Spruch:
Ein Mietvertrag, der von einem faktisch die Verwaltung führenden Miteigentümer einer Liegenschaft abgeschlossen wird, verpflichtet auch die übrigen Miteigentümer, welche der Verwaltung nicht widersprochen haben.
Die von einem Verschollenen ausgestellte Vollmacht gilt erst mit der Todeserklärung als erloschen.
Entscheidung vom 27. Dezember 1950, 2 Ob 704/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:
Kreisgericht Wiener Neustadt.
Text
Das Haus Nr. X in Y stand im gleichteiligen Eigentum der Ehegatten Franz und Maria K. Franz K. geriet als Wehrmachtsangehöriger in Kriegsgefangenschaft und wurde mit dem Erkenntnis vom 17. Juni 1948 (zugestellt am 13. August 1948) für tot erklärt, wobei der 7. Jänner 1946 als Todestag festgestellt wurde. Am 12. August 1948 brachten die Hauseigentümer (Franz K. vertreten durch einen Abwesenheitskurator) gegen den Beklagten eine Räumungsklage mit der Begründung ein, daß dieser Räume im Hause ohne Titel benütze. Der Beklagte wendete ein, daß er mit der Zweitklägerin Maria K. im Jahre 1947 einen Mietvertrag geschlossen habe.
Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab und stellte fest, daß der vom Beklagten behauptete Mietvertrag zustande gekommen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger, nachdem vorerst der Abwesenheitskurator des Erstklägers auch zum Kurator seiner Verlassenschaft bestellt worden war und das bisherige Verfahren genehmigt hatte, keine Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Darüber, daß mit dem im Jahre 1947 längst verstorbenen, jedenfalls aber damals vermißten Erstkläger keine Vertragsunterhandlungen gepflogen wurden, bedarf es keiner Erörterung, weil dies niemals behauptet wurde. Fraglich kann nur sein, ob mit der Zweitklägerin eine Willenseinigung erzielt wurde, und zutreffendenfalls, ob sie aus irgend einem Rechtsgrunde als Verwalterin der gemeinschaftlichen Liegenschaft anzusehen und darum berechtigt war, mit einer alle Hauseigentümer verpflichtenden Wirkung rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben und Mietverträge abzuschließen. Es gehen darum auch jene Ausführungen der Rechtsmittelschriften der Kläger, welche - an sich zutreffend, aber für den vorliegenden Fall bedeutungslos - geltend machen, daß ein Mietvertrag nicht von Hälfteeigentümer, sondern nur von der Mehrheit oder Gesamtheit der Miteigentümer wirksam abgeschlossen werden könne (3 Ob 104/48, JBl. 1948, S. 563, u. a. m.), ins Leere.
Zu prüfen war nur, ob die Zweitklägerin als Verwalterin einer gemeinsamen Sache anzusehen und ob sie als solche zur Errichtung von Mietverträgen befugt war.
Mit Recht haben die Untergerichte diese Frage bejaht.
Verfehlt ist freilich der Hinweis des Erstgerichtes auf die Schlüsselgewalt der Ehefrau. Denn diese bezieht sich nur auf die Führung des Haushaltes und kann darum als ein Fall der sogenannten stillschweigenden Bevollmächtigung auf andere Rechtsgeschäfte, die nichts mehr mit der Besorgung des Haushaltes zu tun haben, nicht ausgedehnt werden (Klang, II/2, S. 850). Ein solcher Vertragsabschluß würde den ihr gemäß §§ 92, 1029 ABGB. stillschweigend eingeräumten Verwaltungskreis überschreiten (vgl. SZ. XIII/248).
Für die Befugnis der Zweitklägerin können zwei Bestimmungen herangezogen werden. Zunächst § 1029 ABGB. über die stillschweigende Bevollmächtigung durch Überlassung einer Verwaltung. Die Berufung der Kläger muß selbst zugeben, daß es natürlich ist, wenn ein zum Militär einrückender Ehemann seiner Gattin die Fortführung der Hausverwaltung überläßt und stillschweigend alle diesbezüglichen (von der Ehefrau abgeschlossenen) Geschäfte genehmigt. Darüber, daß eine ausdrückliche (vom Gericht erster Instanz sogenannte "besondere") schriftliche oder mündliche Spezialvollmacht vom Erstkläger bei seiner Einrückung der Zweitklägerin nicht erteilt wurde, besteht kein Streit; auch der Beklagte hat derlei nicht behauptet. Es steht auch nicht fest, daß der Erstkläger während seiner Militärdienstleistung, z. B. während seines Urlaubes oder brieflich, von der Verwaltungsführung seiner Gattin Kenntnis erlangte und sie guthieß. Aber die Lebenserfahrung geht dahin, daß, wie ja die Kläger gar nicht in Abrede stellen, der zu Hause bleibende Ehegatte mit Zustimmung des ins Feld abgegangenen die Verwaltungsgeschäfte weiterführt, so daß ihm eine Verwaltungsvollmacht stillschweigend erteilt ist. Der Umfang dieser Vollmacht aber bestimmt sich nach § 1029 ABGB.
Wenn die Revision behauptet, es habe sich nur um eine Inkassovollmacht gehandelt, so ist dies eine völlig unbewiesene Behauptung, die mit der schon in erster Instanz festgestellten Tatsache in Widerspruch steht, daß die Zweitklägerin in Abwesenheit ihres Gatten mit Baufirmen wegen Reparaturen selbständig Verhandlungen geführt hat. Mit einer bloß auf das Inkasso der Mietzinse beschränkten Vollmacht wäre dem abwesenden Miteigentümer natürlich nicht gedient gewesen; für das Inkasso reichen schon die üblichen Befugnisse des Hausbesorgers aus. Es liegt auf der Hand, daß eine stillschweigende Bevollmächtigung der Ehefrau gar keinen anderen Zweck haben kann als den, einen Hausverwalter einzusetzen, der alle zur Erhaltung des Hauses nötigen Verfügungen selbständig vorzunehmen hat und auch alle übrigen in den Aufgabenkreis eines Hausverwalters fallenden Aufgaben zu lösen berufen und ermächtigt ist. Es kommt aber überdies auch noch die Bestimmung des § 837 ABGB. in Betracht. Selbst wenn man eine stillschweigende Bevollmächtigung der Zweitklägerin durch ihren Ehemann nicht annehmen wollte, bliebe doch die Tatsache bestehen, daß sie - ohne ausdrücklich oder stillschweigende Bestellung - die Verwaltung in Abwesenheit des Ehemannes geführt und der andere Teilhaber dieser Verwaltung nicht widersprochen hat. Die Zweitklägerin gilt darum als Machthaberin kraft ausdrücklicher Vorschrift des Gesetzes und ist nicht nur dann als Bevollmächtigte zu behandeln, wenn sie die ganze Verwaltung führt, sondern auch dann, wenn sie nur einzelne Verwaltungshandlungen vornimmt (Klang, II/1, S. 887). Der von dem die Verwaltung ohne Widerspruch führenden Teilhaber abgeschlossene Mietvertrag verpflichtet darum auch die übrigen Teilhaber, welche der Verwaltung nicht widersprochen haben, und gilt als im Interesse aller Teilhaber abgeschlossen.
Wenn nun die Revision glaubt, daß selbst eine solche Verwaltungsvollmacht mit dem Tode des Erstklägers erloschen sei und daß auch das Unterbleiben eines Widerspruches seitens des Erstklägers bedeutungslos sei, weil er ja schon im Jänner 1946 verstorben war und darum gar nicht mehr widersprechen konnte, so ist sie im Irrtum.
Wohl erlischt grundsätzlich jede Vollmacht (ausgenommen die Prozeßvollmacht nach § 35 ZPO.) mit dem Tode des Machtgebers, wenn sie nicht auf den Sterbefall des Gewaltgebers gestellt war (§ 1022 ABGB.). Aber die von einem Verschollenen ausgestellte Vollmacht gilt nach Lehre und Rechtsprechung erst mit der Todeserklärung als erloschen (GlU. 3988, Klang, II/2, S. 842). Dies gilt natürlich auch für das Verfahren zum Beweis des Todes und das in diesem Verfahren gemäß § 10 des Gesetzes vom 16. Februar 1883, RGBl. Nr. 20, ergangene Erkenntnis. Es wurde daher die stillschweigende Bevollmächtigung im Sinne des § 1029 ABGB. erst mit dem Tage der Rechtskraft des früher erwähnten Erkenntnisses (13. August 1948) aufgehoben und auch die Verwaltungsbefugnis nach § 837 ABGB. gilt erst als mit diesem Tage beendet, weil nunmehr allerdings ein Widerspruch nicht mehr möglich ist und die Zustimmungsfiktion nicht mehr Platz greifen könnte. Es steht aber fest, daß der Vertrag im November 1947, also lange vor dem entscheidenden Zeitpunkte, errichtet wurde.
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