OGH 1Ob307/51

OGH1Ob307/516.6.1951

SZ 24/157

Normen

ABGB §870
ABGB §871
ZPO §503 Z2
ZPO §503 Z4
ABGB §870
ABGB §871
ZPO §503 Z2
ZPO §503 Z4

 

Spruch:

Aus der Bezeichnung "Ingenieurbüro" ist nicht ohne weiters erkennbar, daß es sich um ein bloßes Industrieberatungsunternehmen handelt.

Hat ein Industrieberater die Anfertigung von Plänen in Kenntnis des Umstandes übernommen, daß der Besteller im Falle der Genehmigung der Pläne bei ihm das Werk selbst bestellen will, und verschwiegen, daß er selbst Lieferungen nicht übernimmt, so kann er für die Pläneverfassung kein Entgelt verlangen.

Aufhebung des nach § 502 Abs. 5 ZPO. ergangenen Urteiles des Berufungsgerichtes, wenn im ersten Verfahren zu dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht Stellung genommen wurde, weil diese Mängel vom Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichtes bedeutungslos waren, der Oberste Gerichtshof aber die im Aufhebungsbeschluß ausgesprochene Rechtsauffassung nicht teilt.

Entscheidung vom 6. Juni 1951, 1 Ob 307/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Vöcklabruck; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Ende März 1947 sandte der Kläger dem Beklagten nachstehende Reklamedrucksorte:

"Wärmekraftanlagen, Nutz- und Abwasseranlagen, Rohrleitungen, Druckluft, Vakuum, Kälteanlagen, Heizung, Lüftung, Trocknung, Entnebelung, Klimatisierung sowie sämtliche Maschinen und Apparate für die Maschinen- und Metallindustrie durch Ingenieurbüro Erwin P. Wärmetechnik, Wasserwirtschaft, Rohrleitungsbau, Betriebsüberwachungen - Büro S., Salzkammergut, Fernruf ..., Drahtwort: P./S. oder Salzburg .., Postfach ... Um Erhaltsbestätigung dieses Prospektes wird gebeten. Fordern Sie bitte Ingenieurbesuch an."

Auf Grund dieses Prospektes erbat Beklagter den gelegentlichen Besuch des Klägers. Obwohl nach den erstgerichtlichen Feststellungen der Vertreter des Klägers aus dem Gespräch mit dem Beklagten erkennen mußte, daß Beklagter ihn nur deshalb damit beauftragte, Vorschläge für die vom Beklagten gewünschte Ofenanlage zu machen, weil er glaubte, Kläger werde sie selbst liefern, übersandte der Kläger dem Beklagten ein eingehendes Projekt und verlangte dafür 1076 S. Beklagter lehnte die Zahlung ab, weil er kein Projekt bestellt habe, sondern nur Vorschläge für eine Ofenanlage erbeten hat, da er annahm, Kläger werde diese liefern und wie üblich, die Vorschläge, im Falle er den Auftrag erhalte, nichts rechnen.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Das Berufungsgericht hob auf; im zweiten Rechtsgang gab das Erstgericht der Klage statt. Das Berufungsgericht bestätigte.

Der Oberste Gerichtshof hob auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Rechtsrüge ist begrundet.

Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, an die sich das Erstgericht im zweiten Rechtsgang halten mußte, geht davon aus, daß die beklagte Partei bereits aus dem Rundschreiben des Klägers habe entnehmen können, daß er sich nur mit Beratung und nicht mit der Herstellung von Anlagen befasse, weil er sich als Ingenieurbüro bezeichnet habe. Die Auffassung, daß die Bezeichnung "Büro" auf ein bloßes Beratungsgewerbe hindeute, ist rechtsirrig und widerspricht der Übung des Verkehrs. Es ist im Gegenteil gebräuchlich, daß sich Erzeuger von Heizanlagen, Installateure usw. als "Büro" bezeichnen; ein Blick auf das amtliche Telephonbuch beweist, daß es heutzutage geradezu Mode geworden ist, Erzeugungsbetriebe als "Büro" zu bezeichnen.

S. 1098 und 1138 des Wiener Telephonbuches 1950: "Ferdinand B. - Zentralheizungen - Boileranlagen - Installationsbüro für Gas- und Wasseranlagen";

S. 1099: "Centralheizungsbaubüro Ludwig M.";

S. 1138: "Hans B. Installationsbüro für Gas, Wasser und Heizungsablagen";

S. 1139: "Karl D. Installationsbüro für Gas, Wasser, sanitäre Anlagen, Heizung, Rohrleitungsbau";

S. 1140: "H. & Ing. U. K. G. Installationsbüro für Gas, Wasser, sanitäre- und Heizungsanlagen";

S. 1140: "Rudolf G. Installationsbüro für Gas- und Wasserleitungen, sanitäre Anlagen, Badezimmereinrichtungen, Elektrogeräte";

S. 1141: "Paul L. Witwe, behördl. konzess. Installationsbüro für Gas, Wasser und sanitäre Anlagen", Paul M., Installationsbüro - Bauspengler;

S. 1142: "Dipl.-Ing. Erwin P., Installations- und Baubüro", Franz S. Söhne Josef und Richard S., Bauspenglerei, beh. konz. Installationsbüro, Leopold S., Installationsbüro;

S. 1134: "Franz S. Installationsbüro für gesundheitstechnische Anlagen", Installationsbüro Robert W. usw.;

S. 1320: "Technisches Büro, Dipl.-Ing. H. & Co., Maschinen-, Groß- und Einzelhandel".

Aus der Bezeichnung "Ingenieurbüro" konnte demnach die beklagte Partei mit Rücksicht auf den heute üblichen Sprachgebrauch, die Worte "Unternehmen" und "Büro" als gleichwertig zu verwenden, nicht entnehmen, daß Kläger bloß die Tätigkeit eines Ingenieurkonsulenten ausübe. Dies konnte sie um so weniger annehmen, da der Prospekt neben Betriebsüberwachungen den Rohrleitungsbau anführt, so daß jeder Leser glauben muß, daß Kläger nicht nur Betriebsüberwachungen, sondern auch den Bau von Rohrleitungen übernimmt.

Da er ferner in dem Prospekt Wärmekraftanlagen, Heizungen etc., Maschinen und Apparate aller Art inseriert, so kann dieser Prospekt nicht anders verstanden werden, als daß man alle diese Anlagen, Apparate etc. durch ihn beziehen kann. Kein Kaufmann, dem derlei Prospekte dutzendweise zugesendet werden, konnte daher in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise dem Prospekt entnehmen, daß Kläger sich mit diesem Prospekt als bloßer Industrieberater anbieten wolle, da das Rundschreiben zumindest auch die Auslegung offen läßt, Kläger sei in der Lage, die im Prospekt angebotenen Maschinen selbst zu liefern und die Installationen selbst durchzuführen.

Es ist auch nicht richtig, daß es rechtlich bedeutungslos ist, ob Beklagter der Meinung war, ob Kläger selbst solche Anlagen liefert oder bloß bei der Anschaffung berät, weil üblicherweise für die Pläne einer Erzeugungsanlage nur dann separat ein Betrag in Rechnung gestellt wird, wenn der Erzeugerfirma der Auftrag nicht übertragen wird, während Industrieberater, da sie als Erzeuger nicht in Betracht kommen, für die Pläne abgesondert in allen Fällen entlohnt werden müssen. Die Beiziehung eines Industrieberaters verursacht daher unter Umständen Mehrkosten. Ein Industrieberater, der die Verfassung von Plänen übernimmt, muß deshalb den Besteller darüber aufklären, daß er nicht auch selber erzeugt, um dem Besteller die freie Beschlußfassung zu ermöglichen, ob er nicht lieber eine Erzeugerfirma sofort mit der Plänefassung beauftragen soll, weil er dann die Aussicht hat, die Pläneverfassungskosten zu ersparen, wenn er dieser Firma dann den Auftrag überträgt. Dazu war Kläger verpflichtet, weil es das Erstgericht ausdrücklich als festgestellt ansieht, daß der Beklagte bei der Vorsprache des Vertreters des Klägers erklärt hat, sie wolle die Anlage von der Firma des Klägers geliefert haben. Da der Vertreter des Klägers diesen Irrtum nicht sofort aufgeklärt hat, so hat der Kläger die Irreführung des Beklagten zu verantworten. In der kaufmännischen Sprache bezeichnet man die Erwirkung eines Auftrages mit Erweckung oder Ausnützung irriger Vorstellungen als "Anreißen". Auch wenn das Anreißen im Einzelfall strafgerichtlich nicht verfolgbar ist, so ist es doch sittenwidrig und unlauter. Kein Kaufmann ist verpflichtet, einen auf diese Weise erwirkten Auftrag zuzuhalten. Wird daher von den erstrichterlichen, im zweiten erstrichterlichen Urteil ausdrücklich übernommenen Feststellungen ausgegangen, so wäre das Klagsbegehren abzuweisen, weil feststeht, daß Kläger in Kenntnis des Irrtums des Beklagten, daß er bei einem Produzenten bestellen wolle, diesen Irrtum nicht aufgeklärt und unter Verschweigen des Umstandes, daß er nur Industrieberater ist, den erteilten Auftrag entgegengenommen hat.

Nun hat aber das Berufungsgericht diese in der ersten Berufung angefochtenen Feststellungen nicht überprüft, weil es von der irrigen Rechtsauffassung ausging, diese Umstände seien belanglos. Der Kläger, der im zweiten Rechtsgang den Prozeß gewonnen hat, konnte die mangelnde Überprüfung dieser Feststellungen bisher nicht anfechten. Dieser Umstand darf aber nicht dazu führen, daß diese Tatsachen vom Obersten Gerichtshof ohneweiteres zugrunde gelegt werden, weil dann Kläger prozessual schlechter gestellt wäre, als wenn er den Prozeß im zweiten Rechtsgang verloren hätte. Der Oberste Gerichtshof legt daher den Revisionsgrund der Z. 4 dahin aus, daß er auch sogenannte Feststellungsmängel von Amts wegen zu berücksichtigen hat, die in der Berufungsinstanz im zweiten Rechtsgang wegen abweichender Rechtsauffassungen nicht wahrgenommen wurden. Er hat daher das Berufungsurteil aufgehoben, damit das Berufungsgericht nunmehr im Rahmen der ersten Berufung die erstrichterlichen Feststellungen überprüfen kann.

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