OGH 3Ob318/51

OGH3Ob318/5127.6.1951

SZ 24/171

Normen

ABGB §1053
ABGB §1053

 

Spruch:

Für die Abgrenzung von Kauf- und Werkvertrag kommt es nicht darauf an, ob eine vertretbare oder unvertretbare Sache zu liefern ist, sondern ob die zu liefernde Sache für die besonderen Bedürfnisse und nach besonderen Wünschen des Bestellers bezüglich ihrer Maße, Ausstattung usw. hergestellt werden soll.

Entscheidung vom 27. Juni 1951, 3 Ob 318/51.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger begehrt Zahlung von 30.729.12 S für die Ausführung und Lieferung eines Speiseaufzuges, abzüglich bereits bezahlter 16.000 S, somit eine Restsumme von 14.729.12 S.

Der Erstrichter sprach dem Kläger 2400 S zu und wies das Mehrbegehren ab. Dabei stellte er folgenden Sachverhalt fest: Der Beklagte bestellte vorerst einen handbetriebenen Aufzug und änderte diese Bestellung später in einen elektrisch betriebenen Aufzug ab, wobei die gewünschte Ausführung in allen Einzelheiten angeführt wurde. Der Bestellung lag keine feste Preisvereinbarung zugrunde, sondern die Parteien einigten sich auf einen "Richtpreis" von ursprünglich 3000 S, später zirka 10.000 S; dabei sollte der Elektromotor, die Auflagenträger und die Eisentüren zum Motorhaus separat in Rechnung gestellt werden. Nach Fertigstellung zeigten sich verschiedene Mängel, die teils vom Kläger, teils von einer anderen Firma behoben wurden. Bis zur Fertigstellung konnte der Beklagte einen endgültigen Preis nicht erfahren. Erst bei Fertigstellung nannte der Kläger einen Preis von 25.000 S. Nach zwei Monaten kundigte er an, daß der Preis nicht einmal diesen Betrag erreichen werde. Schließlich lauteten die Fakturen aber auf

30.729.12 S. Der angemessene Preis für eine derartige Anlage beträgt 18.000 bis 19.000 S. Das Gericht legte der Entscheidung einen runden Betrag von 18.400 S zugrunde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und hielt auch die Erstellung des angemessenen Preises durch die Sachverständigen für einwandfrei. Es liege ein Werkvertrag vor, da die vorliegende Arbeit den besonderen Bedürfnissen und Wünschen des Klägers Rechnung getragen habe. Mangels Vereinbarung eines fixen Entgeltes habe ein angemessener Preis als vereinbart zu gelten. Dieser entspräche den vom Erstgerichte getroffenen Feststellungen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die wesentliche Frage ist, wie die Revision richtig erkennt, ob ein Werkvertrag oder ein Kaufvertrag vorliegt. Die Revision führt aus, es liege ein Handelskauf vor, da eine vertretbare Sache geliefert worden sei. Dieser Meinung kann nicht beigepflichtet werden. Mit Recht verweist das Berufungsgericht auf die Bestellschreiben, aus denen sich ausdrücklich ergibt, daß nicht irgendein Speiseaufzug geliefert werden sollte, sondern eine Anlage entsprechend den besonderen Wünschen des Beklagten projektiert wurde und hergestellt werden sollte. Es wurden dem Kläger nicht nur die Maße im einzelnen vorgeschrieben und eine besondere Ausstattung verlangt, sondern dem Kläger wurde auch eine Skizze zur Verfügung gestellt, die er der Projektierung zugrunde zu legen hatte. Es ist daher unrichtig, daß nicht besondere Aufträge gegeben worden wären, wodurch sich dieser Aufzug von anderen Aufzügen unterscheidet; mag auch keine grundlegende Veränderung im System eines Speiseaufzuges begehrt worden sein, so waren doch besondere Wünsche des Beklagten zu berücksichtigen und der Speiseaufzug für ihn besonders zu projektieren. Völlig belanglos ist es, ob der Beklagte damit einverstanden war, daß Teile des Aufzuges von Sublieferanten geliefert würden. Selbstverständlich kann auch eine Konkurrenzfirma Aufzüge nach den besonderen Wünschen des Beklagten liefern, weshalb der Umstand, daß der Beklagte die Bemängelung des Preises darauf stützte, daß eine Konkurrenzfirma den Aufzug billiger herstellen konnte, dem Vertrag den Charakter eines Werkvertrages nicht nehmen kann. Die Sachverständigen waren daher auch berechtigt, Offerte von Konkurrenzfirmen einzuholen. Der Umstand, daß eine Konkurrenzfirma ein gedrucktes Offert einsandte, ist ohne Bedeutung für die Frage des angemessenen Preises. Das Offert wurde nur zu Vergleichszwecken vorgelegt, um festzustellen, was ähnliche Anlagen bei einer anderen Firma kosten. Damit wird aber nicht bewiesen, daß tatsächlich eine vertretbare Sache geliefert wurde. Handelt es sich aber nicht um Lieferung einer Gattungssache, sondern um eine Anlage, deren Errichtung nach den besonderen Bedürfnissen und Wünschen des Bestellers erfolgt, so liegt ein Werkvertrag vor. Das Berufungsgericht hat daher den gegenständlichen Vertrag zutreffend als Werkvertrag qualifiziert.

Völlig verfehlt ist es, wenn die Revision vermeint, der Vertrag wäre in zwei Teile zu zerlegen, nämlich in einen Kaufvertrag und einen Werkvertrag. Wohl ist es möglich, daß die Parteien anläßlich der Herstellung eines Werkes zwei Verträge abschließen, nämlich einen Kaufvertrag hinsichtlich des Materials und einen Werkvertrag über die Herstellung der Anlage selbst. Allein eine solche Teilung hat hier nicht stattgefunden. Die Parteien haben einen einheitlichen Richtpreis vereinbart. Es liegt daher nur ein Vertrag vor, der richtig als Werkvertrag zu qualifizieren und nach den Regeln des Werkvertrages zu beurteilen ist.

Wenn sich die Revision gegen die Angemessenheit des Preises wendet, so bekämpft sie unzulässigerweise die erstrichterliche Beweiswürdigung. Das gilt insbesondere von dem Vorwurf, daß der Sachverständige Offerte von Konkurrenzfirmen zur Unterstützung seines Gutachtens einholte, obwohl diese Offerte nicht den besonderen Wünschen des Beklagten Rechnung getragen haben, sondern nur ähnliche Anlagen betrafen. Es bleibt der Würdigung der Tatsacheninstanz vorbehalten, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, daß die von den Konkurrenzfirmen angegebenen Preise Anlagen betreffen, von denen nicht feststeht, daß sie den besonderen Wünschen des Beklagten entsprechen. Hiebei handelt es sich ausschließlich um Fragen der Beweiswürdigung, die aber vom Obersten Gerichtshof nicht zu prüfen sind.

Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß im gegenständlichen Falle ein Werkvertrag geschlossen wurde. Mangels Vereinbarung eines fixen Entgeltes gilt der angemessene Preis als vereinbart, der nach den Feststellungen der Untergerichte hier 18.400 S beträgt. Dieser Betrag war abzüglich der a-conto-Zahlungen zuzusprechen. Es konnte dabei ganz außer acht gelassen werden, welche Folgen es hätte, daß der Kläger von der erheblichen Preisüberschreitung dem Beklagten nicht rechtzeitig

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