Spruch:
Für die Anfechtung nach § 3 Z. 1 AnfO. genügt, daß objektiv eine unentgeltliche Vermögenszuwendung vorliegt. Die Kenntnis des Beschenkten von einer Benachteiligungsabsicht des Schuldners wird nicht erfordert.
Entscheidung vom 23. April 1952, 3 Ob 184/52.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger hat gegen Julius S., den Gatten der Beklagten, eine vollstreckbare Forderung von 20.871.05 S. Eine Fahrnisexekution in das Vermögen des Schuldners blieb erfolglos. Der Schuldner hat einen Offenbarungseid geleistet. Julius S. hat in Form eines notariellen Schenkungsvertrages am 9. Juli 1947 sein Eigentum an der EZ. X Grundbuch R., bestehend aus Garten und Ortsried mit Haus, an seine Gattin Gisela S., die Beklagte übertragen. Dieser Schenkungsvertrag wurde erst im Jahre 1950 verbüchert. Julius S. hat sich an dieser Liegenschaft des lebenslängliche Fruchtgenußrecht vorbehalten.
Der Kläger ficht diesen Schenkungsvertrag nach § 3 Z. 1 AnfO. an.
Beide Untergerichte gaben dem Klagebegehren Folge.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wird ausgeführt, daß das Berufungsgericht zu Unrecht eine Schenkung angenommen habe. Aus dem Notariatsakt gehe hervor, daß eine Schenkung nicht gewollt gewesen sei, sondern ein typischer Übergabsvertrag vorliege, wie er bei der ländlichen Bevölkerung üblich sei, bei dem sich der Übergeber das Fruchtgenußrecht vorbehält. Die Feststellung des Berufungsgerichtes, der Wert des Eigentums übersteige den Wert des Fruchtgenußrechtes, habe keine aktenmäßige Grundlage. Es liege daher keine unentgeltliche Verfügung nach § 3 AnfO. vor.
Es ist richtig, daß es auf die Bezeichnung des Vertrages nicht ankommt, vielmehr der Charakter des Rechtsgeschäftes aus dessen Inhalt zu erschließen ist. Nun hat aber die Beklagte in erster Instanz niemals die Entgeltlichkeit des Rechtsgeschäftes behauptet, sondern im Gegenteil vorgebracht, daß sie im Zeitpunkt der Schenkung keine Benachteiligungsabsicht gehabt habe und weiters ausgeführt; "Von einer Absicht meines Gatten, Gläubiger durch das unentgeltliche Rechtsgeschäft zu benachteiligen, kann daher keine Rede sein". Aus diesem eigenen Vorbringen der Beklagten ergibt sich, daß von den Vertragsteilen tatsächlich eine Schenkung beabsichtigt war und daß sie in Schenkungsabsicht handelten. Durch den notariellen Vertrag wurde allerdings kein unbelastetes Eigentum übertragen, sondern dieses Eigentum war durch das Fruchtgenußrecht des Übergebers belastet, ohne daß aber dieses Fruchtgenußrecht ein Entgelt für die Übergabe der Liegenschaft darstellen sollte. Das Berufungsgericht hat daher mit Recht eine Schenkung angenommen.
Die Revision führt weiters aus, daß das Gesetz dem Beschenkten nicht den Beweis habe abschneiden wollen, daß er keine Benachteiligungsabsicht gehabt habe und ihm eine solche seines Vertragspartners auch schuldloserweise nicht bekannt gewesen sei. Ein solcher Beweis sei der Beklagten gelungen, weshalb der Anfechtungstatbestand nach § 3 der AnfO. nicht gegeben sei. Diese Ausführungen entbehren jeder gesetzlichen Grundlage. Eine Anfechtung nach § 3 Z. 1 der AnfO. ist auch dann zulässig, wenn dem Beschenkten eine Benachteiligungsabsicht nicht bekannt war. Es genügt vielmehr, daß objektiv eine unentgeltliche Vermögenszuwendung vorliegt. Auch wenn daher der Beklagten ein bezüglicher Beweis gelungen wäre, wäre eine Anfechtung nach § 3 AnfO. keineswegs ausgeschlossen.
Weiters wird ausgeführt, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, daß eine Exekution auf das Fruchtgenußrecht des Beklagten dem Kläger keine Befriedigung verschaffen könne. Nun ist bereits eine Fahrnisexekution in das Vermögen des Schuldners ohne Erfolg geblieben. Der Schuldner hat den Offenbarungseid abgelegt, wonach er pfändbares Vermögen nicht besitzt. Schon aus diesem Gründe ist die Anfechtung berechtigt. Das Berufungsgericht hat aber auch mit Recht angenommen, daß eine Exekution in das Fruchtgenußrecht im Hinblick auf die gegebene Sachlage ohne Erfolg geblieben wäre.
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