OGH 2Ob324/51

OGH2Ob324/5125.5.1951

SZ 24/148

Normen

ABGB §1315
Strafgesetz §335
ZPO §267
ABGB §1315
Strafgesetz §335
ZPO §267

 

Spruch:

Einem strafgerichtlichen verurteilenden Erkenntnis kommt in dem Umfang, als darin ein strafbarer Tatbestand festgestellt worden ist, nicht nur gegen den Verurteilten, sondern auch gegen jeden Dritten, gegen den im Zusammenhang mit der dem Strafurteil zugrunde gelegenen Handlung (oder Unterlassung) des Verurteilten Ansprüche geltend gemacht werden, insoweit bindende Wirkung zu, als die strafbare Handlung erwiesen und einer bestimmten Person zuzurechnen ist und ein kausaler Zusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und dem zugefügten Schaden besteht.

Entscheidung vom 25. Mai 1951, 2 Ob 324/51.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteile vom 24. September 1947 wurde die Zweitbeklagte der Übertretung des § 335 StG. deshalb schuldig erkannt, weil sie am 15. Mai 1945 an den Kläger Methylalkohol abgegeben hatte und dieser in der Folgezeit durch (nahezu) vollkommene Erblindung am Körper schwer beschädigt wurde; in den Urteilsgrunden ist festgestellt, daß die Zweitbeklagte an dem angeführten Tag einen selbsterzeugten Schnaps, den sie infolge einer Verwechslung statt mit Äthylalkohol mit Methylalkohol zubereitet hatte, dem Kläger gegeben hatte und daß bei diesem nach dem Genuß des Schnapses Vergiftungserscheinungen auftraten, die einen Sehnervenschwund verursachten. Die Zweitbeklagte war damals beim Erstbeklagten, der Pächter einer Drogengroßhandlung war, in einem in V. untergebrachten Ausweichlager beschäftigt und hatte dort den Schnaps erzeugt und dem Kläger verabreicht. Der Erstbeklagte war wegen dieses Vorfalles ebenfalls unter Anklage gestellt, wurde jedoch gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.

Der Kläger begehrte von den Beklagten den Ersatz des ihm durch seine Erkrankung zugefügten Schadens.

Das Prozeßgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches ein und sprach aus, daß das Klagebegehren dem Gründe nach gegen den Erstbeklagten nicht, wohl aber gegen die Zweitbeklagte zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht änderte das nur von dem Kläger bekämpfte erstrichterliche Zwischenurteil dahin ab, daß das Klagebegehren auch gegen den Erstbeklagten dem Gründe nach als zu Recht bestehend erkannt wurde.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Erstbeklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Prozeßgericht begrundete sein Urteil gegen die Zweitbeklagte ausschließlich mit seiner Bindung an ihren Schuldspruch durch ein Strafgericht; in Ansehung des Erstbeklagten nahm es an, daß ihn ein persönliches Verschulden nicht treffe und daß er mangels einer Feststellung über eine Untüchtigkeit der Zweitbeklagten auch nicht nach § 1315 ABGB. hafte .....

Das Berufungsgericht sprach u. a. aus, daß auch der Erstbeklagte gegen sich die Annahme des Strafgerichtes gelten lassen müsse, die Zweitbeklagte habe am 15. Mai 1945 dem Kläger einen aus Methylalkohol zubereiteten Schnaps verabreicht, wobei ihr bei der Entnahme des Alkohols eine Verwechslung des Ballons unterlaufen sei

.....

Vom Revisionsgericht ist sodann zu der vom Berufungsgericht vertretenen und vom Revisionswerber in ihren Auswirkungen mit sämtlichen angerufenen Revisionsgrunden bekämpften Rechtsansicht Stellung zu nehmen, ob und inwieweit der Erstbeklagte das gegen die Zweitbeklagte ergangene strafgerichtliche Urteil gegen sich gelten lassen müsse. Gemäß § 268 ZPO. ist der Zivilrichter dann, wenn seine Entscheidung von dem Beweis einer strafbaren Handlung abhängt, an den Inhalt eines hierüber ergangenen rechtskräftigen, verurteilenden Erkenntnisses eines inländischen Strafgerichtes gebunden. Die Auffassung des Revisionswerbers, daß nur ein gegen ihn ergangener Schuldspruch bindend sei, der Schuldspruch gegen die Zweitbeklagte das Gericht jedoch nicht von eigenen Beweisaufnahmen über ihre Handlungen befreie, sofern diese die Grundlage für seine zivilrechtliche Haftung bilden können, findet in der Bestimmung des § 268 ZPO., die die freie Beweiswürdigung des Zivilrichters einschränkt und von der im Entwurf des Jahres 1867 enthaltenen Fassung (s. Siegel, JBl. 1919, S. 406 ff., wenngleich im Endergebnis anderer Ansicht) wesentlich abgewichen ist, keine Stütze. Im Gegensatz zu zivilgerichtlichen Entscheidungen, die lediglich strittige Rechtsverhältnisse zwischen den Prozeßparteien regeln, kommt einem strafgerichtlichen verurteilenden Erkenntnis in dem Umfang, als darin ein strafbarer Tatbestand festgestellt worden ist, nicht nur gegen die Verurteilten, sondern auch gegen jeden Dritten, gegen den im Zusammenhang mit der dem Strafurteile zugrunde gelegenen Handlung (oder Unterlassung) des Verurteilten Ansprüche geltend gemacht werden, insoweit bindende Wirkung zu, als die strafbare Handlung erwiesen und einer bestimmten Person zuzurechnen ist und ein kausaler Zusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und dem zugefügten Schaden besteht (so auch Nowakowski, ÖJZ. 1948, S. 546 ff.). Daraus folgt, daß zwar nicht alle in den Gründen des strafgerichtlichen Urteiles enthaltenen Feststellungen für das Zivilgericht bindend sind, daß aber die Feststellungen, die mit dem Urteilsspruch im unmittelbaren Zusammenhang stehen, im zivilgerichtlichen Verfahren nicht neuerlich überprüft werden dürfen. Wenn daher im Spruch des strafgerichtlichen Urteiles gegen die Zweitbeklagte ihr die Abgabe von Methylalkohol an den Kläger, die seine Erblindung zur Folge hatte, zur Last gelegt worden ist, dann müssen im Zusammenhange damit, daß die Handlung der Zweitbeklagten dem Tatbestande des § 335 StG. unterstellt worden ist, aus den Urteilsgrunden auch die Feststellungen, die für den Tatbestand wesentlich sind, für das Zivilgericht bindend sein und muß dieses dem Strafgericht auch dahin folgen, daß die Abgabe des Methylalkohols auf eine Verwechslung zurückzuführen war. Es war daher auch in dem Verfahren gegen den Erstbeklagten die Tatsache, daß die Zweitbeklagte bei der Entnahme des Alkohols zur Schnapsbereitung die Ballons verwechselt hat, nicht beweisbedürftig.

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