Normen
ABGB §1116a
AußStrG §72 (2)
Mietengesetz §19 (2) Z11
ABGB §1116a
AußStrG §72 (2)
Mietengesetz §19 (2) Z11
Spruch:
Die Ermächtigung ersetzt nicht die Einantwortung des Nachlasses und bewirkt deshalb auch nicht den Übergang der Nachlaßrechte auf den Ermächtigten, sie bedeutet nur die Erteilung des prozessualen Rechtes, den Nachlaß im Prozeß zu vertreten und für ihn Rechte geltend zu machen.
Entscheidung vom 23. April 1952, 1 Ob 278/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Hernals; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Das Erstgericht wies die Klage des Rudolf A. auf Räumung des Gassenladens in Wien, XVI., ab. Aloisia A., die Mutter des Rudolf A., sei bis zu ihrem am 9. April 1945 eingetretenen Tod Hauptmieterin des Bestandobjektes gewesen. Rudolf A. hingegen habe weder selbständig Mietrechte am Gassenladen erworben noch sei er nach § 1116a ABGB. Rechtsnachfolger seiner Mutter, da eine Verlassenschaftsabhandlung mangels Vermögens nicht stattgefunden habe und eine Ermächtigung nach § 72 Abs. 2 AußStrG. vom Abhandlungsgericht ihm nicht erteilt worden sei.
Infolge Berufung des Rudolf A. hob das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück. Wenngleich der in Frage stehende Gassenladen mit einer Werkstätte, einem Zimmer und einer Küche zusammen einen Bestandgegenstand bilde, sei das Geschäftslokal doch höherwertig als die Wohnräume, so daß nicht die Bestimmung des § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG., sondern die des § 1116a ABGB. auf die Rechtsnachfolge des Rudolf A. in die Mietrechte seiner Mutter anzuwenden sei. Rudolf A. könne sich auf den Berufungsgrund der gesetzlichen Erbfolge berufen. Das Erstgericht habe aber zu prüfen unterlassen, ob die Ermächtigung nach § 72 Abs. 2 AußStrG. vom Abhandlungsgericht dem Kläger erteilt werde. Dies sei nachzuholen. Falls sich die aktive Klagelegitimation des Rudolf A. ergeben sollte, werde auf die Einwendungen der Beklagten, insbesondere auf den von ihr behaupteten gutgläubigen Mietrechtserwerb einzugehen sein.
Der Oberste Gerichtshof hat dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Rudolf A. hat sich im Verfahren darauf berufen, daß ihm das Mietrecht am Gassenladen zustehe. Da er die Art der Entstehung des Mietrechtes nicht näher ausgeführt hat, waren die Untergerichte befugt, auch die Möglichkeit des Mietrechtserwerbes kraft Erbrechts zu prüfen. Nur dann, wenn sich Rudolf A. ausschließlich auf selbständigen Erwerb des Bestandrechtes berufen hätte, wäre den Untergerichten diese Möglichkeit versagt geblieben.
Bei der Beurteilung der erbrechtlichen Nachfolge des Rudolf A. in die Bestandrechte seiner Mutter ist - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - die Frage von Bedeutung, ob das Bestandobjekt als Geschäftslokal oder als Wohnung anzusehen ist. Im einen Fall käme § 1116a ABGB., im anderen § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. in Frage. Das Rekursgericht stimmt dem Berufungsgericht darin bei, daß nach der Lage der Dinge das aus zwei Räumen bestehende Geschäftslokal, in dem die Schneiderei betrieben wird, als wichtigster Teil des Bestandobjektes anzusehen ist und daß das anstoßende Zimmer und die Küche, so wie dies bei zahlreichen anderen Geschäftslokalen in Wien zutrifft, nur Zugehör zum Geschäftslokal sind. Es ist dem Berufungsgericht daher auch darin beizupflichten, daß eine Rechtsnachfolge des Rudolf A. als gesetzlichen Erben nach seiner Mutter Aloisia A. nach § 1116a ABGB. in Frage kommt.
Wie sich aus dem Abhandlungsakt ergibt, unterblieb mangels Nachlaßvermögens eine Verlassenschaftsabhandlung und es kam weder zur Erbserklärung noch zur Einantwortung des Nachlasses. Der ruhende Nachlaß blieb vielmehr bestehen und nur dieser ist berechtigt, Nachlaßforderungen und sonstige zum Nachlaß gehörige Ansprüche zu stellen. An dieser ausschließlichen Befugnis des Nachlasses zur Klage hätte es nichts geändert, wenn das Verlassenschaftsgericht schon vor dem Schluß der Verhandlung erster Instanz dem Kläger die Ermächtigung nach § 72 Abs. 2 AußStrG. erteilt hätte. Denn die Ermächtigung ersetzt nicht die Einantwortung des Nachlasses und bewirkt deshalb auch nicht den Übergang der Nachlaßrechte auf den Ermächtigten. Es handelt sich vielmehr nur um eine Erlaubnis, namens des ruhenden Nachlasses Rechte geltend zu machen. Die Ermächtigung nach § 72 Abs. 2 AußStrG. bedeutet daher nichts anderes als die Erteilung des prozessualen Rechtes, den Nachlaß im Prozeß zu vertreten und für ihn Rechte geltend zu machen.
Wenngleich Rudolf A. im eigenen Namen geklagt hat, war offensichtlich gemeint, daß der Nachlaß nach Aloisia A., vertreten durch ihn, Klagspartei sein sollte. Das Vergreifen im Ausdruck könnte dem Kläger in dieser Richtung nicht nachteilig sein und müßte das Rubrum daher in diesem Sinne von Amts wegen richtig gestellt werden. War dies aber so gemeint, durfte und mußte das Gericht die Frage klären, ob das Verlassenschaftsgericht dem Rudolf A. zur Prozeßführung die Ermächtigung nach § 72 Abs. 2 AußStrG. erteile. Denn unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt ist das Fehlen der Ermächtigung dem prozessualen Mangel der Vertretungsmacht gleichzusetzen und von Amts wegen zu prüfen (§§ 3, 7 ZPO.). Das Berufungsgericht hat also mit Recht - wenn auch mit nicht ganz richtiger Begründung - die Klärung dieser Frage für notwendig gehalten. Das Erstgericht wird darüber hinaus auch die Richtigstellung der Bezeichnung der klagenden Partei zu veranlassen haben.
Wenn sich herausstellen sollte, daß die aktive Klagslegitimation besteht - die Ermächtigung nach § 72 Abs. 2 AußStrG. ist unterdessen vom Abhandlungsgericht ausgesprochen worden - wird das Erstgericht in die Prüfung der weiteren Einwendungen der Beklagten einzugehen haben. Auch darauf hat das Berufungsgericht mit Recht verwiesen.
Bei dieser Rechtslage ist es nicht nötig, die vom Berufungsgericht erörterte Frage zu prüfen, ob Rudolf A., obwohl er rechtsfreundlich vertreten war, vom Richter anzuleiten gewesen wäre, die Prozeßermächtigung zu beschaffen. Denn das Erstgericht hätte auf diese Herbeischaffung unabhängig davon aus prozessualen Gründen Bezug zu nehmen gehabt.
Es erweist sich, daß das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil mit Recht aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen hat. Dem Rekurs mußte der Erfolg versagt werden.
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