OGH 3Ob575/50

OGH3Ob575/5025.10.1950

SZ 23/306

Normen

Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §123
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §131
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 13
KO §1
KO §64
KO §68
KO §69
KO §71
ZPO §274
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §123
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §131
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 13
KO §1
KO §64
KO §68
KO §69
KO §71
ZPO §274

 

Spruch:

Auch über das Vermögen einer noch nicht registrierten offenen Handelsgesellschaft kann der Konkurs eröffnet werden.

Die Konkurseröffnung ist auch nach Auflösung der offenen Handelsgesellschaft noch so lange möglich, als ein ungeteiltes Vermögen vorhanden ist.

Entscheidung vom 25. Oktober 1950, 3 Ob 575/50.

I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Therese P. beantragte als Darlehensgläubigerin der noch nicht protokollierten Handelsgesellschaft B. & Co. die Eröffnung des Konkurses über die genannte Firma wegen deren Zahlungsunfähigkeit.

Das Erstgericht wies den Antrag mit der Begründung ab, daß zwar die Zahlungsunfähigkeit bescheinigt sei, jedoch über eine nicht protokollierte Firma ein Konkurs nicht eröffnet werden könne, da dieser die Rechtspersönlichkeit fehle. Das Rekursgericht behob diesen Beschluß und trug dem Erstgericht auf, unter Abstandnahme vom gebrauchten Weisungsgrund mit der Konkurseröffnung vorzugehen. Es stellte fest, daß Richard B., Anton P. und Richard Sch. mit Gesellschaftsvertrag vom 12. September 1949 eine offene Handelsgesellschaft mit dem Betriebsgegenstand Schmuckwarenerzeugung unter der Firma B. & Co. grundeten, den Betrieb eröffneten und in einem Umfang führten, der über den Rahmen eines Kleingewerbes hinausgeht, und nahm auf Grund des vorgelegten Kontoauszuges als bescheinigt an, daß die Antragstellerin in eigener Person Gläubigerin der offenen Handelsgesellschaft sei. Das Rekursgericht vertrat die Rechtsansicht, daß, wenn auch der Antrag auf Eintragung ins Handelsregister vom Registergerichte zurückgestellt wurde, weil die Handelskammer erklärte, es könne noch nicht beurteilt werden, ob der Umfang des Unternehmens über den des Kleingewerbes hinausgehe, doch in der Folge die Voraussetzungen für die Annahme des Vollhandelsgewerbes und damit für das Vorliegen einer offenen Handelsgesellschaft, unabhängig von der Eintragung ins Handelsregister, eingetreten seien.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Gesellschafters Richard Sch. nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs macht dem Rekursgericht Verfahrensmängel zum Vorwurf, weil dieses die Einwendung des Revisionsrekurswerbers, die Gesellschaft sei längst aufgelöst, nicht berücksichtigt, sich mit der Bescheinigung der Gläubigereigenschaft der Antragstellerin nicht befaßt und Widersprüche zwischen den Behauptungen der Antragstellerin und den Angaben des Zeugen K. über den Zeitpunkt seiner Beschäftigung bei der Firma nicht aufgeklärt habe.

Was zunächst die vom Rechtsmittelwerber behauptete Auflösung der Gesellschaft anlangt, so bestand für das Rekursgericht kein Grund, sich mit dieser Behauptung auseinanderzusetzen, weil gem. Art. 7 Nr. 13 der 4. Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich vom 24. Dezember 1938, DRGBl. I S. 1999, ein Konkurs so lange eröffnet werden kann, als noch ungeteiltes Vermögen einer aufgelösten Gesellschaft vorhanden ist. Daß die Liquidation der Gesellschaft bereits beendet und deren Vermögen verteilt worden sei oder daß der Rechtsmittelwerber nach dem Austritte des Gesellschafters B. und dem Tode des Gesellschafters P. das Unternehmen allein erworben habe, hat ersterer selbst nicht behauptet. Es steht daher die Auflösung der Gesellschaft, ohne daß die Liquidation beendet und das Vermögen verteilt worden ist, der Eröffnung des Konkurses nicht entgegen.

Was weiters das Vorbringen des Revisionsrekurses bezüglich der Bescheinigung der Gläubigereigenschaft der Antragstellerin anlangt, so hat das Rekursgericht auf Grund des vorgelegten Kontoauszuges als bescheinigt angesehen, daß die Antragstellerin in eigener Person und nicht bloß als erbserklärte Erbin Darlehens- und damit Konkursgläubigerin der offenen Handelsgesellschaft ist. Zu dieser selbständigen Feststellung, die sich auf vorgelegte Urkunden grundet, war das Rekursgericht berechtigt (SZ. XXII/40). Es gehen daher auch die Ausführungen des Revisionsrekurses, daß es sich bei der Darlehensforderung der Antragstellerin um eine solche des verstorbenen Gesellschafters P. handle, die im Aufrechnungswege für die Haftung zur Gänze herangezogen werden müßte, ins Leere. Die bezüglichen Ausführungen des Revisionsrekurses stellen sich ebenso als eine im Rekursverfahren unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung dar, wie die Behauptung von Widersprüchen zwischen dem Vorbringen der Antragstellerin und der Aussage des Zeugen K. Im übrigen kommt es nicht darauf an, wie lange der Zeuge K. bei der offenen Handelsgesellschaft tätig war, sondern lediglich darauf, ob der vorgelegte Kontoauszug mit den Geschäftsbüchern übereinstimmt. Wenn daher das Rekursgericht auf Grund des Kontoauszuges die Gläubigereigenschaft der Antragstellerin als glaubhaft gemacht befindet, so hat es damit nicht gegen die Bestimmung der §§ 274 ZPO. und 71 Abs. 1 KO. verstoßen.

Es ist aber die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Rekursgericht auch frei von Rechtsirrtum.

Wenn es auch richtig ist, daß die oberösterreichische Handelskammer im Zeitpunkte der Anmeldung der Firma zum Handelsregister noch nicht beurteilen konnte, ob der Umfang des Betriebes über den eines Kleingewerbes hinausgehen werde, so hat doch das Rekursgericht festgestellt, und diese Feststellung wird im Revisionsrekurs nicht ausdrücklich bekämpft, daß die Tätigkeit der Firma in der Folge die Voraussetzung für die Annahme eines Vollhandelsgewerbes erfüllt habe.

Gemäß § 123 Abs. 2 HGB. tritt die Wirksamkeit der offenen Handelsgesellschaft im Verhältnis zu Dritten bereits mit dem Zeitpunkte des Geschäftsbeginnes und nicht erst mit der Eintragung in das Handelsregister ein. Die Verpflichtung zur Anmeldung ist lediglich eine Ordnungsvorschrift; als Handelsgesellschaften gelten protokollierungspflichtige und nicht etwa nur tatsächlich protokollierte Vereinigungen. Der Rechtsbestand der offenen Handelsgesellschaft ist von der Erfüllung der Anmeldungspflicht nicht abhängig, die offene Handelsgesellschaft entsteht bereits in dem Zeitpunkt, in welchem sie ihre Geschäfte beginnt. Die Anmeldung zum Handelsregister bildet keine Voraussetzung für die rechtliche Existenz der Gesellschaft; die Gesellschaft gilt nach außen hin in solchen Fällen, in denen eine nicht eingetragene Gesellschaft als offene Handelsgesellschaft auftritt, bereits als offene Handelsgesellschaft (Frankl, Der Konkurs der offenen Handelsgesellschaft nach österr. Recht, S. 4; Jaeger, Die offene Handelsgesellschaft im Zivilprozesse, S. 21; Pisko, Lehrbuch des österreichischen Handelsrechtes, S. 350; Staub - Pinner, Anm. 9 zu § 123; Düringer - Hachenburg, Anm. 2 zu § 123, und die in den angeführten Belegstellen bezogene Lehre und Rechtsprechung). Der Gesellschaftskonkurs ist bei einer offenen Handelsgesellschaft immer dann zu eröffnen, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für die Konkurseröffnung gegeben sind; da die Eintragung in das Handelsregister nur eine Pflicht, nicht aber die Voraussetzung für das Bestehen einer offenen Handelsgesellschaft ist, muß, wenn eine offene Handelsgesellschaft vorliegt, über ihr Vermögen, ohne Rücksicht darauf, ob die Eintragung in das Register bereits stattgefunden hat oder nicht, der Konkurs verhängt werden (Frankl a. a. O., S. 26; Staub - Pinner, Anm. 11 zu § 131; Jäger, Komm. zur deutschen KO., Anm. 2 zu § 209, die lediglich bei nichtigen Gesellschaftsverträgen oder Vereinigungen von Minderkaufleuten eine Ausnahme macht). Die Eintragung einer offenen Handelsgesellschaft in das Handelsregister ist im Falle einer Konkurseröffnung gemäß § 64 Z. 2 KO. nur für die sachliche Zuständigkeit von rechtlicher Bedeutung (Bartsch - Pollak, Anm. 26 zu § 1 AO.); gerade aus der Fassung dieser Gesetzesstelle, die nur hinsichtlich der Zuständigkeit für das Konkursverfahren zwischen eingetragenen und nicht eingetragenen Handelsgesellschaften unterscheidet, ergibt sich, daß auch eine nicht eingetragene Handelsgesellschaft konkursfähig ist.

Da somit alle Voraussetzungen für die Konkurseröffnung gegeben sind,

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