OGH 3Ob392/51

OGH3Ob392/515.10.1951

SZ 24/263

Normen

ZPO §228
ZPO §411
ZPO §228
ZPO §411

 

Spruch:

Wird ein negatives Feststellungsbegehren aus meritorischen Gründen rechtskräftig abgewiesen, so ist damit das zugrunde liegende Recht oder Rechtsverhältnis positiv festgestellt. Wird später auf Leistung aus dem Recht oder Rechtsverhältnis geklagt, so ist das Gericht an die Vorentscheidung gebunden.

Entscheidung vom 5. Oktober 1951, 3 Ob 392/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Leibnitz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Der Beklagte Johann W. hat auf Grund eines Kaufvertrages das bücherliche Eigentum an der Liegenschaft EZ. 978, Grundbuch L., bestehend aus den Grundstücken Nr. 140 und 142, erworben. Der Kläger Franz W. hat mit Übereinkommen vom 23. April 1945 den gesamten Nachlaß seiner am 3. Feber 1945 verstorbenen Frau Anna W., der Schwester des Beklagten, übernommen.

In dem zu Zahl C./46 des Bezirksgerichtes L. geführten Vorprozeß stellte der heutige Beklagte als Kläger gegen den heutigen Kläger als den Beklagten das Begehren auf Feststellung, das Franz W., dem heutigen Kläger, an der vorbezeichneten Liegenschaft oder einem Teil davon kein Eigentumsrecht zustehe, er begehrte weiter, den Franz W. schuldig zu erkennen, jeden weiteren Eingriff in das Eigentum des damaligen Klägers an diesen Grundstücken zu unterlassen und den vom Beklagten bebauten Teil der Liegenschaft gegen Ersatz der Anbaukosten ihm, dem damaligen Kläger Johann W., zu übergeben.

Das Bezirksgericht L. hat mit Urteil vom 17. Juli 1947 dieses Klagebegehren abgewiesen. Es ging dabei von der Annahme aus, daß die Gattin des Franz W., Anna W., das außerbücherliche Eigentum (richtig Miteigentum) an dem streitigen Grundstück durch Schenkung mit wirklicher Übergabe erlangt habe.

Auf die Berufung des damaligen Klägers Johann W. hat das Berufungsgericht dieses Urteil mit der Entscheidung vom 29. Jänner 1948 bestätigt. Auch das Berufungsgericht erblickte in dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt eine Schenkung mit wirklicher Übergabe, nahm zwar keinen außerbücherlichen Eigentumserwerb an, doch billigte es der Anna W. einen Anspruch auf Eigentumsübertragung zu. Mit Rücksicht auf diesen Anspruch verneinte das Berufungsgericht ein Rechtsschutzinteresse des damaligen Klägers Johann W. Der Oberste Gerichtshof bestätigte mit Urteil vom 10. November 1948, die Entscheidung des Berufungsgerichtes. Er vermochte sich allerdings der Ansicht der Vorinstanzen, daß eine Schenkung mit wirklicher Übergabe vorliege, nicht anzuschließen. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes sei aber eine Zusage des damaligen Klägers vorgelegen, seinen Eltern gegenüber übernommen, nach Ankauf der Grundstücke seine Schwester Anna zur Hälfte als Miteigentümerin grundbücherlich eintragen zu lassen, sowie ein späteres Anerkenntnis dieser Verpflichtung. Die Unterlassung der Erfüllung dieser Verpflichtung habe dem damaligen Kläger Johann W. das Recht genommen, sich seiner Schwester und seinem Schwager Franz W. gegenüber auf sein grundbücherliches Eigentum zu berufen. Daraus folge die Unzulässigkeit des Feststellungs- und Unterlassungsbegehrens.

Der nunmehr vorliegende Rechtsstreit hat das von Franz W. als Rechtsnachfolger seiner Gattin Anna W. gestellte Begehren zum Gegenstand, seinen Schwager Johann W. schuldig zu erkennen, der Vermessung der beiden Grundstücke Nr. 140 und 142 in zwei flächengleiche Hälften zuzustimmen, bei der Festlegung der Vermarkung mitzuwirken, sowie in die zum Erwerb des Eigentums an den Trennstücken erforderliche Abschreibung von der Liegenschaft EZ. 978, Grundbuch L., und in die Zuschreibung dieses Trennstückes zu willigen.

Das Erstgericht gab nach Durchführung eines umfangreichen Beweisverfahrens dem Klagebegehren in vollem Umfang Folge.

Dieses Urteil wurde vom Beklagten Johann W. wegen unrichtiger Beweiswürdigung, unrichtiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit Berufung angefochten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge. Es vertrat hiebei die Rechtsansicht, daß zufolge der dem Urteil im Vorprozeß innegewohnten Tatbestandswirkung es gar keiner Beweisaufnahme bedurft hätte und daß aus dem Urteil im Vorprozeß sich die Voraussetzungen für den Erfolg der nunmehr vorliegenden Klage ohne weiteres ergeben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Jede Entscheidung über eine Klage oder Widerklage, die die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses verfolgt, legt gleich der auf Leistung aus dem Rechtsverhältnis gerichteten Klage das streitige Rechtsverhältnis unabänderlich fest. Vorausgesetzt ist dabei, wenn es sich um die Abweisung einer negativen Feststellungsklage handelt, nur, daß die Abweisung auf sachlichen, nicht lediglich auf prozeßrechtlichen Erwägungen, etwa weil die Voraussetzungen für eine Feststellungsklage fehlen, beruht. Nur insoweit ist auf die der Entscheidung beigegebenen Gründe zurückzugehen. Ergeben diese, daß die verneinende Feststellungsklage abgelehnt wurde, weil die entgegengesetzte positive Feststellung als zutreffend erachtet wurde, so hat das abweisende Urteil die Bedeutung dieser bejahenden Feststellung.

Diese Rechtsansicht hat der Oberste Gerichtshof wiederholt im Verhältnis von sententia negatoria und confessoria ausgesprochen (vgl. GlUNF. 3921, SZ. IX/243, SZ. XIII/54 und EvBl. 1951, Nr. 192). Gleiches muß aber auch für andere Fälle von negativen Feststellungsurteilen gelten. Ob man diese der abweislichen Entscheidung über ein negatives Feststellungsbegehren innewohnende Wirkung, wie das Berufungsgericht vermeint, als Tatbestandswirkung ansieht oder ob es sich dabei um einen Ausfluß der inneren (materiellen) Rechtskraft handelt, tut nichts zur Sache. Jedenfalls ist die Ansicht der Revision abzulehnen, die eine Bindung an eine dieselben Parteien betreffende Vorentscheidung nur gelten lassen will, wenn dem neuen Begehren der Einwand der res judicata entgegensteht. Feststellungsurteile sind nicht vollstreckbar und können darum nicht die Unzulässigkeit der Geltendmachung des dem Feststellungsurteil entsprechenden Leistungsbegehrens herbeiführen. Trotzdem besteht aber die Bindung des Gerichtes an die Vorentscheidung, wenn die rechtskräftig festgestellte Rechtsfolge präjudizielle Voraussetzung des im zweiten Prozeß erhobenen Anspruches ist. Auch in diesem Falle muß der Gefahr einer zweiten widersprechenden Entscheidung begegnet Werden. Es muß daher die Meinung des Revisionswerbers abgelehnt werden, daß der später erhobenen Leistungsklage neue sachliche Einwendungen entgegengestellt werden können. Diese Ansicht ist irrig und mit dem Wesen der Rechtskraft unvereinbar. Nur solche Einwendungen stehen dem Beklagten zu, die auf Grund späterer rechtserheblicher Tatsachen dartun sollen, daß der von dem rechtskräftigen Urteil unmittelbar oder durch Abweisung des konträren Feststellungsbegehrens mittelbar anerkannte Anspruch nachträglich ganz oder zum Teile untergegangen sei und darum jetzt nicht mehr oder nicht mehr ganz bestehe.

Zuzugeben ist der Revision allerdings, daß aus dem Urteil im Vorprozeß nicht zu entnehmen ist, ob der Anspruch des Klägers durch Einräumung eines ideellen Miteigentums oder durch Realteilung zu erfüllen ist. Gerade in dieser Richtung aber hat der Beklagte das Ersturteil mit Berufung nicht angefochten. Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf der Aktenwidrigkeit ist haltlos.

Aus diesen Erwägungen mußte der Revision der Erfolg versagt werden.

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