OGH 1Ob693/51

OGH1Ob693/5131.10.1951

SZ 24/289

Normen

ABGB §908
ABGB §908

 

Spruch:

Angeld oder Vorauszahlung?

Entscheidung vom 31. Oktober 1951, 1 Ob 693/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Frohnleiten; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Das Erstgericht wies die auf Rückgabe der Anzahlung von 2000 S und auf Bezahlung eines Schadenersatzbetrages von 450 S gerichtete Klage ab. Mit Kaufbrief vom 14. August 1949 habe der Kläger vom Beklagten 20.000 kg süßes, trockenes, gesundes Heu zum Preis von 40 g und 10.000 kg Stroh zum Preis von 15 g gekauft und auf den Kaufpreis 2000 S a conto bezahlt. Die Ware sei vereinbarungsgemäß geliefert worden, der Kläger habe aber die Annahme zu Unrecht verweigert. Bei der Akontozahlung des Klägers von 2000 S handle es sich um ein Angeld im Sinne des § 908 ABGB., das der Beklagte mit Rücksicht auf die schuldhafte Unterlassung der Vertragserfüllung durch den Kläger nicht zurückzuzahlen brauche. Da den Beklagten keine Schuld treffe, habe er dem Kläger auch keinen Schadenersatzbetrag zu leisten.

Infolge Berufung des Klägers bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil, soweit das Begehren auf Zahlung des Schadenersatzes von 450 S abgewiesen worden war. Bezüglich des Betrages von 2000 S hob es das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellung des Erstgerichtes, daß die Lieferung des Heues vereinbarungsgemäß gewesen sei, und kam gleich diesem zur Überzeugung, daß mangels eines Verschuldens des Beklagten am Unterbleiben der Vertragsdurchführung dieser dem Kläger keinen Schadenersatz zu bezahlen habe. Was hingegen den vom Kläger geforderten Betrag von 2000 S betreffe, handle es sich nicht um ein Angeld im Sinne des § 908 ABGB. Dieser Betrag sei - und dies ergebe sich aus dem Kaufbrief vom 14. August 1949 - lediglich als erste Teilzahlung auf das bestellte Heu, nicht aber als Zeichen der Abschließung oder zum Zwecke der Sicherstellung der Erfüllung des Vertrages geleistet worden. Im Kaufbrief sei die Akontozahlung von 2000 S bei den Zahlungsbedingungen angeführt worden, bei denen auch die Rede davon sei, daß der Restbetrag nachgenommen werde. Auch die Höhe des Betrages, der ein Viertel des Kaufpreises für das Heu ausmache, spreche gegen die Rechtsnatur eines Angeldes. Da der Kläger infolge der Stornierung des Kaufes Anspruch auf Zurückzahlung der 2000 S habe, müsse das Erstgericht auf die vom Beklagten geltend gemachten Gegenforderungen eingehen und sie auf Grund und Höhe überprüfen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Bei manchen Kaufverträgen ist es üblich, einen Teil des Kaufpreises im voraus zu bezahlen. Da nach den Erfahrungen des täglichen Lebens den Vertragskontrahenten der Sinn einer solchen Vorauszahlung vielfach nicht deutlich vor Augen steht, bestimmte § 908 ABGB., daß das, was bei Abschließung eines Vertrages voraus gegeben wird, außer im Falle einer besonderen Verabredung, nur als Zeichen der Abschließung oder als Sicherstellung für die Erfüllung des Vertrages zu betrachten ist und deshalb als Angeld mit der vom Gesetz vorgesehenen Bestimmung gilt. Das Gesetz präsumiert somit die Absicht der Vertragsparteien, den im voraus gegebenen Geldbetrag nicht etwa nur als Begleichung eines Teiles des Kaufpreises zahlen zu wollen, sondern ihn darüber hinaus auch als Zeichen der Abschließung und als Sicherstellung der Erfüllung anzusehen. Wie Zeiller III/1, zu § 908, ausführt, handelt es sich darum, dem allfälligen "Irrwahn" und den Streitigkeiten der Parteien über den Sinn der Vorauszahlung vorzubeugen. Nur im Falle einer besonderen Verabredung sollte das Angeld nicht als solches angesehen werden können.

Seit der Erlassung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches ist die Bedeutung der aus dem Gemeinen und dem Römischen Recht übernommenen Institution des Angeldes gering geworden. Schon Johanny, Das Angeld, GH. 1864, S. 151 ff., hat darauf hingewiesen, daß es beim Abschluß eines Realvertrages oder im Falle der Schriftlichkeit eines Vertrages überflüssig wäre, einen Geldbetrag als besonderes Zeichen der Abschließung des Vertrages hinzugeben. Denn die tatsächliche Ausführung des Geschäftes oder die Vertragsurkunde seien ein genügender Beweis hiefür. Seither ist die Schriftlichkeit der Vertragserrichtung die Regel geworden und damit ist der hauptsächlichste Zweck des Angeldes fortgefallen (vgl. Palandt, Komm. zum DBGB. 8, S. 380). Sogar die neue Landarbeitsgesetzgebung, die früher dem Angeld (Handgeld, Aufgedingegeld) größeren Spielraum einräumte, erwähnt es bis auf § 7 Abs. 3 der Salzburger Landesarbeitsordnung vom 10. März 1949, LGBl. 42, nicht mehr.

Sicherlich besteht in manchen Fällen des Vertragsabschlusses das Bedürfnis nach Sicherung der Erfüllung, und da kommt dem Angeld auch heute noch Bedeutung zu (so wie dies vom Vadium im Exekutionsverfahren gilt). Allein, wenn bei vielen schriftlich geschlossenen Kaufverträgen die Vorauszahlung eines Teiles des Kaufpreises vereinbart wird, besteht zumeist nicht mehr die Absicht der Erfüllungssicherung, sondern der bloßen Akontozahlung, also der teilweisen Begleichung des Kaufschillings, sei es, damit der Verkäufer in die Lage versetzt wird, die Ware anzuschaffen, sei es, daß aus anderen Gründen bestimmte, sogleich beginnende Zahlungstermine ausgemacht werden. In derartigen Fällen kann nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens oder der Auslegung der Vertragsurkunde die stillschweigende Vereinbarung der Parteien angenommen werden, eine bloße Anzahlung ohne die Rechtsfolgen des § 908 ABGB. zu bedingen. Mit Recht vertreten Gschnitzer - Klang, 1. Aufl., zu § 908, S. 396 f., und Swoboda III, S. 67, für das deutsche Recht der Komm. der RG.-Räte 9, S. 679, die Meinung, daß dann, wenn von Anzahlung oder Akontozahlung die Rede sei, regelmäßig kein Angeld angenommen werden könne, daß also dann der Gegenbeweis, wie er im § 908 ABGB. gefordert wird, erbracht sei. Dieselbe Rechtsansicht haben schon alte Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (vom 10. Juni 1863, vom 6. Juni 1877, beide bei Jolles, Systematische Übersicht über die oberstgerichtliche Rechtsprechung zu Angeld, Reugeld und Konventionalstrafe, ZBl. 1894, S. 370 ff., vom 29. Dezember 1898, GlUNF. 434) und verschiedene neuere (SZ. V/81, SZ. VIII/61) vertreten und darauf hingewiesen, daß der höhere Betrag der Anzahlung an sich schon gegen die Annahme eines Angeldes spreche. Der gegenteiligen Meinung einzelner anderer Entscheidungen und von Ehrenzweig II/1, S. 186, kann nicht gefolgt werden.

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht im Einklang mit der dargelegten Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes aus dem Kaufbrief vom 14. August 1949 gefolgert - dabei handelte es sich um dessen rechtliche Beurteilung (2 Ob 623/50) und nicht um tatsächliche Feststellungen -, daß nach der Einreihung der bedungenen Anzahlung unter die Zahlungsbedingungen des Kaufbriefes, nach ihrer Bezeichnung als Akontozahlung und nach der ein Viertel des gesamten Kaufpreises des Heues erreichenden Höhe der Anzahlung der Vertragswille zu erschließen sei, eine bloße Vorauszahlung zu vereinbaren. Dieser Meinung schließt sich das Rekursgericht an. Auf die Bezeichnung des vom Kläger geforderten Betrages von 2000 S kommt es nicht an. Auch wenn in der Klage von "Angeld" die Rede ist, ergibt sich aus dem übrigen Vorbringen des Klägers, daß er nichts anderes will, als daß der Beklagte ihm den vorausgezahlten Teil des Kaufschillings nach der nunmehrigen Vertragsaufhebung zurückzahle. Es kann also nicht gesagt werden, daß der Kläger den Charakter der Anzahlung als eines Angeldes im technischen Sinne des § 908 ABGB. bestätigt hätte.

Es ergibt sich, daß der Anspruch des Klägers auf Rückerstattung der Anzahlung nicht verneint werden kann und daß das Erstgericht die vom Beklagten eingewendeten Gegenforderungen zu überprüfen gehabt hätte. Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes entspricht der Sach- und Rechtslage.

Dem Rekurs mußte der Erfolg versagt werden.

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