OGH 2Ob309/51

OGH2Ob309/5120.2.1951

SZ 24/43

Normen

Außerstreitgesetz §9
Außerstreitgesetz §11 Abs2
Bundesverfassungsgesetz Art87
Reichsgesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit §142
Reichsgesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit §144
Genossenschaftsgesetz §1
Genossenschaftsgesetz §87
Genossenschaftsgesetz §89
Genossenschaftsregisterverordnung v. 14. Mai 1873. RGBl. Nr. 71 §3
Außerstreitgesetz §9
Außerstreitgesetz §11 Abs2
Bundesverfassungsgesetz Art87
Reichsgesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit §142
Reichsgesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit §144
Genossenschaftsgesetz §1
Genossenschaftsgesetz §87
Genossenschaftsgesetz §89
Genossenschaftsregisterverordnung v. 14. Mai 1873. RGBl. Nr. 71 §3

 

Spruch:

Kein Antrags- oder Rekursrecht der Kammern für gewerbliche Wirtschaft nach § 3 Abs. 2 Genossenschaftsregisterverordnung.

Keine amtswegige Löschung unzulässiger Eintragungen im Genossenschaftsregister.

Anläßlich eines unzulässigen Rechtsmittels kann das Rekursgericht in Genossenschaftsregistersachen dem Registergericht keine Aufträge erteilen.

Entscheidung vom 20. Feber 1951, 2 Ob 309/51.

I. Instanz: Kreis- als Handelsgericht St. Pölten; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

In das Genossenschaftsregister des Kreisgerichtes St. Pölten wurde am 28. April 1928 der Verband niederösterreichischer Molkereigenossenschaften, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, mit dem Sitz in T. eingetragen. Nach Inhalt der Satzungen bezweckt der Verband die Förderung der Interessen der ihm angeschlossenen landwirtschaftlichen Molkereigenossenschaften. Zur Erreichung dieses Zweckes soll nach § 2 Punkt 2 der Satzungen der Verband u. a. die von den angeschlossenen Molkereigenossenschaften erzeugten Molkereiprodukte und nebenbei auch sonstige von diesen Genossenschaften eingelieferte landwirtschaftliche Produkte verkaufen oder den Verkauf vermitteln.

Am 16. Jänner 1950 wurde u. a. folgende Ergänzung des § 2 der Satzungen eingetragen:

"9. ........ die zur Durchführung vorstehender Zwecke erforderlichen Gewerbeberechtigungen erwirken."

Ferner wurde am 1. Juni 1950 die folgende Satzungsänderung registriert:

"11. Soweit es für die wirtschaftliche Förderung der Mitglieder zweckmäßig bzw. notwendig ist, die in obigen Punkten bezeichneten Zweckgeschäfte ausnahmsweise auch mit Nichtmitgliedern tätigen; jedoch dürfen diese Nichtmitgliedergeschäfte 25 von Hundert des Gesamtumsatzes im Geschäftsjahr nicht übersteigen."

Am 1. Dezember 1950 erstattete die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Niederösterreich (Handelskammer Niederösterreich) gemäß § 3 Abs. 3 der Genossenschaftsregisterverordnung vom 14. Mai 1873, RGBl. Nr. 71, dem Kreisgericht St. Pölten als Registerbehörde die Anzeige, daß die vorerwähnten Satzungsbestimmungen (Punkt 9 und 11 des § 2) den Bestimmungen des § 1 des Genossenschaftsgesetzes (Gesetz vom 9. April 1873, RGBl. Nr. 70, über Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften) zuwiderlaufen, und begehrte deren Streichung.

Das Registergericht wies diesen Antrag mit folgender Begründung ab:

Die gegenständlichen Satzungsergänzungen seien von der Vollversammlung rechtsgültig beschlossen worden, die zur Eintragung erforderliche Zustimmungserklärung des Revisionsverbandes im Sinne des § 3 der Genossenschaftsnovelle 1934 (Bundesgesetz vom 3. August 1934, BGBl. Nr. 195) sei erbracht worden. Die Genossenschaftsfirma sei trotz der gegenständlichen Änderung nach wie vor dem Gegenstande des Unternehmens entlehnt (§ 4 Genossenschaftsgesetz). Eine Prüfung, ob die Gegenständliche Änderung der Satzungen auch den Bestimmungen der Gewerbeordnung gerecht werde, stehe dem Registergericht nicht zu (1 Ob 118/46).

Das Erstgericht erblickte in der gegenständlichen Änderung der Satzungen auch keine Verletzung des § 1 Genossenschaftsgesetzes, da der ausnahmsweise Abschluß von Zweckgeschäften mit Nichtmitgliedern, der noch dazu nur mit 25 v. H. des Gesamtjahresgeschäftsumsatzes angegeben sei, keine Beeinträchtigung der Forderung des Erwerbes oder der Wirtschaft der Mitglieder hinsichtlich der Gemeinschaftlichkeit darstelle. Im wirtschaftlichen Leben der Genossenschaften werde die Berührung mit Nichtmitgliedern kaum wegzudenken sein. Dies sei schon länger bei den Kreditgenossenschaften (Raiffeisenkassen) und Konsumgenossenschaften der Fall. Auch dort legen Nichtmitglieder Spareinlagen an, bzw. kaufen Nichtmitglieder Waren ein. Im übrigen sei die Antragstellerin wohl zur Erstattung einer Anzeige gemäß § 3 der Genossenschaftsregisterverordnung über die Einhaltung der Anmeldungsvorschriften verpflichtet, jedoch nicht berechtigt, einen Löschungsantrag zu stellen. Dies komme außer der Genossenschaft nur der Finanzprokuratur und, da die Eintragungsbeschlüsse bereits in Rechtskraft erwachsen seien, nur nach den Bestimmungen des § 11 Abs. 2 AußStrG. zu.

Der dagegen von der Handelskammer Niederösterreich erhobenen Beschwerde (Rekurs) gab das Rekursgericht nicht Folge. Es trug jedoch aus Anlaß des Rekurses dem Erstgericht die Löschung der obigen, von der Beschwerdeführerin beanstandeten Registereintragungen unter Rechtskraftvorbehalt seines Beschlusses auf. Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, daß, wenngleich der Handelskammer Wien (richtig Niederösterreich) das Rekursrecht nicht abgesprochen werden könne, da es sich um die Bekämpfung der Abweisung eines von ihr erhobenen Antrages handle, dem Rekurs das Rechtsschutzinteresse fehle, weil die Handelskammer gemäß § 3 Abs. 2 (richtig Abs. 3) Genossenschaftsregisterverordnung nur berechtigt sei, dem Registergericht Anzeigen zu erstatten, jedoch mangels gesetzlicher Vorschrift zur Stellung eines formellen Löschungsantrages nicht legitimiert sei. Diese Legitimation käme ihr gemäß § 126 FGG. (Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898, DRGBl. S. 189) im Handelsregisterverfahren zu, jedoch nicht in Sachen des Genossenschaftsregisters, auf welche gemäß Art. 12 der 4. EVzHGB. Abs. 2 die Bestimmungen des FGG. nicht anwendbar seien. Auch aus der Bestimmung des § 9 AußStrG., daß das Rekursrecht jedem zustehe, der sich durch die Verfügung der ersten Instanz über einen Gegenstand der Gerichtsbarkeit außer Streitsachen beschwert erachtet, sei für die Rekurswerberin nichts gewonnen, da das Rekursgericht nicht ihre Rekurslegitimation, sondern ihre Berechtigung zur Erhebung des zugrunde liegenden Löschungsantrages überhaupt verneine, die aus § 9 AußStrG. keineswegs abgeleitet werden könne.

Der dem Erstgericht erteilte Löschungsauftrag wurde damit begrundet, daß sich die gegenständlichen Registereintragungen nach der Anschauung des Rekursgerichtes als gesetzwidrig darstellen, weshalb das Rekursgericht, das aus Anlaß eines aus formellen Gründen unberechtigten Rekurses von diesen Eintragungen Kenntnis erlangt habe, in Ausübung seines Aufsichtsrechtes (vgl. SZ. XXI/133) dem Erstgericht die erforderlichen Löschungsaufträge zu erteilen hatte, denen die formale Rechtskraft der gesetzwidrigen Eintragungen keineswegs entgegenstehe, zumal durch diese gesetzwidrigen Eintragungen in das Genossenschaftsregister dritte Personen auch keine Rechte erwerben konnten.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes wendet sich der Rekurs des Verbandes n. ö. landwirtschaftlicher Molkereigenossenschaften, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, der die Wiederherstellung des erstrichterlichen Beschlusses begehrt.

Der Oberste Gerichtshof hob den dem Registergericht vom Rekursgericht erteilten Auftrag auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs ist berechtigt, wenn auch dem gestellten Rekursantrag nicht willfahrt werden kann, da das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß nicht abgeändert hat.

Es ist davon auszugehen, daß, wie von den Vorinstanzen richtig erkannt wurde, in Sachen des Genossenschaftsregisters nur eine Anzeigepflicht der Handelskammern gemäß § 3 Abs. 3 der Genossenschaftsregisterverordnung besteht, daß ihnen jedoch ein Recht, die Beseitigung unrichtiger oder gesetzwidriger Eintragungen zu verlangen, nicht zusteht. Fehlte demnach im vorliegenden Fall der Handelskammer Niederösterreich die Antragslegitimation überhaupt, dann war sie auch nicht berechtigt, den vom Registergericht abgewiesenen Löschungsantrag mit Beschwerde (Rekurs) anzufechten. Das von ihr eingebrachte Rechtsmittel war daher nicht, wie das Rekursgericht vermeint, unberechtigt, sondern unzulässig.

Nur ein zulässiges Rechtsmittel hätte aber das Rekursgericht berechtigt, die gegenständlichen Registereintragungen auf ihre Gesetzmäßigkeit selbständig zu prüfen und allenfalls deren Löschung dem Erstgericht aufzutragen, wobei dahingestellt bleiben mag, ob nicht - da, anders als beim Handelsregister (§ 142 FGG.), eine amtswegige Löschung von unzulässigen Eintragungen im Genossenschaftsregister (von dem Fall des § 3 des Gesetzes vom 9. Oktober 1934, DRGBl. I S. 914, abgesehen) nicht vorgesehen ist - gemäß den §§ 87 - 89 Genossenschaftsgesetz richtigerweise dem Verband n. ö. landwirtschaftlicher Molkereigenossenschaften, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, der Auftrag zu erteilen gewesen wäre, die dem Genossenschaftsgesetz widerstreitenden statutarischen Bestimmungen zu ändern (vgl. ACl. 2478, 2578). Kraft seines Aufsichtsrechtes war aber das Rekursgericht nicht befugt, dem Registergericht Aufträge zu erteilen. Eine solche Auftragserteilung ist mit dem verfassungsgesetzlichen Grundsatz (Art. 87 B.-VG.) der richterlichen Unabhängigkeit unvereinbar, der seinem Inhalt nach die Bedeutung hat, daß die Richter in Ausübung ihres richterlichen Amtes ausschließlich an die Gesetze, nicht aber an Weisungen und Aufträge von Regierungsorganen gebunden sind. Auch dem im Instanzenzug übergeordneten Gericht steht ein solches Weisungsrecht nicht zu, es sei denn, daß es durch Anbringung eines zulässigen Rechtsmittels in die Lage kommt, eine die untere Instanz bindende Entscheidung zu fällen oder seiner Rechtsansicht in einer das untergeordnete Gericht bindenden Weise Ausdruck zu geben (vgl. Adamovich, Grundriß des österreichischen Verfassungsrechtes, 4. Aufl., S. 145 und S. 226). Nur im Falle eines zulässigen Rekurses hätte daher das Rekursgericht - wie dies auch in der Entscheidung SZ. XXI/133 zum Ausdruck kommt - die ihm nach seiner Rechtsanschauung unzulässig erscheinenden Registereintragungen beheben können. Kraft seines Aufsichtsrechtes durfte es aber nicht in die Rechtsprechung des Registergerichtes eingreifen.

Aus diesen Gründen mußte daher, ohne daß die Frage der Gesetzmäßigkeit der gegenständlichen Statutenbestimmungen zu erörtern war, dem Rekurse in dem oben ausgesprochenen Sinn Folge gegeben werden.

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