OGH 3Ob208/52

OGH3Ob208/529.4.1952

SZ 25/94

Normen

ABGB §608
HGB §1
JN §88 (2)
ABGB §608
HGB §1
JN §88 (2)

 

Spruch:

Gastwirte - ausgenommen reine Herbergswirte - sind Kaufleute und betreiben ein Handelsgewerbe.

Daß der Beklagte nicht im Handelsregister eingetragen ist, vermag den Gerichtsstand des § 88 Abs. 2 JN. nicht auszuschließen.

Entscheidung vom 9. April 1952, 3 Ob 208/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Die klagende Partei hat beim Bezirksgericht Innsbruck das Begehren auf Verurteilung der im Sprengel des Bezirksgerichtes Kufstein wohnenden Beklagten zur Zahlung von 1176.10 S s. A. für die vom Erstbeklagten bestellten, für den Gastgewerbebetrieb der Zweitbeklagten bestimmten Waren gestellt. Die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Innsbruck stützte die klagende Partei auf die Bestimmung des § 88 Abs. 2 JN.

Der Erstrichter hat zunächst das Verfahren auf die Frage der Zuständigkeit eingeschränkt, dann aber nach Aufnahme der zur Klärung der Zuständigkeit zugelassenen Beweise auf den sachlichen Teil des Streitfalles ausgedehnt und sogleich in der Hauptsache weiter verhandelt, ohne eine Entscheidung über die von den Beklagten erhobene Einrede der Unzuständigkeit zu verkunden. Das Erstgericht hat mit Urteil dem Klagebegehren im wesentlichen (ausgenommen vorprozessuale Kosten von 33 S) stattgegeben und die von den Beklagten eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannt. Einen Beschluß über die Verwerfung der Einrede der Unzuständigkeit hat das Erstgericht in das Urteil nicht aufgenommen, sondern hat nur in den Gründen ausgeführt, daß und warum es die Einrede der Unzuständigkeit nicht für zutreffend erachte.

Das Urteil des Erstgerichtes fochten die Beklagten mit Berufung an, in der sie zwar erklärten, das Urteil seinem ganzen Inhalt nach zu bekämpfen, in der sie aber tatsächlich nur die Lösung der Frage der Zuständigkeit anfochten und den Berufungsantrag stellten, das Urteil aufzuheben und die Klage wegen Nichtigkeit zurückzuweisen oder zur Einleitung des Verfahrens vor dem zuständigen Bezirksgericht Kufstein die erforderlichen Anordnungen zu treffen.

Das Landesgericht Innsbruck gab mit dem angefochtenen Beschluß der Berufung der Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil wegen Mangels der örtlichen Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Innsbruck auf und wies die Klage zurück.

Der Oberste Gerichtshof stellte die Entscheidung des Prozeßgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Oberste Gerichtshof hatte sich zunächst mit der Frage der Zulässigkeit des Rekurses zu befassen. Er kommt zu dem Ergebnis, daß diese Frage zu bejahen sei. Das Erstgericht hat, wie bereits erwähnt wurde, in sein Urteil keinen Beschluß über die von den Beklagten erhobene Prozeßeinrede aufgenommen. Die beklagten Parteien haben das Urteil mit Berufung bekämpft, ihre Anfechtung richtet sich aber, wie sich aus dem Berufungsantrag mit aller Deutlichkeit ergibt, nur gegen die Entscheidung des Erstgerichtes über die prozeßhindernde Einrede. Soweit das Ersturteil sich mit dieser Frage aber befaßt, ist es nur als ein Beschluß anzusehen. Der Umstand, daß das Erstgericht über die Prozeßeinrede der Beklagten nur in den Gründen entschieden hat, macht diese Entscheidung nicht zu einer sachlichen. Es wäre daher im Sinne der Entscheidung vom 19. Juni 1906, Spruchrepertorium 193, gegen die Entscheidung des Prozeßgerichtes über die Einrede der Unzuständigkeit nur der Rekurs und nicht die Berufung das zulässige Rechtsmittel gewesen. Aus diesen Erwägungen folgt, daß auch das Landesgericht Innsbruck, als es über die Zuständigkeitsfrage - und mit etwas anderem hatte es sich nicht zu befassen - entschied, nicht als Berufungsgericht, sondern als Rekursgericht tätig geworden ist. Es kommt daher für die Zulässigkeit der Anrufung der dritten Instanz nicht § 519 ZPO., sondern §§ 514 und 528 ZPO. in Betracht.

Das Gericht zweiter Instanz hat die Zuständigkeit nach § 88 Abs. 2 JN. deshalb verneint, weil die Beklagten kein Handelsgewerbe betrieben. Der Erstbeklagte sei Schneider und Gastwirt, die Zweitbeklagte Gastwirtin. Daß ihre Firma im Handelsregister eingetragen sei, sei nicht behauptet worden. Das Gastgewerbe sei kein Handelsgewerbe im Sinn des § 1 HGB. und der dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegende Kauf betreffe auch nicht Gegenstände, die zur Verarbeitung und Weiterveräußerung im Gewerbebetrieb der Beklagten bestimmt gewesen seien.

Die Auffassung, von der die zweite Instanz ausging, ist irrig. Gastwirte sind - ausgenommen reine Herbergswirte - Kaufleute und betreiben ein Handelsgewerbe (vgl. Staub - Pinner § 1 Anm. 84, Wieland § 9 Fußnote 66, Schlegelberger § 1 Anm. 36). Daß die Beklagten keine reinen Herbergswirte sind, ergibt sich schon aus dem Vorbringen des Erstbeklagten, daß eine Reisegesellschaft von 104 Personen bei der Einnahme des Mittagessens wegen verspäteter Lieferung durch den Kläger nicht entsprechend bedient werden konnte. Ob die Beklagten im Handelsregister eingetragen sind, kommt für die Anwendbarkeit des § 88 Abs. 2 JN. nicht in Betracht (vgl. Neumann, Kommentar S. 224; Pollak, System S. 320).

Auch die Einwände, die von den Beklagten in ihrem Rechtsmittel gegen das Ersturteil erhoben wurden - Mangel des Betriebes eines Handelsgewerbes haben die Beklagten nicht geltend gemacht -, treffen nicht zu. Die Beklagten haben gar nicht behauptet, daß sie die Klausel "zahlbar und klagbar in Innsbruck" auf der Rechnung vom 1. Juni 1951 beanstandet haben. Um den Fakturengerichtsstand auszuschließen, hätten sie aber dieser Klausel widersprechen müssen oder es wäre zumindestens erforderlich gewesen, daß aus dem vom Erstgericht festgestellten Verhalten der Beklagten die Ablehnung des auf den Erfüllungsort bezüglichen Vermerkes zu schließen wäre. Daß ein Teil der mit der Rechnung vom 1. Juni 1951 fakturierten Ware zurückgestellt wurde und die Beklagten dann eine neue die ausgeschiedenen Posten nicht mehr aufweisende Faktura erhielten, ändert nichts daran, daß durch die Annahme der ersten Faktura schon der Fakturengerichtsstand begrundet wurde. Es kommt daher auch dem Einwand der Beklagten keine Bedeutung zu, daß sie die zweite Faktura erst nach Lieferung der Ware erhalten haben, wie der Erstbeklagte bei seiner Parteienvernehmung angegeben hat (vgl. Entscheidung vom 20. April 1920, ZBl. 1920 Nr. 229).

Aus diesen Erwägungen mußte dem Revisionsrekurs der klagenden Partei Folge gegeben werden.

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