Spruch:
Stellt der Vormann dem Übernehmer einer Sache nach Streitverkündigung nicht Material zur Abwehr des von einem Dritten auf die Sache erhobenen Anspruches zur Verfügung, so kann er dem Wandlungsanspruch des die Abwehr unterlassenden Übernehmers nicht mehr entgegensetzen, daß der vom Dritten behauptete Anspruch nicht besteht.
Entscheidung vom 10. Oktober 1951, 1 Ob 630/51.
I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die Klägerin hat in der Klage zunächst nur die Bezahlung von Arbeiten begehrt. Die Beklagte hat eingewendet, daß die Forderung der Klägerin durch Hingabe einer Drehbank an Zahlungs Statt erloschen sei. Die Klägerin hat dies in einem bei der Verhandlung am 6. Juli 1949 vorgetragenen Schriftsatz zugegeben, jedoch weiter ausgeführt, daß die Drehbank bei ihr von der Kriminalpolizei beschlagnahmt und den X-Werken als Eigentum ausgefolgt wurde. Sie habe daraufhin von der Beklagten neuerlich die Bezahlung des Betrages von 6000 S begehrt und diese habe ihre Zahlungsverpflichtung anerkannt und nur versucht, Ratenzahlungen zu erreichen. Die Beklagte erklärte bei der Verhandlung, zum Schriftsatz nicht Stellung nehmen zu können, weshalb ihr auf Verlangen eine 14tägige Frist zur Einbringung eines vorbereitenden Schriftsatzes erteilt wurde. Erst in dem darauf eingebrachten Schriftsatz wendete sich die Beklagte auch gegen die Zulassung des neuen Vorbringens der Klägerin, welches eine Klagsänderung enthalte.
Das Erstgericht hat über den Einwand des Beklagten keinen Beschluß gefaßt, in dem schließlich ergangenen Urteil das neue Vorbringen jedoch berücksichtigt, die Klage aber trotzdem abgewiesen.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil im Sinne des Klagebegehrens ab, ohne zur Frage der Klagsänderung Stellung zu nehmen, die auch vom Beklagten in seiner Berufungsmitteilung nicht berührt worden war.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision rügt zunächst, daß dem Urteile die geänderte Klage zugrunde gelegt würde, obwohl der Beklagte sich gegen die Änderung ausgesprochen hatte. Der Einwand ist unbegrundet. Der geänderte Sachverhalt wurde schon am 6. Juli 1949 vorgetragen. Wenn der Beklagte damals erklärte, er könne sich zu dem neuen Vorbringen nicht äußern, so konnte sich das nur auf die neuen Tatsachenbehauptungen beziehen, nicht aber auf die reine Rechtsfrage, ob in dem neuen Vorbringen eine Klagsänderung liege und ob es zweckmäßig sei, gegen sie Einwendungen zu erheben. Der Beklagte hat sich also damals schon, indem er sich die Einbringung eines Schriftsatzes über das neue Vorbringen der Klägerin vorbehielt, in die Verhandlung über das geänderte Vorbringen eingelassen. Er konnte in dem dann von ihm eingebrachten Schriftsatz nicht mehr wirksam ankundigen, daß er sich diesem Vorbringen als einer Klagsänderung entgegenstellen werde. Die Erledigung seines Antrages, die Klagsänderung nicht zuzulassen, hätte also nur im Sinne einer Zurückweisung des Antrages erfolgen können. Es brauchte also nicht geprüft zu werden, ob wirklich eine Klagsänderung vorlag und welchen Einfluß es ausübte, daß der Beklagte es im Berufungsverfahren unterlassen hat, darauf hinzuweisen, daß das Urteil erster Instanz gegen den Widerspruch des Beklagten über die geänderte Klage ergangen ist, ohne daß die Klagsänderung zugelassen worden wäre.
Im übrigen hängt die Entscheidung in dieser Sache nicht davon ab, ob der Beklagte im Zeitpunkt seines Anerkenntnisses sich in einem Irrtum darüber befand, ob die Drehbank gestohlen war. Von Bedeutung wäre nur ein Irrtum über den Bestand eines Wandlungsanspruches.
Wenn eine Sache von einem Dritten wegen eines Rechtsmangels auf Seite des Vormannes des Besitzers in Anspruch genommen wird, so hat dieser nach § 931 ABGB. dem Vormann den Streit zu verkundigen. Unterläßt er dies, so verliert er zwar nicht das Recht der Schadloshaltung, aber sein Vormann kann ihm alle wider den Dritten unausgeführt gebliebenen Einwendungen entgegensetzen und sich dadurch ganz oder teilweise vom Schadenersatz befreien. Hat der Erwerber aber seinen Vormann verständigt, so ist es vor allem Sache des Vormannes, ihm Vertretung zu leisten, wie es in der ursprünglichen Fassung des § 931 ABGB. hieß, der durch die III. Teilnovelle nur zur Herstellung der Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Zivilprozeßordnung geändert wurde. Soweit der Vormann dem Besitzer also nicht das Material zur Verfügung stellt, um den Kampf gegen den Dritten oder gegen eine wegen des Rechtes eines Dritten einschreitende Behörde erfolgreich zu führen, kann der Erwerber die Ansprüche des Dritten erfüllen oder unbestritten lassen und auf den Wandlungsanspruch greifen, ohne daß der Vormann ihm entgegensetzen könnte, daß der von dritter Seite behauptete Rechtsmangel nicht gegeben war. Die Gewährleistungspflicht beruht also im Gründe nicht auf dem Rechtsmangel, sondern darauf, daß es trotz Verständigung des Vormannes und obwohl ihm Gelegenheit geboten war, Einfluß auf den Streit zwischen Erwerber und Dritten zu nehmen, nicht gelungen ist, die Ansprüche des Dritten, mögen sie nun in der Tat bestehen oder nicht, erfolgreich abzuwehren.
Es kommt also im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob der Beklagte Eigentum an der Drehbank besaß, sondern nur darauf, ob der Beklagte der Klägerin, als die Drehbank beschlagnahmt wurde, Material zur Bekämpfung der Beschlagnahme zur Verfügung stellen konnte, das in absehbarer Zeit zur Wiedererlangung des Gegenstandes geführt hätte. Der Beklagte hat nun gar nicht behauptet, der Klägerin ein derartiges Material zur Verfügung gestellt zu haben oder auch nur in der Lage gewesen zu sein, dies zu tun. Auch wenn der Beklagte sich nur irrtümlich für außer Stande gehalten hat, sein Eigentum und den Übergang seiner Rechte auf den Kläger darzutun, so hat er doch die ihm obliegende Vertretung des Klägers unterlassen, und der Gewährleistungsanspruch ist schon infolge dieser Unterlassung begrundet. Der Irrtum des Beklagten betrifft also nicht den Bestand des Gewährleistungsanspruches. Der Irrtum hat den Beklagten nur zu einem Verhalten veranlaßt, aus welchem der Gewährleistungsanspruch ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Bestand seiner Rechte entstehen mußte. Der Beklagte hat somit nicht einen bestehenden Anspruch aus Irrtum anerkannt, er hat vielmehr einen nach der Sachlage begrundeten Anspruch anerkannt, der aber vielleicht nur deswegen entstanden ist, weil er sich bei seinem Verhalten durch einen Irrtum leiten ließ.
Ist aber einmal der Kampf um den in Anspruch genommenen Gegenstand mit Genehmigung des Vormannes aufgegeben und der Wandlungsanspruch entstanden, so kann der Vormann deswegen, weil ihm nun klar wird, daß der Kampf doch aufzunehmen gewesen wäre, nicht die Wandlung anfechten. Er muß vielmehr selbst gegenüber dem Dritten alle Rechte an dem Gegenstand geltend machen, die ja infolge der Wandlung an ihn zurückgefallen sind.
Das Anerkenntnis bindet also den Beklagten. Da die Frage, ob der Beklagte nicht doch Eigentümer geworden ist, für den Bestand des Wandlungsanspruches nicht von Bedeutung ist, liegt auch keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens darin, daß das Berufungsgericht die von der Beklagten zum Beweis ihres Eigentumserwerbes geführten Zeugen übergangen hat. Das Berufungsgericht hat also mit Recht den anerkannten Anspruch zuerkannt.
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