OGH 2Ob790/50

OGH2Ob790/502.12.1950

SZ 23/360

Normen

ABGB §585
Dritte Teilnovelle zum allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch §57
AußStrG §16
AußStrG §122
AußStrG §126
ABGB §585
Dritte Teilnovelle zum allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch §57
AußStrG §16
AußStrG §122
AußStrG §126

 

Spruch:

Steht einem eigenhändigen und echten, wenn auch älteren Testament ein beschädigtes, zerstörtes oder verlorenes, wenn auch jüngeres Testament gegenüber, so ist die Klägerrolle dem Erben, der sich auf letzteres Testament beruft, zuzuweisen.

Entscheidung vom 2. Dezember 1950, 2 Ob 790/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Mödling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Zum Nachlaß der am 28. Oktober 1944 gestorbenen Ottilie P. gaben einerseits die romisch-katholische Kirche in Österreich, Erzdiözese Wien, vertreten durch das erzbischöfliche Ordinariat Wien, auf Grund eines Testamentes vom 20. November 1940 und anderseits dar erbl. Neffe Hans P. auf Grund eines von ihm behaupteten, aber nicht produzierten schriftlichen, holographen, überdies aber auch unter Zuziehung von Zeugen errichteten Testamentes von Ende August oder Anfang September 1944 Erbserklärungen ab.

Das Verlassenschaftsgericht verwies die Parteien auf den Rechtsweg und teilte die Klägerrolle dem erblasserischen Neffen Hans P. zu.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß.

Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs des erblasserischen Neffen zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist im Sinne des § 16 AußstrG. unzulässig, weil entgegen seiner Behauptung keine offenbare Gesetzwidrigkeit vorliegt.

Entscheidend ist die Frage, wessen Erbrechtstitel im Sinne des § 126 AußstrG. als der schwächere anzusehen ist. Diese Frage ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Dieses begnügt sich vielmehr, ganz allgemein zu erklären, daß der Erbvertrag gegenüber einem Testament, dieses gegenüber der gesetzlichen Erbfolge den stärkeren Titel darstelle, und daß im übrigen derjenige die Klägerrolle zu übernehmen habe, der, um sein Erbrecht geltend machen zu können, den stärkeren Erbrechtstitel seines Gegners entkräften müßte.

Ob im vorliegenden Fall das ältere, aber in seiner Echtheit unangefochtene Testament gegenüber einem zeitlich jüngeren, aber nicht mehr existierenden oder doch nicht dem Gericht vorliegenden und darum zweifelhaften Testament als der schwächere oder stärkere Erbrechtstitel zu gelten haben, ist demnach eine Frage der Gesetzesauslegung.

Der Begriff der "offenbaren Gesetzwidrigkeit" ist aber, wie der Oberste Gerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen hat, jenem der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht gleichzuhalten. Vielmehr liegt offenbare Gesetzwidrigkeit nur vor, wenn die zur Beurteilung gestellte Frage im Gesetz selbst ausdrücklich und in so klarer Weise gelöst ist, daß kein Zweifel über die Intention des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (GlUNF. 6698, u. a. m.).

Da diese Voraussetzungen hier nicht zutreffen, ist der außerordentliche Revisionsrekurs gegen die bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes unstatthaft und war darum zurückzuweisen.

Angesichts der mehrfachen vom erbserklärten Erben Hans P. bereits überreichten Rechtsmittel, welche der Annahme einer Verzögerungsabsicht eine gewisse Stütze bieten, hält es der Oberste Gerichtshof für zweckmäßig, auszusprechen, daß die von den Unterinstanzen vertretene Rechtsansicht durchaus zutreffend ist und von Lehre und Rechtsprechung nahezu einhellig geteilt wird.

Die vom Revisionsrekurs abermals herangezogenen Ausführungen des Rekurses und die dort zitierten Entscheidungen setzen durchwegs voraus, daß es sich um das Zusammentreffen von widersprechenden Erbserklärungen auf Grund von zwei oder mehreren vorhandenen letztwilligen Verfügungen handelt. In solchen Fällen mag es richtig sein, daß der bloße Widerspruch gegen die Echtheit einer letztwilligen Verfügung nicht genügt, um die Parteirollen im Prozeß zu verschieben, daß sich vielmehr objektiv begrundete Bedenken gegen die Formrichtigkeit und Echtheit des Aktes bzw. der Urkunde ergeben müssen, um dem, zu dessen Gunsten es lautet, die Klägerrolle zuzuteilen (Rintelen, S. 64). So liegt aber der vorliegende Fall keineswegs. Es steht vielmehr einem in seiner Echtheit unangefochtenen eigenhändigen Testament ein nicht vorhandenes oder doch nicht beibringliches gegenüber, dessen Inhalt lediglich im Prozeßwege durch die Mittel der ZPO. sichergestellt und von dem nur in gleicher Form dargetan werden kann, daß sein Verlust nur auf einem Zufall und nicht etwa auf dem Willen des Erblassers, der es also dadurch widerrufen wollte, beruht. Die Rechtslage ist die nämliche wie im Falle eines in seiner äußeren Form bedenklichen, z. B. ausgebesserten, zerrissenen, durchschnittenen und wieder zusammengeklebten Testamentes. Hier trifft den Erben, der sich auf ein solches Testament beruft, die Pflicht, den Zufall der Beschädigung und, wenn die Urkunde gänzlich verloren gegangen ist, auch ihren Inhalt und die Zufälligkeit des Verlustes darzutun, widrigens sein auf das beschädigte, zerstörte oder verlorene Testament gegrundeter Anspruch hinfällig ist (Klang, 1. Aufl., II/1, S. 557, Ehrenzweig, II/2, § 505, S. 471, ÖJZ. 1948, EvBl. Nr. 405, Schuster - Bonnot, Kommentar, S. 216). Dieser Beweis kann aber nur mit den Mitteln der ZPO. und nur im Rechtswege erbracht werden (§ 57, III. TN., Klang, l. c.). Diese Beweislastverteilung ergibt, daß ein beschädigtes, zerstörtes oder verlorenes Testament es nicht zu rechtfertigen vermöchte, demjenigen, der sich im Erbrechtsprozeß darauf beruft, die Stellung des Beklagten bei der Verteilung der Parteirollen zuzuweisen (GlUNF. 3227). Mit Recht hat schon das Erstgericht darauf verwiesen, daß die Erweisung des Inhaltes und zufälligen Unterganges des Testamentes im Abhandlungsverfahren nur zur Annahme der Erbserklärung, nicht aber dazu ausreicht, das Erbrecht des sich darauf Berufenden als das stärkere erscheinen zu lassen und ihm darum die Beklagtenrolle zuzuteilen. Gänzlich abwegig ist der Hinweis des Revisionsrekurses auf die Annahme der Erbserklärung, weil diese bei der gegebenen Sachlage gemäß § 122 AußstrG. zu Gericht angenommen werden mußte. Wenn auch die bei der Tagsatzung anscheinend nicht rechtsfreundlich vertretene römischkatholische Kirche nach der Formulierung ihres Vorbringens in dem darüber errichteten Protokoll nicht ausdrücklich die Existenz und die Echtheit und Richtigkeit des behaupteten Testamentsinhaltes bestritten hat, so genügte es doch, daß sie es als den schwächeren Erbrechtstitel bezeichnete und darauf hinwies, daß dieses angebliche schriftliche Testament dem Gericht nicht vorgelegt werden könne.

Daß aber dieses angebliche Testament nicht etwa im Konversionswege als mündliches aufrechterhalten werden kann, weil bisher die Voraussetzungen des § 585 ABGB. nicht erwiesen wurden, hat schon das Rekursgericht zutreffend dargelegt.

Die Verteilung der Parteirollen erfolgte also gesetzentsprechend.

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