei der Beklagte zur Herausgabe der Einrichtungsgegenstände an die Klägerin verpflichtet.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Annahme des Berufungsgerichtes, daß die Klägerin Eigentümerin der gegenständlichen Einrichtungsgegenstände sei, wurde in der Revision nicht bekämpft. Die Revision wendet sich lediglich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß Möbel nicht zum Inventar eines bäuerlichen Gutes gehören, und behauptet, es sei, um jeden Zweifel auszuschließen, in den Kaufvertrag die Klausel aufgenommen worden, daß die Liegenschaftshälfte mit allem auf dem Anwesen befindlichen toten Inventar, wie es liegt und steht, verkauft werde, wodurch klargestellt sei, daß auch "die Möbelstücke im Verkauf mit inbegriffen seien".
Unter dem Wort Inventar ist der Begriff Zugehör im Sinne der §§ 294 ff. ABGB. zu verstehen. Als Zugehör gilt gemäß § 294 ABGB. dasjenige, was mit einer Sache in dauernde Verbindung gebracht wird, Nebensachen, ohne welche die Hauptsache nicht gebraucht werden kann oder die das Gesetz oder der Eigentümer zum fortdauernden Gebrauch der Hauptsache bestimmt hat, wozu insbesondere die in den §§ 295 bis 297 angeführten Sachen gehören. Möbel können schon nach ihrer Beschaffenheit nicht als Zugehör eines landwirtschaftlichen Gutes gewertet werden, weil sie weder Nebensachen sind, ohne die das Gut nicht gebraucht werden kann, noch Gerätschaften, die zur Fortsetzung des ordentlichen Wirtschaftsbetriebes des Gutes erforderlich sind (siehe auch Entscheidung GlU. 6389, Klang, 2. Aufl., zu § 294 ABGB., S. 13 ff., Ehrenzweig, Sachenrecht 1923, S. 165).
Die Klausel im Kaufvertrag kann daher nur dahin verstanden werden, daß alles Zugehör, wie Gras, Baumfrüchte, Getreide, Holz und die zum Gute gehörigen Werkzeuge und Gerätschaften, die zur Fortsetzung des ordentlichen Wirtschaftsbetriebes erforderlich sind, in seiner Gesamtheit von der Klägerin dem Beklagten verkauft wurde. Hingegen kann unter totem Inventar im vorliegenden Falle mangels ausdrücklicher Vereinbarung nicht die Wohnungseinrichtung verstanden werden. Daß aber eine ausdrückliche Vereinbarung in der Richtung getroffen wurde, es seien auch die klagsgegenständlichen Einrichtungsgegenstände als mitverkauft anzusehen, haben die Untergerichte nicht als erwiesen angenommen. Diesen Beweis hätte aber der Beklagte, der behauptet, Eigentum an den Möbeln erworben zu haben, erbringen müssen. Das Berufungsgericht hat daher ohne Rechtsirrtum angenommen, daß die Schlafzimmereinrichtung und Küchenkredenz nicht Gegenstand des Kaufvertrages waren, weshalb der Revision, die die Annahme des ursprünglichen Eigentums der Klägerin an den Möbeln als Alleinerbin nach ihrem Vater unangefochten gelassen hat, der Erfolg versagt bleiben mußte.
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