OGH 3Ob630/50

OGH3Ob630/5029.11.1950

SZ 23/356

Normen

ABGB §917
ABGB §920
ABGB §1079
ABGB §1447
ABGB §917
ABGB §920
ABGB §1079
ABGB §1447

 

Spruch:

Der aus einem nicht verbücherten Vorkaufsrecht Berechtigte kann vom Verpflichteten, der die Sache, ohne sie dem Berechtigten zur Einlösung anzubieten, weiterveräußert hat, nur Schadenersatz, nicht aber Erfüllung begehren.

Entscheidung vom 29. November 1950, 3 Ob 630/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Klägerin stellte das Begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihr das Superädifikathaus in Wien, XXI., X.straße 161, ins Eigentum zu übertragen, eine hinterlegungsfähige Urkunde darüber auszustellen und dem Gründeigentümer gegenüber alle Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um das Pachtrecht der Beklagten zu begrunden; die Klägerin begrundet dieses Begehren mit der Behauptung, sie habe mit der Beklagten, der damaligen Eigentümerin des Superädifikates, ein Vorkaufsrecht hinsichtlich dieses Superädifikates vereinbart, die Beklagte habe jedoch das Superädifikat einem Herrn R. verkauft, eine hinterlegungsfähige Urkunde ausgestellt und diese hinterlegen lassen.

Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen ab. Es vertrat die Rechtsmeinung, daß die von der Beklagten erhobene Einwendung der Unmöglichkeit der Leistung zwar unbegrundet sei, da immerhin für die Beklagte die Möglichkeit bestunde, den Erwerber des Superädifikates abzulösen und dieses sodann auf die Klägerin zu übertragen, daß aber gemäß § 1079 ABGB. ein nicht verbüchertes Vorkaufsrecht dem Vorkaufsberechtigten nur einen Anspruch auf Schadenersatz, nicht aber einen solchen auf Vertragserfüllung gebe.

Das Berufungsgericht hob über Berufung der Beklagten dieses Urteil auf und trug dem Prozeßgericht die neuerliche Verhandlung und Urteilsfällung auf, wobei es aussprach, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft seiner Entscheidung fortzusetzen sei. Es trat der Rechtsansicht des Prozeßgerichtes hinsichtlich der Einwendung der Unmöglichkeit der Leistung bei, vertrat aber den Standpunkt, daß nach dem Sinne des § 1079 ABGB. der Erfüllungsanspruch nicht ausgeschlossen sei, da die beiden Sätze des § 1079 ABGB. dahin zu verstehen seien, daß der Vorkaufsberechtigte im Falle der Verbücherung seines Vorkaufsrechtes das Recht zur Übergabe der veräußerten Sache unmittelbar gegen den dritten Erwerber geltend machen könne, während ihm bei Fehlen der Verbücherung dieses Recht nicht zustehe und er sich mit seinem Anspruche nur an den vertragsbrüchigen Verpflichteten halten könne.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Beklagten auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs ist zwar nicht begrundet, soweit er sich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes wendet, daß die Beklagte die Einwendung der Unmöglichkeit der Leistung nicht mit Erfolg erheben könne. Wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 1447 ABGB. ergibt, hebt nur die zufällige Unmöglichkeit der Erfüllung einer Verbindlichkeit diese auf; die durch ein Verschulden des Verpflichteten verursachte Unmöglichkeit der Leistung hat jedoch eine Befreiung von der Pflicht zur Erfüllung nicht zur Folge. Wenn es daher richtig sein sollte, daß zwischen den Streitteilen ein Vorkaufsrecht vereinbart worden sei, so könnte sich die Beklagte, die das Superädifikat weiterverkauft hat, ohne der Klägerin dieses zur Einlösung anzubieten, nicht auf die Unmöglichkeit der Leistung im Sinne des § 1447 ABGB. berufen.

Der Rekurs ist aber berechtigt, soweit er die Meinung des Berufungsgerichtes bekämpft, daß die Klägerin nach § 1079 ABGB. Erfüllung verlangen könne. Wie der Oberste Gerichtshof nicht nur in der vom Erstgericht bezogenen Entscheidung SZ. I/54, sondern auch in den Entscheidungen SZ. VI/25, ZBl. 1937, Nr. 362, JBl. 1937, S. 387, der tschechoslowakische Oberste Gerichtshof in der Entscheidung vom 17. Juni 1922, Slg. 1924, Nr. 1679, und das Reichsgericht in der Entscheidung vom 21. Jänner 1942, Deutsches Recht, Ausgabe A, 1942, S. 941, zum Ausdruck gebracht haben, kann der aus einem nicht verbücherten Vorkaufsrecht Berechtigte vom Verpflichteten nur dann Erfüllung verlangen, wenn ihm die Einlösung vom Verpflichteten angeboten wurde, er dieses Anbot angenommen und alle sich daraus ergebenden Verpflichtungen erfüllt hat, da ihm in diesem Falle ein Anspruch aus dem dadurch zustande gekommenen Kaufvertrage zusteht, während er in dem Falle, als die Sache ohne Anbot der Erfüllung vom Verpflichteten einem Dritten verkauft wurde und dieser an der Sache bereits Eigentum erworben hat, vom Verpflichteten nach dem ersten Satze des § 1079 ABGB. nur Schadenersatz begehren kann. Der gleichen Ansicht ist auch Krasnopolski - Kafka (Österreichisches Obligationenrecht, S. 388). Der Oberste Gerichtshof vermag sich der von Bettelheim in Klang, 1. Aufl., II/2, zu § 1079, S. 1031, und von Ehrenzweig, II/1, § 365 III, vertretenen gegenteiligen Ansicht nicht anzuschließen. Wie sich aus der Bestimmung des § 920 ABGB. ergibt, kann bei schuldhafter Vereitelung der Erfüllung durch den Verpflichteten der andere Teil Schadenersatz verlangen. Da diese Bestimmung eine allgemeine über entgeltliche Verträge und Geschäfte ist, wie sich aus der Überschrift vor § 917 ABGB. ergibt, ist nicht einzusehen, wozu der Gesetzgeber für den Fall der unterlassenen Anbietung der Einlösung eines nicht verbücherten Vorkaufsrechtes ausdrücklich eine Schadenersatzverpflichtung statuiert haben sollte, wenn er damit nicht zum Ausdruck hätte bringen wollen, daß in einem solchen Falle der Anspruch des Berechtigten auf den Schadenersatz beschränkt werde.

Da die Klägerin nicht einmal behauptet hat, es sei ihr von der Beklagten das Superädifikat zur Einlösung angeboten worden und sie habe dieses Anbot zu den gestellten Bedingungen angenommen, in welchem Falle sie auf Erfüllung des Kaufvertrages klagen könnte, steht ihr nach dem ersten Satze des § 1079 ABGB. nur ein Schadenersatzanspruch zu.

Da im Hinblick auf diese Rechtslage das Verfahren spruchreif ist und das Berufungsgericht deshalb in der Lage war, in der Sache ohne weitere Verfahrensergänzung selbst zu erkennen, die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles aber nur auf eine unrichtige Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zurückzuführen ist, war dem Rekurs Folge zu geben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Beklagten aufzutragen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte