OGH 1Ob691/50

OGH1Ob691/5013.12.1950

SZ 23/374

Normen

Außerstreitgesetz §11
Todeserklärungsgesetz 1950 §4
Todeserklärungsgesetz 1950 §7
Außerstreitgesetz §11
Todeserklärungsgesetz 1950 §4
Todeserklärungsgesetz 1950 §7

 

Spruch:

Ein verspäteter Rekurs gegen den Beschluß, mit dem der Antrag auf Einleitung des Todeserklärungsverfahrens abgewiesen wurde, kann berücksichtigt werden.

Lebensgefahr im Sinne des § 7 VerschollenheitsG.

Entscheidung vom 13. Dezember 1950, 1 Ob 691/50.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Otto H. hat am zweiten Weltkrieg teilgenommen. Am 6. Jänner 1943 geriet er im Raum von Stalingrad in russische Kriegsgefangenschaft. Franz U., der aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, traf im April 1943 im Gefangenenlager B. den Otto H., den er schon seit dem Jahre 1936 kennt. Damals teilte ihm Otto H., der "schon sehr matt und sehr schlecht beisammen war" und anscheinend an Ruhr erkrankt war, mit, daß er in das Lazarett abtransportiert werde. Die Antragstellerin hat die letzte Nachricht Ende 1942 erhalten. Die Anfrage an das Bundesministerium für Inneres war negativ.

Das Erstgericht hat die Einleitung des Verfahrens zur Todeserklärung verfügt.

Dem Rekurs des Kurators hat das Rekursgericht Folge gegeben und den angefochtenen Beschluß dahin abgeändert, daß der Antrag auf Einleitung des Verfahrens zur Todeserklärung abgewiesen wurde.

Das Rekursgericht führte aus, daß, nachdem Otto H. in Kriegsgefangenschaft sich befunden habe, die Bestimmung des § 4 VerschollenheitsG. nicht in Frage komme. Zur Anwendung des § 7 VerschollenheitsG. müsse aber eine bestimmte Lebensgefahr des Verschollenen nachgewiesen werden; eine solche sei aber weder von der Antragstellerin behauptet noch von der vernommenen Auskunftsperson Franz U. bestätigt worden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragstellerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was zunächst die Berücksichtigung des verspäteten Revisionsrekurses anlangt, der erst nach Ablauf der 14tägigen Rechtsmittelfrist zu Protokoll gegeben wurde, so war über diesen gemäß § 11 Abs. 2 AußstrG. zu entscheiden, da sich die angefochtene Verfügung ohne Nachteil eines Dritten abändern läßt (GlU. 10.373). Dem Revisionsrekurs selbst kommt aber Berechtigung nicht zu. Da Otto H. als Angehöriger der bewaffneten Macht in Kriegsgefangenschaft geraten ist, ist, wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung vom 15. Dezember 1948, 1 Ob 308/48, SZ. XXI/168, ausgesprochen hat, für eine Todeserklärung im Sinne des § 4 VerschollenheitsG. kein Raum.

Was nun die Frage anlangt, ob die Voraussetzungen der Bestimmung des § 7 VerschollenheitsG. gegeben sind, wurde dies mit Recht vom Rekursgericht verneint. Nach der letzten Bestimmung kann der Verschollene für tot erklärt werden, wenn dieser in eine bestimmte Lebensgefahr gekommen ist.

Unter Lebensgefahr wird ein Zusammentreffen von Umständen verstanden, durch die das Leben eines Menschen ernstlich bedroht ist, so müssen doch die Umstände nach subjektiven und objektiven Gesichtspunkten derartige sein, daß der Eintritt des Todes sich als wahrscheinlich darstellt. Die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit, daß der Verschollene sich in einer Lebensgefahr befunden hat, kann den Nachweis der Lebensgefahr nicht ersetzen.

Ganz abgesehen davon, daß die Antragstellerin eine bestimmte Lebensgefahr, in der sich der Verschollene befunden haben soll, gar nicht behauptet hat, konnte auch durch die Vernehmung des Franz U. eine solche Lebensgefahr nicht erwiesen werden, da der Obgenannte bloß bestätigte, daß Otto H. "sehr matt und schlecht beisammen" gewesen ist und sich auf dem Weg ins Lazarett befunden hat. Wenn Franz U. von einer Ruhrerkrankung spricht, so konnte er diese Erkrankung nicht sicher behaupten, sondern gab nur seiner eigenen Meinung in dieser Richtung Ausdruck. Da auch durch die Vernehmung des Franz U. nicht festgestellt wurde, daß in dem Gefangenenlager eine Seuche an Ruhr ausgebrochen war, lagen die Voraussetzungen dafür, daß der Verschollene sich in einer bestimmten Lebensgefahr befunden hat, nicht vor, weshalb dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen war.

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