Spruch:
Da Spruch und Gründe des Strafurteiles eine Einheit bilden, erstreckt sich die Bindung des Zivilrichters auch auf die Feststellung des Sachverhaltes, der den strafbaren Tatbestand bildet (so auf die Höhe des in den Gründen festgestellten Schadensbetrages).
Entscheidung vom 18. Dezember 1950, 4 Ob 78/50.
I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Das Landesgericht für Strafsachen Wien hatte als erwiesen angenommen, daß der Beklagte und Anton K. als Mittäter dem Kläger im Jahre 1937 64.303.53 S veruntreut haben. Es hat den Beklagten des Verbrechens nach §§ 183, 184 zweiter Strafsatz StG. schuldig erkannt, im Urteilsspruch jedoch den Schaden mit einem 2.500 S übersteigenden Betrage und nicht mit dem in den Gründen festgestellten Betrage von 64.303.53 S beziffert. Im Verfahren vor dem Arbeitsgericht hat der Beklagte ausgeführt, daß er überhaupt keine Veruntreuung begangen habe und daß der Schuldspruch auf Grund einer unrichtigen Aussage des Klägers erfolgt sei.
Später hat der Beklagte vorgebracht, daß die Klagsforderung nur zu einem Bruchteil zu Recht bestehe; einen bestimmten Betrag hat er aber nicht genannt.
Beide Unterinstanzen haben auf Grund dieses Sachverhaltes dem Kläger den begehrten Schadensbetrag von 42.869.02 S zugesprochen.
Der Oberste Gerichtshof hat der Revision des Beklagten nicht Folge gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Arbeitsgericht war berechtigt, die Feststellung des Strafgerichtes über die Höhe des veruntreuten Betrages seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
Gemäß § 268 ZPO. ist der Zivilrichter an den Inhalt des verurteilenden Erkenntnisses des Strafgerichtes gebunden. Da Spruch und Gründe eine Einheit bilden, erstreckt sich die Bindung des Zivilrichters auch auf die Feststellung des Sachverhaltes, der den strafbaren Tatbestand bildet. Daher hatte der Erstrichter von einem Schadensbetrage von 64.303.53 S auszugehen, der sich nach der Einführung der Reichsmarkwährung auf 42.869.02 RM reduzierte und heute den gleichen Betrag in Schilling ausmacht.
Der Hinweis auf die Entscheidung 2 Ob 179/48, mit dem die Revision ihre gegenteilige Rechtsansicht begrunden will, geht fehl, weil diese Entscheidung die Frage behandelt, ob der Zivilrichter berechtigt ist, ein vom Strafrichter nicht festgestelltes Mitverschulden des Geschädigten als erwiesen anzunehmen. Überdies gipfelt das Vorbringen des Beklagten darin, daß er seine vom Strafgerichte abgelehnte Verantwortung wiederholt und Schuldlosigkeit nachzuweisen sucht. Die Zulassung dahinzielender Beweise verstieße ganz offensichtlich gegen § 268 ZPO.
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