OGH 1Ob163/51

OGH1Ob163/5123.5.1951

SZ 24/141

Normen

ABGB §1116a
AußStrG §72
AußStrG §145
Mietengesetz §19 Abs2 Z11
ABGB §1116a
AußStrG §72
AußStrG §145
Mietengesetz §19 Abs2 Z11

 

Spruch:

Erbe im Sinne des § 1116a ABGB. ist nur derjenige, dem die Verlassenschaft des verstorbenen Bestandnehmers bereits eingeantwortet wurde.

Entscheidung vom 23. Mai 1951, 1 Ob 163/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

In der Klage begehrten Maria Sch., Adolf H. und Ilse S., geb. H., die Räumung der Wohnung Tür Nr. 2 in Hause Wien VII., W.gasse 15 mit der Begründung, daß ihre Mutter Marie H. Hauptmieterin dieser Wohnung gewesen sei und Adolf H. und Ilse S. mit ihr seit vielen Jahren in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, daß Maria H. wegen ihres hohen Alters im Jahre 1944 nach F. in Oberösterreich evakuiert worden sei und dort vom 1. Juli 1944 bis zu ihrem am 2. Oktober 1949 erfolgten Tode gelebt habe, daß die drei Kläger ihre Erben seien, daß aber eine Verlassenschaft mangels Nachlasses nicht stattgefunden habe, daß dem Beklagten am 25. September 1945 eine vorläufige Benützungsbewilligung für die Wohnung erteilt, diese jedoch mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 5. Juli 1949 mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Nationalsozialistengesetzes aufgehoben worden sei.

Das Erstgericht gab mit Urteil vom 5. August 1950 dem Klagebegehren des Adolf H. statt und wies die Begehren der weiteren zwei Klägerinnen mit der Begründung ab, daß Adolf H. mit seiner Mutter im gemeinsamen Haushalt gelebt habe, daß dieser durch seine Einberufung zur Wehrmacht nicht aufgelöst worden sei, sondern bis zum Tode der Mutter fortbestanden habe, und daß Adolf H. daher gemäß § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. in das Mietverhältnis seiner Mutter und in deren Mietrechtbesitz eingetreten sei, daß der Beklagte zwar ebenfalls Mieter der Wohnung geworden sei, jedoch bei Abschluß des Mietvertrages sich nicht in gutem Glauben befunden habe, daß die weiteren zwei Klägerinnen mangels eines gemeinsamen Haushaltes mit ihrer Mutter in deren Mietrechte nicht eingetreten seien.

Das Berufungsgericht bestätigte mit dem angefochtenen Urteil die erstgerichtliche Entscheidung, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige, und führte in der Begründung aus, daß es die erstrichterlichen Feststellungen übernehme. Die Frage der Dringlichkeit des Wohnbedürfnisses des Adolf H. sei zwar in der ersten Instanz nicht erörtert, und es sei auch eine Beweisaufnahme darüber unterblieben; dies sei jedoch nicht erforderlich gewesen, weil Adolf H. schon auf Grund des § 1116a ABGB. in das Bestandverhältnis seiner Mutter eingetreten sei. Eine Verlassenschaftsabhandlung sei allerdings mangels eines Nachlasses nicht durchgeführt worden und daher weder eine Erbserklärung abgegeben, noch eine Ermächtigung nach § 72 Abs. 2 AußstrG. ausgesprochen worden; die vom Abhandlungsgericht ausgestellte Bestätigung, daß die Kläger erbberechtigt seien, stelle eine genügende Legitimation dar. Adolf H. sei zufolge des gemeinsamen Haushaltes mit seiner Mutter, der weder durch seine Einberufung zur Wehrmacht noch durch die unter dem Zwange der Kriegsereignisse erfolgte Abreise beendet worden sei, Mietrechtsbesitzer geblieben und daher zur Einbringung der Klage befugt; schließlich sei der Beklagte im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages nicht im guten Glauben gewesen, eine bona fides superveniens sei aber dem österreichischen Recht fremd.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und wies in Abänderung der untergerichtlichen Urteile das Räumungsbegehren des Adolf H. ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Im Rahmen des Revisionsgrundes des § 503 Z. 4 ZPO. bekämpft der Beklagte vor allem die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß Adolf H. trotz des Mangels der Einantwortung und einer Ermächtigung gemäß § 72 Abs. 2 AußstrG. nach § 1116a ABGB. in das Bestandverhältnis seiner Mutter eingetreten sei.

Die Revision ist begrundet.

§ 1116a ABGB. enthält keine von den allgemeinen Normen abweichende Sonderregelung für Bestandrechte über den Rechtsübergang im Erbwege, sondern besagt nur, daß durch den Tod eines Vertragsteiles der Bestandvertrag nicht aufgehoben werde und daß Wohnungsmieten nach dem Tod des Mieters ohne Rücksicht auf die vereinbarte Dauer sowohl von den Erben des Mieters wie von den Vermietern unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gelöst werden können. Demnach gehen Mietrechte auf die Erben des verstorbenen Mieters nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch wie auch andere Rechte mit der rechtskräftigen Einantwortung über. Aus dem zweiten Satz des § 1116a ABGB. kann nicht abgeleitet werden, daß die bloß berufenen Erben ohne Überlassung der Verwaltung des Nachlasses gemäß § 145 AußstrG. und ohne Ermächtigung gemäß § 72 Abs. 2 ABGB. das Mietverhältnis sofort aufkundigen können; denn vor der Einantwortung steht ja noch gar nicht fest, ob der Nachlaß auf die betreffende Person wirklich übergeht, und könnte der gegenteilige Standpunkt dazu führen, daß eine in einem Testament als Erbe eingesetzte Person das Bestandverhältnis auflöst, dann keine Erbserklärung abgibt und der Nachlaß sohin im Wege der gesetzlichen Erbfolge auf einen anderen übergeht, der durch das Vorgehen des testamentarischen Erben um das Bestandrecht gebracht würde. Unter Erben im Sinne des zweiten Satzes des § 1116a ABGB. können daher nur jene verstanden werden, denen der Nachlaß eingeantwortet ist (vgl. § 819 ABGB.), ein anderer Standpunkt kann nur bei § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. eingenommen werden. Zur Frage, ob Adolf H. in das Mietverhältnis seiner Mutter gemäß § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. als bloß berufener Erbe eingetreten ist, braucht jedoch hier nicht eingegangen zu werden, denn diese Bestimmung setzt für den Eintritt ein dringendes Wohnungsbedürfnis voraus. Daß ein solches bei Adolf H. vorliegt, hat er aber im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht behauptet, und kann ein solches nicht ohne weiteres angenommen werden, da er sich im erstinstanzlichen Verfahren als in F. wohnhaft bezeichnet und in der Revisionsbeantwortung angegeben hat, daß er in Wien VII., K.straße 12 wohne. Unter diesen Umständen bestand für die Untergerichte keinerlei Veranlassung, die Frage zu prüfen, ob ein dringendes Wohnungsbedürfnis des Adolf H. im Sinne des § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. bestehe, da Adolf H. eben das Vorliegen eines solchen im erstinstanzlichen Verfahren nicht einmal behauptet hat und er sich übrigens für den Eintritt in das Mietverhältnis auch gar nicht ausdrücklich auf § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. berufen hat. Liegt aber ein solches dringendes Wohnungsbedürfnis nicht vor, so kommt ein Rechtsübergang im Sinne des § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. schon deshalb nicht in Frage und fehlt Adolf H. aus diesem Gründe die Legitimation zu seinem Räumungsbegehren. Damit erübrigt es sich, auf die übrigen Ausführungen der Revision einzugehen, und mußte der Revision Folge gegeben und in Abänderung der untergerichtlichen Urteile das Räumungsbegehren des Adolf H. abgewiesen werden.

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