OGH 2Ob456/51

OGH2Ob456/5131.10.1951

SZ 24/291

Normen

ABGB §771
ABGB §784
AußStrG §2
AußStrG §95
ABGB §771
ABGB §784
AußStrG §2
AußStrG §95

 

Spruch:

Das Unterlassen der Beiziehung eines Noterben zur Verlassenschaftsabhandlung begrundet die Nullität des Abhandlungsverfahrens.

Entscheidung vom 31. Oktober 1951, 2 Ob 456/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Peuerbach; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Die Erblasserin hinterließ ein notarielles Testament vom 1. Dezember 1942 und ein fremdschriftliches vom 22. Oktober 1950. In dem ersteren setzte sie den Alois H. als Erben ein und sprach die Enterbung ihrer Enkelin Marie K., der Tochter ihres verstorbenen Sohnes aus, in dem letzteren bezeichnete sie die Anna G. als Erbin. Diese bekannte sich zum Nachlaß unbedingt als Erbin.

Das Erstgericht nahm ihre Erbserklärung an und erließ die Einantwortungsurkunde, obwohl Marie K. von der Verlassenschaftsabhandlung nicht verständigt worden war. Marie K. begehrte nach Zustellung der im Verlassenschaftsverfahren ergangenen Beschlüsse als Noterbin die Inventarisierung des Nachlasses, bestritt die Gültigkeit ihrer Enterbung im notariellen Testament und die Gültigkeit des fremdschriftlichen Testamentes mangels eines auf die Zeugenschaft hinweisenden Zusatzes zweier Testamentszeugen und erhob Rekurs gegen die im Verlassenschaftsverfahren ergangenen Beschlüsse. Nach der Erhebung des Rekurses wurde von dem Gerichtsabgeordneten ein Inventar unter Zuziehung der Enkelin der Erblasserin errichtet.

Das Rekursgericht gab dem Rekurse unter Berufung auf die Ausführungen von Schell in Klangs Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, II/1 S. 783, 1. Aufl., nicht Folge. Wenn ein Noterbe nach der Einantwortung der Verlassenschaft seinen Pflichtteilsanspruch geltend mache, so müßten Umfang und Wert des Nachlasses im Zivilprozeß festgestellt werden, auch wenn das spätere Hervortreten des Noterben darin seine Ursache habe, daß er vom Abhandlungsgericht nicht verständigt worden war.

Der Oberste Gerichtshof hob die Beschlüsse der Untergerichte auf und trug dem Verlassenschaftsgericht auf, die Abhandlung des Nachlasses unter Zuziehung der Noterben durchzuführen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Vorzüge des Abhandlungsverfahrens liegen unter anderem in der Vermeidung von Erbstreitigkeiten. Die Absicht des Gesetzgebers kann aber nur dann verwirklicht werden, wenn diejenigen Personen, die nach der gesetzlichen Vorschrift am Abhandlungsverfahren zu beteiligen sind, auch von der Verlassenschaftsabhandlung verständigt werden. Für den eigenberechtigten Noterben ergibt sich das Recht zur Beteiligung aus den §§ 784 und 804 ABGB. Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof schon in der Entscheidung vom 12. September 1871, GlU. Nr. 4261, zum Ausdruck gebracht, daß eine Einantwortung des Nachlasses voreilig ist, wenn der Pflichtteilsberechtigte zur Abhandlung nicht geladen ist, und daß dieser Mangel zur Aufhebung der Einantwortungsurkunde führt. An dieser Rechtsansicht hat der Oberste Gerichtshof auch in späterer Zeit in den Entscheidungen vom 11. Dezember 1935, 3 Ob 836/35 (NotZ. 1936, S. 109), und vom 23. Juni 1936 (NotZ. 1936, S. 160) festgehalten. Die Ausführungen von Schell zu § 804 ABGB. in Klangs Kommentar, 1. Auflage, auf die sich das Rekursgericht stützt, sind in der zweiten Auflage von Weiß nicht mehr übernommen worden. Das Abhandlungsverfahren ist eine Zusammenfassung von Akten behördlichen Einschreitens und an die allgemeinen Nichtigkeitsgrundsätze gebunden. Es kann nicht dem Ermessen des Gerichtes oder des Gerichtsabgeordneten anheimgestellt werden, ob der Pflichtteilsberechtigte zur Verlassenschaftsabhandlung zu laden ist. Wird der Enterbungsgrund bestritten, so muß ihn der Erbe im Prozeßwege erweisen (§ 771 ABGB.). Daß die Enkelin, deren Vorhandensein schon aus dem notariellen Testamente hervorging, zur Abhandlung nicht vorgeladen wurde, stellt einen Verfahrensmangel dar, der eine Nullität begrundet.

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