OGH 3Ob279/51

OGH3Ob279/5123.5.1951

SZ 24/146

Normen

ABGB §565
ABGB §566
ABGB §869
ABGB §565
ABGB §566
ABGB §869

 

Spruch:

Mangel der Testierfähigkeit liegt nur dann vor, wenn der Erblasser nicht einmal das Bewußtsein hatte, eine letztwillige Verfügung zu treffen, und nicht wußte, was ihr Inhalt sei.

Entscheidung vom 23. Mai 1951, 3 Ob 279/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Retz; II. Instanz: Kreisgericht Korneuburg.

Text

Die am 27. August 1949 verstorbene Marie K. hat am 16. August 1949 unter der Überschrift "Mein Testament" eine letztwillige Verfügung errichtet, in der sie erklärte, daß sie bei voller Vernunft und frei von Zwang über ihr Eigentum verfüge. Mit dieser Verfügung hat sie ihrem Schwiegersohn Johann T. ihren Grundbesitz, den Keller samt Faßgeschirr und lagerndem Wein, das gesamte Bargeld und Nahrungsmittel sowie einige Einrichtungsgegenstände vermacht. Den Eheleuten F. vermachte sie das ihr gehörige Wohnhaus in K. für die Pflege bis zu ihrem Tode. Die übrig gebliebenen Einrichtungsgegenstände und Wäsche hat die Erblasserin ihrer Verwandtschaft vermacht. Die letztwillige Verfügung ist von der Erblasserin Maria K. sowie von vier Zeugen, darunter dem Bürgermeister von K., Adolf D., unterschrieben.

Im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens haben sich die Kläger als Geschwisterkinder der Erblasserin auf Grund des Gesetzes, u. zw. Dr. Franz Sch. zu 1/6, Engelbert Sch. zu 1/12 und Maria M. zu 1/6 bedingt erbserklärt und haben die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung vom 16. August 1949 bestritten.

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes R. vom 20. Feber 1950, A .../49 wurden die Kläger angewiesen, die Klage zur Bestreitung der Gültigkeit der letztwilligen Verfügung der Erblasserin anzubringen.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren des Inhaltes, die Beklagten seien schuldig, anzuerkennen, daß die letztwillige Verfügung der Maria K. vom 16. August 1949 rechtsungültig sei, abgewiesen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Ausführungen der Revision zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung betreffen die Auslegung der §§ 565 und 566 ABGB. durch das Berufungsgericht. Die Ausführungen der Revision gehen dabei aber von den Feststellungen der Untergerichte ab. Das Erstgericht hat im Gegensatz zum Sachverständigengutachten als erwiesen angenommen, daß die Erblasserin die letztwillige Verfügung am 16. August 1949 im Zustand voller Besonnenheit errichtet hat. Das Berufungsgericht hat die Beweiswürdigung des Erstgerichtes und die darauf gegrundeten Feststellungen als unbedenklich übernommen und seiner Entscheidung zugrundegelegt. Das Berufungsgericht hat nur der Vollständigkeit halber in rechtlicher Beziehung ausgeführt, daß auch bei Zugrundelegung des Gutachtens des Sachverständigen der den Klägern obliegende Beweis der Testierunfähigkeit der Erblasserin Maria K. nicht als gelungen angesehen werden könnte. Der Oberste Gerichtshof hat keine Bedenken gegen die rechtliche Beurteilung des Begriffes der vollen Besonnenheit durch das Berufungsgericht. Die Auslegung dieses Begriffes durch das Berufungsgericht vermag sich nicht nur auf eine vereinzelte, sondern auf wiederholte Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (GlU. 15.877, ZBl. 1925, Nr. 51, DREvBl. 1941, Nr. 3) und auf das neueste Schrifttum (vgl. Weiss in Klangs Kommentar, 2. Aufl. 1949, § 566, S. 263) zu stützen. Aus den im § 566 ABGB. angeführten Beispielen für den Mangel der vollen Besonnenheit ist zu erkennen, daß Mangel der Testierfähigkeit nur dort vorliegt, wo der Erblasser nicht einmal das Bewußtsein hatte, eine letztwillige Verfügung zu treffen, und nicht wußte, was ihr Inhalt sei. Die Frage der Testierfähigkeit und das Willenserfordernis bei letztwilligen Erklärungen ist nach §§ 565 und 566 ABGB. zu beurteilen, nicht aber nach den nur für Verkehrsgeschäfte geltenden Regeln des § 869 ABGB. Es erübrigt sich daher, auf die der Auslegung dieser letzteren Gesetzesstelle gewidmeten Ausführungen der

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