Spruch:
Ein zwischen Ausländern im Ausland abgeschlossener Vertrag, der in Österreich zu erfüllen ist, ist den in Österreich bestehenden Bestimmungen zwingenden Rechtes unterworfen, soweit es sich um die Erfüllung des Vertrages handelt (quota litis).
Entscheidung vom 4. April 1951, 1 Ob 194/51.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Kläger war vor 1938 Rechtsanwalt, die Beklagte Kino- und Hausbesitzerin in W. Beide sind nach Okkupation Österreichs nach New York ausgewandert. Sie sind jetzt amerikanische Staatsangehörige. Kläger ist Attorney at Law in New York, die Beklagte ist nach 1945 nach Österreich zurückgekehrt, aber amerikanische Staatsangehörige geblieben. Noch vor ihrer Rückkehr nach Österreich hat Beklagte den Kläger mit der Durchführung ihrer österreichischen Rückstellungsangelegenheiten betraut. Am 17. April 1947 schrieb Kläger der damals noch in New York wohnhaften Beklagten einen Brief, in dem es u. a. heißt:
"Als Gesamthonorar für meine in der Vergangenheit geleisteten und in der Zukunft zu leistenden Arbeit im Zusammenhang mit der Durchsetzung der Ihnen zustehenden Ansprüche auf Wiedererlangung der Ihnen vormals gehörigen Vermögensobjekte in Wien, Österreich, werden Sie mir 20% von allen wiedererlangten Vermögensobjekten in natura, und allen Erträgnissen derselben, soweit Sie dieselben erhalten, sowie auch von etwaigen Schadenersatzbeträgen bezahlen.
Insolange als eines dieser Vermögensobjekte nicht verkauft wird, werde ich mit 20% an dessen künftigen Erträgnissen partizipieren.
Wenn ein solches Vermögensobjekt verkauft wird, werde ich 20% des Verkaufswertes in jener Valuta zu erhalten haben, in welcher ein solcher Verkauf erfolgt.
Verkäufe von Vermögensobjekten werden nur im gegenseitigen Einvernehmen und mit beiderseitiger Zustimmung erfolgen."
Die Beklagte hat im Rückstellungswege ein Kino und ein halbes Haus zurückerhalten. Kläger begehrt auf Grund des angeführten Vertrages die grundbücherliche Übertragung von je 20%.
Sämtliche Instanzen haben die Klage abgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Verbot der quota litis bzw. das Verbot des An sich-Lösens der Streitsache geht auf ein responsum Papinians (Dig. 17, 1, 7) und eine constitutio des Kaisers Diocletian (Cod. 2, 12, 15) zurück.
Es ist daher in einzelnen kontinentalen, auf römisch-rechtlicher Grundlage beruhende Gesetzgebungen übernommen, oder wird wenigstens dort, wo eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift fehlt, gewohnheitsgemäß als geltendes Recht behandelt. In den Vereinigten Staaten wird die quota litis in gewissen Grenzen zugelassen. Der von der American Bar Association am 27. August 1908 beschlossene Code of Ethics stellt zwar die allgemeine Regel auf:
The lawyer should not purchase any interest in the subject matter of the litigation which he is conducting", durchbricht sie aber durch so viele Ausnahmen, daß gesagt werden muß, daß praktisch die quota litis als zugelassen anzusehen ist, wenn sich auch, wie Curtis in Magnus: Die Rechtsanwaltschaft, S. 399, berichtet, die großen und auch viele bessere Anwaltsfirmen auf ein Erfolgshonorar nicht einlassen. Das Erfolgshonorar wird tatsächlich geduldet und es muß daher auch der Oberste Gerichtshof davon ausgehen, daß die Vereinbarung eines Erfolgshonorars an sich nach den Gesetzen des Staates in New York nicht als ungültig angesehen wird.
Damit ist freilich die Frage nicht entschieden, ob nach New Yorker Rechtsauffassung nicht etwa ein Vertrag wie der vorliegende als sittenwidrig anzusehen ist, nach dem der Klient zwar den von ihm für die Wiedererlangung der entzogenen Sachen an den Entzieher zu bezahlenden Betrag aus eigenem zu tragen hat, nichtsdestoweniger die volle vereinbarte Quote an der rückzustellenden Sache dem Anwalt, mit dem er die quota litis abgeschlossen hat, überlassen muß. Der Oberste Gerichtshof kann diese Frage der Auslegung des New Yorker Rechtes auf sich beruhen lassen, weil er, wenn auch aus anderen Erwägungen als das Berufungsgericht, zu dem Ergebnis kommt, daß trotz Abschlusses des fraglichen Anwaltsvertrages zwischen amerikanischen Staatsbürgern in Amerika in diesem Fall mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse des Falles das in Österreich geltende Verbot der quota litis anzuwenden ist. Dies aus folgenden Erwägungen:
Es ist der Revision zuzustimmen, daß der vorliegende Vertrag grundsätzlich dem Recht des Staates New York unterliegt, weil die Parteien damals US-Staatsbürger waren, in New York ihren Wohnsitz hatten und dort den Vertrag abgeschlossen haben, und weil der Kläger in New York die Anwaltschaft betreibt und Anwaltsverträge nach dem Recht des Ortes ihrer ständigen Berufstätigkeit zu beurteilen sind, sofern nicht die Bestimmung des § 36 ABGB. entgegensteht oder die Parteien nichts Abweichendes ausdrücklich vereinbart haben. Das ist aber nach dem Aktenstande nicht anzunehmen. Vielmehr ist mangels einer Sondervereinbarung das Recht des Vertragsabschlusses bzw. das des nächsten Zusammenhanges, das ist das der Berufsausübung des Anwaltes als vereinbart anzusehen.
Ebenso ist die Revision im Recht, wenn sie sich gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes wendet, daß die Vorbehaltsklausel der Anerkennung eines nach ausländischem Recht zu beurteilenden quota litis-Vertrag entgegenstehe. Der bloße Umstand, daß das ausländische Recht vom inländischen abweicht und daß das Ausland einen Vertrag zuläßt, der von inländischem Recht nicht anerkannt wird, kann noch nicht die Anwendung der sogenannten Vorbehaltsklausel rechtfertigen; anders nur dann, wenn die Anwendung des fremden Rechtes zu Ergebnissen führt, die nach heimischer Rechtsauffassung gänzlich unerträglich sind. Das kann aber bei der quota litis nicht gesagt werden; sie ist ihrem Wesen nach ein partiarischer Vertrag. Partiarische Verträge sind aber nach unserem Recht, z. B. bei Vereinbarungen mit Agenten usw. ohneweiters zulässig. Was die quota litis nach der kontinentalen Auffassung unzulässig macht, ist die besondere Stellung, die der Anwalt gegenüber seinem Klienten einnimmt. Wenn ein ausländisches Recht den Anwaltsvertrag wie einen gewöhnlichen Provisionsvertrag behandelt, so kann nicht gesagt werden, daß die Anwendung des ausländischen Rechtes zu gänzlich unerträglichen Ergebnissen führt. Die Vorbehaltsklausel steht daher der Anerkennung eines nach amerikanischem Recht abgeschlossenen quota litis-Vertrages nicht entgegen.
Nichtsdestoweniger konnte der Klage nicht stattgegeben werden, weil das gestellte Begehren trotz grundsätzlicher Anwendbarkeit des amerikanischen Rechtes auf den Anwaltsvertrag nicht nach amerikanischem, sondern nach österreichischem Recht zu beurteilen ist. Der dem Obersten Gerichtshof vorliegende Vertrag beschränkt sich nicht auf die Abschließung einer Vereinbarung, nach der der Kläger die Beklagte in ihrer Rückstellungssache zu vertreten und dafür eine prozentuelle Entlohnung zu erhalten hat, sondern er bestimmt darüber hinaus, daß die prozentuelle Entlohnung in Österreich in Form einer Grundstückbeteiligung zu leisten ist; Erfüllungsort für die Honorarbeteiligung soll aber Wien (Österreich) sein. Dies ist für die anwendbare Kollisionsnorm von wesentlicher Bedeutung.
Nach einer Reihe von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (z. B. Entscheidung vom 11. Juni 1929, Rsp. 1929, Nr. 334; 8. November 1934, NotZ. 1935, S. 62) soll ein Vertrag, auch wenn er im Ausland von Ausländern abgeschlossen wurde, schon dann zur Gänze dem österreichischen Recht unterworfen sein, wenn er in Österreich zu erfüllen ist. Gegen diese Judikatur ist mit Recht der Einwand erhoben worden, daß diese Rechtsauffassung zur Ausschaltung des § 37 ABGB. führt, da sie unter den für das Kollisionsrecht maßgeblichen Anknüpfungspunkten grundsätzlich den Vertragsort und nicht den Erfüllungsort wählt. Der Oberste Gerichtshof hat daher in der Entscheidung vom 6. April 1932, Rsp. 1932, Nr. 179, dieser Einwendung Rechnung getragen und im Anschluß an eine auf die Postglossatoren zurückgehende, bereits 1821 in der österreichischen Literatur nachweisbare Lehrmeinung den Rechtsgrundsatz, daß der Erfüllungsort maßgebend sei, auf den Fall eingeschränkt, daß die vereinbarte Art der Erfüllung mit den Zwangsvorschriften am Erfüllungsort nicht vereinbar ist. Zwingende Vorschriften des am Erfüllungsort geltenden Rechtes verdrängen das primär geltende für den Vertrag maßgebende Recht, soweit es sich um die Erfüllung handelt. Im Sinne dieser Auffassung unterwirft der Oberste Gerichtshof Veräußerungsverträge über unbewegliche Sachen den Formvorschriften des Ortes der gelegenen Sache, obwohl der obligatorische Veräußerungsvertrag nicht der lex rei sitae unterworfen ist (SZ. XVI/210; XIX/249). Mietrechtliche Zwangsvorschriften am Erfüllungsort sind auf Bestandverträge anzuwenden, auch wenn der Vertrag nicht dem Recht des Ortes unterworfen ist, wo der Bestandvertrag gelegen ist (SZ. XVI/210), Währungsvorschriften des Erfüllungsortes sind zu beachten (SZ. XV/135) usw.
Wie immer man zu einzelnen dieser Entscheidungen Stellung nimmt, so viel ist jedenfalls festzuhalten, daß die Judikatur des Obersten Gerichtshofes dahingeht, daß auf zwingende Vorschriften am Erfüllungsort Bedacht genommen werden muß.
Dies bedeutet freilich nicht, daß der Oberste Gerichtshof den Vertrag zwei oder, wenn es sich um mehrere Erfüllungsorte handelt, mehreren Rechten unterwirft. Immer bleibt das nach den Grundsätzen der §§ 34 ff. ABGB. für den Vertrag maßgebende Recht allein Vertragsstatut, doch ist rücksichtlich der beabsichtigten Wirkungen in einem bestimmten Rechtsgebiete auf das dort geltende Recht ergänzend Bedacht zu nehmen. Das heimische Recht nimmt keine Weltgeltung in Anspruch. Es anerkennt auch Rechtsverhältnisse, die nach ausländischem Recht entstanden sind, und beurteilt sie nach ausländischem Recht. Es ist aber nicht die Aufgabe des internationalen Privatrechtes, den Parteien die Möglichkeit zu schaffen, durch Vereinbarung eines bestimmten Rechtes Zwangswirkungen des Rechtes, in dem das Rechtsverhältnis wirken soll, auszuschließen. Das österreichische Recht anerkennt die Zwangsvorschriften des vereinbarten ausländischen Erfüllungsortes und erwartet umgekehrt, daß auch der ausländische Staat auf die inländischen Zwangsvorschriften bzw. die Zwangsvorschriften des dritten Staates, wo der Vertrag Rechtswirkungen hervorrufen soll, Rücksicht nehmen werde. Das ist keine egoistische Handhabung der Vorbehaltsklausel, die unter allen Umständen das inländische Recht angewendet wissen will, sondern eine allgemeine Kollisionsnorm des österreichischen Rechtes, die im Interesse des internationalen Verkehrs jedem Staat das Recht zuerkennt, die Erfüllung des Vertrages nach seinem Ermessen von bestimmten Bedingungen abhängig zu machen, und verlangt, daß diese auch international anerkannt werden, soweit sie nicht dem ordre public widersprechen.
Von diesem Grundsatz ausgehend kommt der Oberste Gerichtshof zu nachstehenden Ergebnissen: Der Kläger hat mit der Beklagten einen quota litis-Vertrag abgeschlossen, der nur im Inland erfüllt werden kann, weil nur hier die Liegenschaftsanteile übertragen werden können. Der Vertrag hat daher Rechtswirkungen im Inland beabsichtigt, die dem Recht des inländischen Erfüllungsortes widersprechen. Daß Kläger nicht österreichischer Anwalt ist, steht dem nicht entgegen, weil er, wenn auch vom Ausland her in einer österreichischen Rechtssache rechtsfreundlich interveniert und eine österreichische Rechtssache im Inland mit Erfolg betrieben hat. Er ist also, wenn auch nur indirekt, als ausländischer Korrespondenzanwalt im Inlande anwaltlich tätig geworden und muß daher, obwohl sein Vertrag einem ausländischen Recht unterliegt, es sich gefallen lassen, daß auch die inländische Zwangsvorschrift über die quota litis, die im Interesse der Wahrung der österreichischen Rechtspflege erlassen wurde, auch auf ihn Anwendung findet, wenn er sich vertragsmäßig eine in österreichischen Grundstückanteilen zahlbare quota litis für die Durchführung einer österreichischen Rechtssache ausbedungen hat. Damit wird die Gültigkeit des quota litis-Vertrages nach amerikanischem Recht nicht in Frage gestellt; aber aus österreichischen Grundstücken kann er sie nicht hereinbringen, weil dem die Zwangsvorschriften an dem in Aussicht genommenen Erfüllungsort entgegenstehen, gemäß dem Grundsatz des österreichischen internationalen Privatrechtes, daß nichts vereinbart werden kann, was am Ort, wo geleistet werden soll, verboten ist oder nicht klagbar ist.
Der Oberste Gerichtshof kommt daher zu dem Schluß, daß das Berufungsgericht die Rechtssache im Ergebnis rechtlich richtig beurteilt hat.
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