OGH 2Ob322/51

OGH2Ob322/514.7.1951

SZ 24/180

Normen

ABGB §1162b
ABGB §1168
ABGB §1304
ABGB §1325
AngG §29
ABGB §1162b
ABGB §1168
ABGB §1304
ABGB §1325
AngG §29

 

Spruch:

Der Verletzte muß sich auf seinen Rentenanspruch nur die Einkünfte anrechnen lassen, die er aus einem von ihm ausgeschlagenen, ihm jedoch zumutbaren Erwerb hätte beziehen können. Er muß aber nicht jeden beliebigen Erwerb annehmen.

Entscheidung vom 4. Juli 1951, 2 Ob 322/51.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger, der als Maurervorarbeiter beschäftigt war, wurde im Alter von 65 Jahren von einem Kraftwagen niedergestoßen und schwer verletzt; die Unfallsfolgen machten ihm die Ausübung seiner bisherigen Beschäftigung unmöglich. Der Kraftwagenlenker ist wegen des Unfalles der Übertretung des § 335 StG. schuldig erkannt worden. Der Kläger begehrte vom Eigentümer und Lenker des Kraftwagens bis zur Vollendung seines 70. Lebensjahres die Bezahlung einer Rente.

Das Prozeßgericht sprach ihm bis zu diesem Zeitpunkt eine Rente zu.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Schwerpunkt der in der Revision erhobenen Rechtsrüge liegt darin, daß der Kläger, wenn auch nicht zu der vor dem Unfall ausgeübten Erwerbstätigkeit, so doch zu einem anderen Erwerbe fähig wäre, zu dem das Besteigen von Leitern und Gerüsten nicht notwendig ist. Bei dem Schadenersatzanspruch wegen Verdienstentganges nach § 1325 ABGB. ist jedoch davon auszugehen, daß der Verletzte dem Erwerbe, den er bisher ausgeübt hat, nicht nachgehen kann, auch wenn er zu einem anderen Erwerbe noch fähig ist. Der Beschädigte muß nicht jeden beliebigen Erwerb ergreifen, denn darin könnte eine neuerliche Schädigung seiner Person erblickt werden. Nur wenn der Beschädigte einen Erwerb ausschlägt, der ihm zuzumuten ist, muß er sich das dadurch Versäumte anrechnen lassen (§ 1304 ABGB., vgl. §§ 1162b und 1168 ABGB. und § 29 AngG. - vgl. Klang, Komm., 2. Aufl., zu § 1325 ABGB., S. 132, und die dort angeführte Literatur sowie die dort angeführten Entscheidungen, ferner Kapfer, ABGB., Entscheidung Nr. 2 zu § 1325). Das Erstgericht hat den Standpunkt eingenommen, daß dem Kläger als 67jährigem Manne eine andere Beschäftigung als die von ihm durch lange Jahre vor dem Unfall ausgeübte nicht zugemutet werden könne. Diesem Standpunkt pflichtet das Revisionsgericht bei (wozu zu bemerken ist, daß auch eine allfällige Gleichstellungsbescheinigung nach § 13 Invalideneinstellungsgesetz, BGBl. Nr. 163/46, in der Fassung der Invalideneinstellungsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 146/50, die Eignung zur angestrebten Beschäftigung voraussetzt und nicht etwa erspart). Wenn die Beklagten gemäß § 1304 ABGB. ein Mitverschulden des Klägers durch Verletzung seiner aus dieser Gesetzesstelle zu erschließenden "Rettungspflicht" geltend machen wollen (und darauf läuft die Behauptung, daß der Kläger zu einem "anderen" Erwerb fähig wäre, ja hinaus), genügt überdies nicht die allgemeine Behauptung, Kläger hätte eine ihm zumutbare Ersatzbeschäftigung finden können (welcher Behauptung durchaus nicht die Selbstverständlichkeit allgemeiner Lebenserfahrung innewohnt), sondern die Beklagten hätten behaupten und unter Beweis stellen müssen, daß der Kläger eine bestimmte, ihm

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