Spruch:
Auch bei gemäß § 56 EO. anzunehmender Zustimmung des Gegners ist dem Antrage auf Erlassung der einstweiligen Verfügung nicht ohne weiteres stattzugeben, sondern das Vorliegen der Voraussetzungen von Amts wegen zu prüfen.
Entscheidung vom 12. Jänner 1951, 1 Ob 623/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt: II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Rechtsmittelwerber hat gegen die Beklagte eine Klage auf Übergabe der streitgegenständlichen Wohnung eingebracht und damit den Antrag verbunden, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, die Wohnung an einen Dritten zu vermieten und zu übergeben. Dieser Antrag wurde der Gegnerin mit der Aufforderung zur Äußerung binnen acht Tagen bei sonstiger Annahme ihrer Zustimmung zu dem Antrage gemäß § 56 EO. zugestellt.
Nachdem sich die Beklagte nicht geäußert hatte, gab das Erstgericht dem Antrage bloß unter Hinweis auf die anzunehmende Zustimmung der Gegnerin mit Beschluß vom 1. August 1950 statt.
Das Rekursgericht wies dagegen mit dem angefochtenen Beschluß den Antrag in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für die Erlassung einstweiliger Verfügungen seien öffentlich-rechtlich und durch Parteiwillen nicht veränderlich. Daher müsse ihr Vorliegen trotz Eintrittes der Zustimmungsfiktion nach § 56 EO. geprüft werden. Der Antragsteller habe nun eine Gefährdung seines Anspruches in konkreter Form gar nicht behauptet; aus der in bescheinigter Form beigebrachten Äußerung des Rechtsfreundes der Gegenseite ergebe sich, daß die Gegenseite die Wohnung bereits vermietet habe, und wäre durch den gutgläubigen Abschluß des neuen Mietvertrages das Bestandrecht des Antragstellers erloschen, also sein zu sichernder Anspruch bereits weggefallen. Der Antragsteller habe auch den Bestand seines Mietrechtes nicht bescheinigt.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der gefährdeten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Oberste Gerichtshof teilt die Meinung des Rekursgerichtes, daß auch bei nach § 56 EO. anzunehmender Zustimmung des Gegners dem Antrage auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung noch nicht ohneweiters stattgegeben werden darf, sondern vielmehr das Gericht das Vorliegen der Voraussetzungen für das Verfahren von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. E. vom 2. Juli 1914, Spr. 244, Pollak, Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., S. 497, Neumann - Lichtblau, Komm. zur EO., II., S. 1166). Nun setzt die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach den §§ 389, 390 EO. die Behauptung und Bescheinigung der Gefährdung des zu sichernden Anspruches und, wenn auch nicht in ausreichendem Umfange, jene des Anspruches voraus und darf daher die einstweilige Verfügung bei völligem Mangel einer Bescheinigung des Anspruches und auch einer nur unzureichenden Bescheinigung der Gefährdung nicht erlassen werden (vgl. Neumann - Lichtblau a. a. O., S. 1241). Würde selbst der Standpunkt vertreten, daß bei nach § 56 EO. anzunehmender Zustimmung des Gegners die Bescheinigung der im Antrag behaupteten Tatsachen nicht erforderlich ist, so muß zumindestens aus dem Vorbringen im Antrag Anspruch und Gefährdung eindeutig hervorgehen und darf sich auch aus den allfällig beigebrachten Bescheinigungen nicht das Gegenteil ergeben (vgl. Pollak a. a. O., S. 498). Nun hat die gefährdete Partei in ihrer Klage und damit in dem damit verbundenen Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung vorgebracht, daß ihr Mietrecht noch aufrecht bestehe, und ausgeführt, warum der gegenteilige Standpunkt im vorgelegten Schreiben des Vertreters der Klägerin unrichtig sein soll. Sie hat dann noch darauf hingewiesen, daß die Gegnerin die gegenständliche Wohnung zur § 3-Wohnung habe erklären lassen und daß sie auch eine neue Benützungsbewilligung für die Wohnung habe einholen müssen, was wieder eher gegen die Richtigkeit der Behauptung im Antrage über das Fortbestehen des Mietrechtes spricht, so daß der Anspruch zweifelhaft erscheint. Zur Frage der Gefährdung hat der Rechtsmittelwerber lediglich vorgebracht, daß die Gegnerin die Wohnung bereits an Dr. Kurt O. vermietet habe und hat als Bescheinigung hiefür das Schreiben des Vertreters der Klägerin vorgelegt. Aus dem Vorbringen und aus dem Bescheinigungsmittel geht nicht klar hervor, welche Gefahr dem Rechtsmittelwerber eigentlich drohen soll. Meint er schon durch den Abschluß des Mietvertrages mit einem Dritten in seinen Rechten beeinträchtigt zu werden, so wäre der drohende Schaden durch den behaupteten und bescheinigten Vertragsabschluß mit dem Dritten bereits eingetreten und die Erlassung des beantragten Verbotes, die Wohnung an andere Personen zu vermieten, verspätet. Soll aber die Gefährdung in der bevorstehenden Übergabe der Wohnung an den neuen Mieter bestehen, so fehlt es an einem Vorbringen, ob diese Übergabe noch nicht vollzogen wurde. Demnach geht aus dem Vorbringen des Rechtsmittelwerbers das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung der verlangten einstweiligen Verfügung nicht zweifelsfrei hervor. Das Rekursgericht hat daher mit Recht in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses den Antrag abgewiesen. Deshalb mußte dem Revisionsrekurs ein Erfolg versagt bleiben.
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